Klimawandel driftet endgültig ins Unglaubwürdige ab
12.07.2007 um 13:44Link: www.stern.de (extern)
Neben CO2 gilt die Sonne als entscheidender Faktor für den Klimawandel. Deutsche
Wissenschaftler untersuchten das Ausmaß der Sonnenaktivität. Klimaforscher Joachim
Jungclaus erzählt im stern.de-Interview, warum das Ergebnis Klimaskeptiker überraschen
dürfte.
Die Schwankung der Sonnenstrahlung in den vergangenen 1000 Jahren ist viel
geringer als Wissenschaftler bislang annahmen. Das fanden Forscher aus Katlenburg vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung heraus. Die Sonne spielt beim Klimawandel
allenfalls eine kleine Nebenrolle. Die beobachtete globale Erwärmung kann man mit ihr
nicht erklären. Das Ergebnis geht in das sogenannte "Millenniumsexperiment" ein, das
Johann Jungclaus betreut. Seine Projektgruppe will das Klima der vergangenen 1000 Jahre
deutlich besser simulieren als bisher.
Mehrere Forschergruppen der deutschen
Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz Gemeinschaft und anderer Organisationen teilten
sich die aufwendigen Arbeiten an den monatelang laufenden Berechnungen. Die Simulationen
verschlangen die Kapazitäten ganzer Super-Computer-Anlagen. Sie bezogen erstmals auch den
gesamten Kohlenstoffkreislauf der Erde mit ein. Er ist so komplex, dass er von Computern
bisher nicht simuliert werden konnte.
Zur Person
Johann Jungclaus ist der
Projektleiter des laufenden Millenniumsexperiments in Hamburg. Seit 1999 ist er am
Max-Planck-Institut für Meteorologie tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Rolle
des Ozeans im Klimasystem und Klimasimulationen. Er ist Autor und Koautor von mehr als 30
wissenschaftlichen Veröffentlichungen in internationalen Fachzeitschriften und Mitglied
des Arctic Climate Panels des World Climate Research Programs.
Herr Jungclaus,
als ein Faktor neben den Treibhausgasen gilt die Sonneneinstrahlung; deren Veränderung
soll im Millenniumsexperiment berücksichtigt werden. Nun gibt es neue Erkenntnisse, die
zeigen, dass die Sonnenaktivität in den letzten 1.000 Jahren deutlich weniger schwankte
als bisher angenommen.
Unabhängige Experten haben die Sonne neu analysiert und mit
sonnenähnlichen Sternen verglichen. Die Ergebnisse zeigen: Über die letzten 400 Jahre
wäre die Veränderung der Sonnenstrahlung fast vier mal kleiner als bisher
angenommen.
Überrascht Sie, dass die alten Berechnungen womöglich falsch
sind?
Es hat mich schon überrascht, dass gestandene Wissenschaftler ihre eigene
Forschungsarbeit nach 10 Jahren überarbeiten und um den Faktor 4 korrigieren. Das kommt
sicher nicht so häufig vor in der Wissenschaft.
Das Maß der Sonnenaktivität
(linke Skala) der globalen Erhöhung der Durchschnittstemperatur seit 1860 gegenüber
gestellt (rechte Skala). Die Übereinstimmungen beider Kurven reichen nur bis zum Jahr
1980
Ist ein Fehler um den Faktor 4 Forschungsalltag?
Es gehört dazu, sich
damit auseinanderzusetzen: Was bisher alle geglaubt haben, muss manchmal revidiert
werden. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren diskutierte man das Zusammenbrechen des
Golfstroms und somit eine neue Eiszeit über Europa als Folge des Klimawandels. Das ist
nicht mehr aktuell. Alle neueren Modellrechnungen zeigen, dass es eine Abschwächung, aber
keinen Zusammenbruch geben wird. Außerdem ist die globale Erwärmung gravierender als die
Abkühlung durch einen schwächeren Golfstrom. Es gibt keine neue Eiszeit. Und neue
Erkenntnisse bieten auch immer die Chance, neu nachzudenken, neue Einflussgrößen und
Mechanismen zu berücksichtigen. Was die Rolle der Sonne angeht, werden wir in Zukunft zum
Beispiel den Einfluss der Sonnenstrahlung auf die Chemie der Atmosphäre erforschen
müssen.
