Türkischer Verband kündigt Verfassungsklage an
Berlin (dpa) - Unmittelbar vor demzweiten Integrationsgipfel im Kanzleramt ist der Streit zwischen der Regierung undtürkischen Verbänden über das neue Zuwanderungsrecht noch einmal schärfer geworden.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, kündigteeine Verfassungsklage gegen das Gesetz an, sollte es von Bundespräsident Horst Köhlerunterschrieben werden. "Es geht um die demokratische Zukunft der Bundesrepublik", sagteKolat auf N24. Die Integrationsbeauftragte der Regierung, Maria Böhmer (CDU), kritisierteunterdessen den Boykott des Gipfels durch mehrere türkische Verbände scharf. "Die Absageist völlig überzogen, sowohl im Ton als auch in der Sache", sagte Böhmer der Zeitung "DieWelt".
Die Türkische Gemeinde in Deutschland, die Türkisch-Islamische Unionder Anstalt für Religion (DITIB), der Rat Türkeistämmiger Staatsbürger und die FöderationTürkischer Elternvereine hatten ihre Absage mit den Verschärfungen im Zuwanderungsrecht,unter anderem beim Ehegattennachzug, begründet.
Zum Integrationsgipfel wurden amMittag rund 90 Teilnehmer im Kanzleramt erwartet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)wollte dabei den Nationalen Integrationsplan mit etwa 400 Selbstverpflichtungen vonPolitik, Wirtschaft und Verbänden vorstellen. Damit werden die Initiativen allerBeteiligten für eine bessere Integration von Ausländern in Deutschland auf einegemeinsame Grundlage gestellt. Der Grünen-Politiker Josef Winkler kritisierte allerdings,die meisten Selbstverpflichtungen der Bundesregierung seienunverbindlich.
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU)verteidigte die umstrittene Verschärfung des Zuwanderungsrechts. "Es ist keinAnti-Türken-Gesetz", sagte Laschet der ARD. Dagegen warf der Dialogbeauftragte derTürkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, Bekir Alboga, der Regierung vor, dieVerbände ignoriert zu haben. Mit dem Fernbleiben vom Gipfel wolle man "ein Zeichensetzten, das ist keine Verweigerung von Dialog", sagte er dem BR. Kolat wies zudemUnterstellungen zurück, Türken seien integrationsunwillig.
Verständnis für dieVerbände, allerdings nicht für deren Gipfel- Boykott, äußerte die Evangelische Kirche.Das Grundgesetz stelle schließlich Ehe und Familie unter besonderen Schutz, und zwar auch"solche mit Migrationshintergrund", sagte der Vertreter der Kirche beim Gipfel, StephanReimers, dem SWR. Verständnis für die Kritik der Verbände am verschärftenZuwanderungsrecht äußerte auch der Migrationsforscher Dieter Oberndörfer. DieHeraufsetzung des Nachzugsalters von 16 auf 18 Jahre für Ehegatten und der geforderteNachweis von Deutschkenntnissen vor der Einreise seien eine diskriminierende undrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung türkischer Zuwanderer gegenüber EU-Ausländern,sagte Oberndörfer in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa inBerlin.
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