Die Beweiskraft des Baghdad-Dossiers bleibt umstritten. Während sich große amerikanischeZeitungen vom präsentierten Material beeindrucken ließen, wies gestern nun auch derranghöchste US-Soldat, General Peter Pace, auf Lücken in der Beweisführung hin: Zwarbezweifelte Pace nicht, dass Iraner bzw. iranisches Material im Irak "involviert" seien,die Anklage aber, dass dies mit Wissen bzw. gar auf Order der iranischen Regierunggeschehe, wollte er aber nicht bestätigen: "What I would not say is that the Iraniangovernment, per se [specifically], knows about this."
Neben dem fehlendenzwingenden Nachweis, dass die E.F.P. (explosively formed penetrators) genanntenStraßenbomben mit Wissen der iranischen Regierung in Iran produziert und in den Irakverbracht werden, bleiben nach der Powerpoint-Vorführung vom Sonntag noch eine ganzeReihe von Fragen ungelöst. So etwa das Timing der Präsentation: Schon 2005, berichtet dieBBC, habe der englische Botschafter im Irak Journalisten darauf hingewiesen, dass Iranschiitischen Milizen im Süden Bomben bereitstelle, die gepanzerte Fahrzeuge durchdringenkönnen. Beweise, dass die al-Mahdi-Armee von Muktada as-Sadr mit solchen Straßenbombenbeliefert wurde, gab es allerdings nicht. Sondern eben nur, wie am Sonntag, Hinweise undVerdachtsmomente, die darauf gründeten, dass man ähnliches Material bei der libanesischenHisbullah verwendet habe.
Der Nachweis, dass die iranische Regierung viaRevolutionärer Garden an der Waffenlieferung beteiligt ist oder davon weiß, ist zudemschwer zu führen, da man bislang davon ausgeht, dass die Waffen von Irakern über dieGrenze ins Land gebracht werden. Allem Anschein nach gibt es vor allem Indizien dafür,"dass Waffen (nicht die EFPs!) tatsächlich im Iran gefertigt wurden". Doch, wie derTeheran-Korrespondent und Blogger Martin Ebbing hinweist, sagt dies "noch nichts darüberaus, wie die Waffen in den Irak gekommen sind. In der Region - vom Libanon bis nachAfghanistan - existiert ein sehr lebhafter Schwarzmarkt für Waffen, der sich aus denunterschiedlichsten Quellen speist".
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang istzudem, dass in den letzten Wochen häufiger davon berichtet wurde, dass sich sunnitischeWiderstandsgruppen im Irak auf dem Schwarzmarkt mühelos amerikanische Waffen besorgenkönnen (Was beweist das? Etwa dass die Amerikaner im Irak involviert sind und sunnitischeWiderstandsgruppen unterstützen?).
Etwas eigenartig ist die Gewichtung schon,die jetzt den EFPs zukommt. Zum einen gibt es genaue Zahlen, 170 alliierte Soldaten, dieinfolge dieser Bomben ums Leben gekommen sind, zum anderen wird dabei unterschlagen, wieviel mehr amerikanische Soldaten in diesem Zeitraum durch andere Waffen getötet wurden.Und dann gibt es noch den mysteriösen Adressaten der Lieferungen aus Iran. Währendbeispielsweise die New York Times in ihrem Artikel sehr ausgiebig auf die amerikanischenAnklagepunkte und Beweisführung eingeht, wird das Lieferziel nur ungefähr wiedergegeben:
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Iran supplies Shiite extremist groups in Iraq with some of the most lethal weaponsin the war Iran into southern Iraq in 2005, the officials said. Caches and arrays ofE.F.P.s, as well as mortars and other weapons traceable to Iran, have been repeatedlyfound inside Iraq in areas dominated by militias known to have ties to Iran.
Das Bagdad-Briefing würde nur generell auf die Unterstützung von "Extremisten"anspielen, spezifische Informationen fehlen, bemängelt auch Spencer Ackerman. Nachanderen Quellen nannten die drei amerikanischen Militärvertreter am Sonntag dieal-Mahdi-Miliz von Muktdada as-Sadr und abtrünnige Einheiten der Badr-Miliz alsAdressaten für die Lieferungen aus Iran. Vertreter der arabischen Zeitung Azzaman habenoffensichtlich noch genauer zugehört als die amerikanischen Kollegen. Sie zitieren, wasin amerikanischen Zeitungen kaum erwähnt wird:
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An American military official said a group of rogue elements from the Mahdi Army,and a group run by a former official of the Badr organization who split from it and fledto Iran, received from the Quds Brigades of the Revolutionary Guards rounds of theseweapons that they used in armed attacks against American forces...
Thegroups that have used the Iranian-made explosives include rogue members from the MahdiArmy that had split from its leader Moqtada al-Sadr, and reports have said these areleaders of death squads who have fled to Iran ahead of startup of the [current] securitycampaign. And [the briefer] said another group, led by a former official of the BadrOrganization, which is led by Abdulaziz al-Hakim, and who split with him and fled toIran, has received similar weapons. The briefer said: "We have undertaken to pass on thisinformation to the highest levels of the Iraqi government."
Und Azzaman liefertauch eine völlig andere Sichtweise auf die sonntägliche Powerpoint-Show. Man habe mit derPräsentation vor allem den Druck auf Premierminister Maliki deutlich erhöhen wollen,damit dieser bei der gegenwärtigen Sicherheitsoffensive (vgl. Malikis letztes Gefecht) inBagdad die Schiiten nicht ausspare.
Quelle:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24639/1.html