Skeptiker messen der Sonnenaktivität immer wieder eine größere Bedeutung
bei als den menschengemachten Effekten. Gewinnen die Treibhausgase angesichts Ihrer
Erkenntnisse an Bedeutung beim Klimawandel?
Ja. Die Frage lautet: Was bewirkte die
Temperaturänderungen seit der Industrialisierung um 1860? Ein Teil wird auf die solare
Einstrahlung, ein anderer Teil auf die Treibhausgase zurückgeführt. Aber seit 1950 ist
der Effekt der Treibhausgase der Wichtigere. Insbesondere die Messungen mit Satelliten
über die letzten 30 Jahre zeigen keinen Trend in der Sonnenaktivität, mit dem man die
Erwärmung der Erde erklären kann. Das gilt auch, wenn man noch ungeklärte Rückkoppelungen
beachtet.
Welche Folgen haben nun die neuen Rekonstruktionen der Sonnenaktivität
für die Klimaprognose? Muss alles neu berechnet werden?
Für die Prognose des Klimas
hat das relativ wenig Einfluss, denn auch wenn die Sonnenaktivitäts-Schwankung noch mal
um den Faktor 4 kleiner ist - der Faktor der Treibhausgase war schon zuvor so groß, dass
die Sonne von den meisten Wissenschaftlern als weniger bedeutend angesehen wurde. Der
menschengemachte Treibhauseffekt hat einen Einfluss von 2 bis 4 Watt pro Quadratmeter;
die Sonnenaktivität hingegen schwankte nur um 0,25 bis 0,5 Watt pro Quadratmeter.
Im Millenniumsexperiment geht es um das Klima der letzten 1.000 Jahre. Das wurde
schon oft simuliert. Was also ist das Besondere an Ihrer neuen Simulation?
In
vergangenen Simulationen stand uns weniger Computer-Rechenkraft zur Verfügung und wir
mussten vereinfachte Modelle mit geringer Auflösung rechnen lassen. Unser neues Modell
ist sehr viel realitätsnäher als das Vorherige und schließt sogar den
Kohlenstoffkreislauf der Erde mit ein.
Neben menschlichen Einflüssen,
Sonnenaktivität und Vulkanausbrüchen was verändert das Klima noch?
Bei den
menschlichen Einflüssen sollte man die Landnutzungsänderungen nicht vergessen. Die
Menschen haben die Oberfläche des Planeten verändert, den Boden mit Straßen und Häusern
versiegelt, Wälder gerodet und Äcker angelegt, was sich auf das Klima auswirkt. Dazu
kommen natürliche, interne Klimaveränderungen die recht regelmäßig auftreten: Wie das El
Nino Phänomen und sich ändernde Meeresströmungen. Einige Forscher geben veränderte
Meeresströmungen zum Beispiel als Ursache für den letzten großen Klimawandel an, was
allerdings sehr umstritten ist. Dieser letzte Klimawandel wird kleine Eiszeit genannt und
dauerte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert.
El Niño und die Meeresströmungen gehören
also zu den natürlichen Faktoren. Es ist aber bei natürlichen Veränderungen nie sicher,
was genau ihr Auslöser ist.
Auch die Meeresströmungen können durch äußere Faktoren
beeinflusst werden, was ja die zu erwartende Abschwächung des Golfstroms zeigt. Das
Problem ist eher, dass der Ozean äußerst träge ist. Er verändert sich in ähnlich langer
Zeit wie der wachsende menschliche Einfluss durch Treibhausgase. Das macht es manchmal
schwer, beide Prozesse auseinanderzuhalten.
