.....Dabei könnte ich mir vorstellen, dass es durchaus unterschiedliche Grade desFaschismus gibt, die sich an der Frage festmachen, wie groß die Chancen des zum Todeverurteilten sind, der Hinrichtung zu entgehen. Der Grund, aus dem die Todesstrafeverhängt wirde, ist in dieser Hinsicht eigentlich sekundär, bei Bedarf läßt er sich imAllgemeinen konstruieren.
>>Level 1
Der schlechteste Fall ist zweifellosder, bei dem man vom Führer oder seinen Schergen ohne jede weitere Anhörungmöglicherweise auf der Stelle hingerichtet wird. Ein Verfahren, zu dem angeblich SaddamHussein neigte, ebenso wie alle absolutistischen Herrscher.
>>Level 2
Derzweitschlechteste Fall, könnte ich mir vorstellen, ist der, bei dem man die Chance aufein gerichtliches Verfahren bekommt. Das ist in der USA angeblich der Fall und dieNachteile sind bekannt: Man muss einen Anwalt bezahlen können, sonst nützt es einem garnichts.
>>Level 3
Der drittschlechteste Fall, meines Erachtens, wurde imalten Rom von den Volkstribunen durchgesetzt: Der Verurteilte bekam das Recht, vor derVolksvesammlung zu sprechen. (Allerdings auch nur, wenn er römischer Bürger war, wie zumBeispiel der Apostel Paulus, der deswegen nicht einfach in Palästina hingerichtet werdenkonnte.)
>>Level 4
Noch etwas besser schien mir der Modus zu sein, den dieYaqui-Indianer angeblich praktizierten (die traditionellerweise die Kerntruppe allermexikanischen Revolutionäre stellen): Der Delinquent konnte nur von der Vollversammlungverurteilt werden, die dann auch die Hinrichtung vollstreckte, indem sie sich am Abhangeines Hügels aufstellte und mit ihren Waffen auf den Delinquenten zielte, der aber nichtgefesselt war und das Recht hatte, den Abhang runter zu rennen und durch den Fluß zuschwimmen. Gelang ihm das, war er frei.
>>Level 5
Am allerbesten allerdingsscheint es mir, die Todesstrafe völlig abzuschaffen, wie das in Deutschland gerade unterdem Eindruck des Faschismus auch passiert ist.
Auch wenn man bedenken muss, dass sieautomatisch wieder eingeführt wird, sobald sich Deutschland im Kriegszustand befindet,gleichzeitig wird auch die Öffentlichkeit vom Verfahren ausgeschlossen, so dass man sichdann faktisch wieder auf Level 2 befindet.
Wieso der Faschismus regelmäßigzusammen mit dem Antisemitismus einhergeht, hat unter anderem sicherlich den gleichenGrund, aus dem ein Räuber sich normalerweise entschließt, den am schlechtesten bewachtenGeldtransporter zu überfallen, der aber gleichzeitig das meiste Geld transportiert:Größtmögliche Beute bei geringstem Risiko.
Das war dann auch das Argument, mit dem inder Weimarer Republik die Nazis die Kommunisten überzeugen konnten, nicht alleKapitalisten zu enteignen, sondern nur diejenigen, die sich mangels Zugriff aufReichswehr, Frei-Korps etc am schlechtesten wehren konnten, nämlich die Juden.
Interessanterweise ist der Antisemitismus im gleichen Maße rückgängig, wie sichrumspricht, dass die israelische Armee eine der effektivsten der Welt ist und dass inIsrael eh nix zu holen ist, nicht mal Öl. (Die Juden in den USA haben auf der anderenSeite Zugriff auf die US-Armee und sonstige Dienste, so dass auch sie nicht mehr imZentrum der räuberischen Begierde stehen.)
Dass die deutschen Faschisten die Juden,die sie ja bereits vollständig ausgeraubt und versklavt hatten, dann auch umbrachten,kann meines Erachtens mit der wirtschaftlichen Logik der Räuberbande nicht mehr erklärtwerden. So zynisch es klingen mag, scheint mir hier eher die Definition des Deutschen zugreifen:
"Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu betreiben."(5)
In der Tat wird auch immer noch bestritten, dass es einen Befehl des Führers oderzumindest seines Stabes gab, die vollständige Vernichtung der Juden in die Wege zuleiten, sondern möglicherweise beruhte dies hauptsächlich auf dem vorauseilenden Gehorsamsubalterner Verwaltungskräfte, denen jegliche Einsicht in die praktische Räuber-Logikfehlte, und die die ihnen eingetrichterte Propaganda von der jüdisch-boschewistischenBedrohung tatsächlich selber glaubten.
Auch wenn ich weiß, dass es mir nichtsnützen wird, will ich hier noch darauf hinweisen, dass es mir nicht darum geht, dasVerhalten der Deutschen Faschisten zu relativieren oder gar zu entschuldigen, ich haltees lediglich für angebracht, einen Begriff zu definieren, bevor man ihn verwendet. Dannist ein Wort eine Waffe und die Feder mächtiger als das Schwert. Wenn nicht, dann nicht.
Ich bin mir ebenso darüber im Klaren, dass der Begriff Faschismus im Allgemeinen fürrepublikanische Systeme gebraucht wird, die aber trotzdem die absolutistische Macht desStaates über seine Bürger ausüben wollen. Sie sind damit nicht besser als die absolutenMonarchien, die sie einst abzulösen beabsichtigten, aber auch nicht notwendigerweiseschlechter. Das Kriterium sollte meiner Meinung nach das Recht des Bürgers auf Leben undkörperliche Unversehrtheit sein. Deswegen würde ich auch Monarchien oder was auch immerals faschistisch bezeichnen, sobald sie dieses nicht garantieren.
Des Weiteren istmir schmerzlich bewußt, dass ich in diesem Text immer nur die männlich Form der Wörterverwendet habe. Dies geschah aus Bequemlichkeit, nicht aus der Absicht, Frauen auswelchem Zusammenhang auch immer auszuklammern. Und keineswegs deswegen, weil ich denke,dass der Faschismus hauptsächlich eine Angelegenheit von Männerbünden wäre. Er war diesallerhöchstens zu der Zeit, als Frauen noch vom öffentlich-politischen Lebenausgeklammert waren, zumindest als Täterinnen.
Abgesehen von moralischen Einwänden,die Machtpolitiker im Allgemeinen eh nur im Rahmen ihrer Öffentlichkeit interessieren,möchte ich all jenen, die es jetzt notwendig finden, in der Reaktion auf faschistischeStrukturen, selber solche zu entwickeln, folgendes zu bedenken geben:
Die Aussicht,bei Nichtgefallen vom Führer hingerichtet zu werden, fördert nicht die geistige Freiheit.Das Fehlen geistiger Freiheit aber ist Dummheit. Und diese ist im Konfliktfall imAllgemeinen der Grund der Niederlage.
(1) Beide Zitate zitiert nachmündlicher Überlieferung. Über Korrekturen, bzw. Quellenangaben wäre ich dankbar.
(2) Plato, Kratylos
(3) Der einzige Platz auf der Welt, an dem dieseRutenbündel auch heute noch von Bedeutung sind, ist interessanterweise der amerikanischeKongress, dessen Rednerpult sie flankieren.
(4) Lenin zitiert nach Emma Goldmann
(5) Richard Wagner
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