Interview: Thomas Langkamp
Neben CO2 gilt die Sonne als entscheidender Faktor für den Klimawandel. Deutsche
Wissenschaftler untersuchten das Ausmaß der Sonnenaktivität. Klimaforscher Joachim
Jungclaus erzählt im stern.de-Interview, warum das Ergebnis Klimaskeptiker überraschen
dürfte.
Die Schwankung der Sonnenstrahlung in den vergangenen 1000 Jahren ist viel
geringer als Wissenschaftler bislang annahmen. Das fanden Forscher aus Katlenburg vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung heraus. Die Sonne spielt beim Klimawandel
allenfalls eine kleine Nebenrolle. Die beobachtete globale Erwärmung kann man mit ihr
nicht erklären. Das Ergebnis geht in das sogenannte "Millenniumsexperiment" ein, das
Johann Jungclaus betreut. Seine Projektgruppe will das Klima der vergangenen 1000 Jahre
deutlich besser simulieren als bisher.
Mehrere Forschergruppen der deutschen
Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz Gemeinschaft und anderer Organisationen teilten
sich die aufwendigen Arbeiten an den monatelang laufenden Berechnungen. Die Simulationen
verschlangen die Kapazitäten ganzer Super-Computer-Anlagen. Sie bezogen erstmals auch den
gesamten Kohlenstoffkreislauf der Erde mit ein. Er ist so komplex, dass er von Computern
bisher nicht simuliert werden konnte.
Zur Person
Johann Jungclaus ist der
Projektleiter des laufenden Millenniumsexperiments in Hamburg. Seit 1999 ist er am
Max-Planck-Institut für Meteorologie tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Rolle
des Ozeans im Klimasystem und Klimasimulationen. Er ist Autor und Koautor von mehr als 30
wissenschaftlichen Veröffentlichungen in internationalen Fachzeitschriften und Mitglied
des Arctic Climate Panels des World Climate Research Programs.
Herr Jungclaus,
als ein Faktor neben den Treibhausgasen gilt die Sonneneinstrahlung; deren Veränderung
soll im Millenniumsexperiment berücksichtigt werden. Nun gibt es neue Erkenntnisse, die
zeigen, dass die Sonnenaktivität in den letzten 1.000 Jahren deutlich weniger schwankte
als bisher angenommen.
Unabhängige Experten haben die Sonne neu analysiert und mit
sonnenähnlichen Sternen verglichen. Die Ergebnisse zeigen: Über die letzten 400 Jahre
wäre die Veränderung der Sonnenstrahlung fast vier mal kleiner als bisher
angenommen.
Überrascht Sie, dass die alten Berechnungen womöglich falsch
sind?
Es hat mich schon überrascht, dass gestandene Wissenschaftler ihre eigene
Forschungsarbeit nach 10 Jahren überarbeiten und um den Faktor 4 korrigieren. Das kommt
sicher nicht so häufig vor in der Wissenschaft.
Das Maß der Sonnenaktivität
(linke Skala) der globalen Erhöhung der Durchschnittstemperatur seit 1860 gegenüber
gestellt (rechte Skala). Die Übereinstimmungen beider Kurven reichen nur bis zum Jahr
1980
Ist ein Fehler um den Faktor 4 Forschungsalltag?
Es gehört dazu, sich
damit auseinanderzusetzen: Was bisher alle geglaubt haben, muss manchmal revidiert
werden. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren diskutierte man das Zusammenbrechen des
Golfstroms und somit eine neue Eiszeit über Europa als Folge des Klimawandels. Das ist
nicht mehr aktuell. Alle neueren Modellrechnungen zeigen, dass es eine Abschwächung, aber
keinen Zusammenbruch geben wird. Außerdem ist die globale Erwärmung gravierender als die
Abkühlung durch einen schwächeren Golfstrom. Es gibt keine neue Eiszeit. Und neue
Erkenntnisse bieten auch immer die Chance, neu nachzudenken, neue Einflussgrößen und
Mechanismen zu berücksichtigen. Was die Rolle der Sonne angeht, werden wir in Zukunft zum
Beispiel den Einfluss der Sonnenstrahlung auf die Chemie der Atmosphäre erforschen
müssen.
Skeptiker messen der Sonnenaktivität immer wieder eine größere Bedeutung
bei als den menschengemachten Effekten. Gewinnen die Treibhausgase angesichts Ihrer
Erkenntnisse an Bedeutung beim Klimawandel?
Ja. Die Frage lautet: Was bewirkte die
Temperaturänderungen seit der Industrialisierung um 1860? Ein Teil wird auf die solare
Einstrahlung, ein anderer Teil auf die Treibhausgase zurückgeführt. Aber seit 1950 ist
der Effekt der Treibhausgase der Wichtigere. Insbesondere die Messungen mit Satelliten
über die letzten 30 Jahre zeigen keinen Trend in der Sonnenaktivität, mit dem man die
Erwärmung der Erde erklären kann. Das gilt auch, wenn man noch ungeklärte Rückkoppelungen
beachtet.
Welche Folgen haben nun die neuen Rekonstruktionen der Sonnenaktivität
für die Klimaprognose? Muss alles neu berechnet werden?
Für die Prognose des Klimas
hat das relativ wenig Einfluss, denn auch wenn die Sonnenaktivitäts-Schwankung noch mal
um den Faktor 4 kleiner ist - der Faktor der Treibhausgase war schon zuvor so groß, dass
die Sonne von den meisten Wissenschaftlern als weniger bedeutend angesehen wurde. Der
menschengemachte Treibhauseffekt hat einen Einfluss von 2 bis 4 Watt pro Quadratmeter;
die Sonnenaktivität hingegen schwankte nur um 0,25 bis 0,5 Watt pro Quadratmeter.
Im Millenniumsexperiment geht es um das Klima der letzten 1.000 Jahre. Das wurde
schon oft simuliert. Was also ist das Besondere an Ihrer neuen Simulation?
In
vergangenen Simulationen stand uns weniger Computer-Rechenkraft zur Verfügung und wir
mussten vereinfachte Modelle mit geringer Auflösung rechnen lassen. Unser neues Modell
ist sehr viel realitätsnäher als das Vorherige und schließt sogar den
Kohlenstoffkreislauf der Erde mit ein.
Neben menschlichen Einflüssen,
Sonnenaktivität und Vulkanausbrüchen was verändert das Klima noch?
Bei den
menschlichen Einflüssen sollte man die Landnutzungsänderungen nicht vergessen. Die
Menschen haben die Oberfläche des Planeten verändert, den Boden mit Straßen und Häusern
versiegelt, Wälder gerodet und Äcker angelegt, was sich auf das Klima auswirkt. Dazu
kommen natürliche, interne Klimaveränderungen die recht regelmäßig auftreten: Wie das El
Nino Phänomen und sich ändernde Meeresströmungen. Einige Forscher geben veränderte
Meeresströmungen zum Beispiel als Ursache für den letzten großen Klimawandel an, was
allerdings sehr umstritten ist. Dieser letzte Klimawandel wird kleine Eiszeit genannt und
dauerte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert.
El Niño und die Meeresströmungen gehören
also zu den natürlichen Faktoren. Es ist aber bei natürlichen Veränderungen nie sicher,
was genau ihr Auslöser ist.
Auch die Meeresströmungen können durch äußere Faktoren
beeinflusst werden, was ja die zu erwartende Abschwächung des Golfstroms zeigt. Das
Problem ist eher, dass der Ozean äußerst träge ist. Er verändert sich in ähnlich langer
Zeit wie der wachsende menschliche Einfluss durch Treibhausgase. Das macht es manchmal
schwer, beide Prozesse auseinanderzuhalten.
Interview: Thomas Langkamp