Serbien wählt wieder ultrarechte Nationalisten
06.04.2007 um 01:31
"Wie wohl allen in diesem Saal bekannt ist, wurden 1991 Kroatien und Slowenien in einemdeutschen Alleingang anerkannt, was verheerende Folgen nach sich zog. Nicht umsonstbezeichnete Cyrus Vance, der langjährige amerikanische Balkanbeauftragte den sichanschließenden Bosnien-Krieg als „Genscher´s war“. Vier Jahre später knüpfte die deutscheAußenpolitik in Bezug auf das Kosovo an die Anerkennungspolitik von 1991 an. 1995unterzeichnete die Bundesregierung in Tirana eine deutsch-albanische Grundsatzerklärung,die “zur Lösung der Kosovo-Frage”, wie es dort heißt, ein „Selbstbestimmungsrecht“ fürdie Kosovo-Albaner und damit de facto deren Recht auf Sezession ausdrücklich bejaht. VierJahre nach der Anerkennung eines völkisch definierten Selbstbestimmungsrechts fürKroatien und Slowenien war diese Erklärung die Ankündigung, Jugoslawien mittels ebendieses Instruments noch weiter zu zerstückeln. Doch warum erkannte die Bundesrepublik1995 die „Republik Kosova“ nicht diplomatisch an? „Das will ich ihnen sagen“, antworteteder damalige Außenminister Klaus Kinkel auf eben diese Frage. „Sollen wir Deutschenwirklich allein so vorpreschen? Das wäre eine schlechte deutsche Außenpolitik.“ Statt imAlleingang vorzupreschen, profilierte sich Deutschland politisch und materiell als daswichtigste Hinterland eines organisierten Seperatismus der nationalistischenKosovo-Albaner, die, wie etwa Ibrahim Rugova, aus ihrer Orientierung auf ein Großalbanienniemals einen Hehl gemacht haben. Soviel zu 1995.
1996 trat die UCK erstmalsöffentlich in Aktion und schon diese erste Aktion war typisch für ihren Stil: 5 serbischeFlüchtlingsdörfer wurden zeitgleich mit Bombenanschlägen attackiert. Es ist kein Zufall,dass schon diese erste Aktion die Handschrift der alten kosovo-albanischen SS-Division„Skanderbeg“ von 1944 trug. Denn sowohl den „Skanderbeg“- wie auch den UCK-Militantenging es niemals um individuelle Selbstbestimmung oder um die Erkämpfung eines irgendwiegearteten eigenen Staates, sondern stets um einen „ethnisch gesäuberten“ Staat. DerFreiheitsbegriff der UCK war von Anfang an und ist bis heute an der Großalbanien-Realitätzwischen 1941 und 1944 und somit am nationalsozialistischen „frei von“ orientiert: Freivon Juden, frei von Roma, frei von Serben, von Türken und mazedonischen Slawen. Schon inden frühen 80er Jahren hat dieser radikale kosovo-albanische Nationalismus das Konzeptder „ethnischen Reinheit“ propagiert und praktiziert: lange bevor es einen Milosevic aufder politischen Bühne überhaupt gab.Doch trotz ihres völkisch-faschistoidenGesellschaftsmodell haben deutsche Geheimdienststellen den Aufbau der UCK von Anfang anunterstützt. Der BND und der MAD „haben sich beim Training und bei der Ausrüstung derRebellen engagiert, um deutschen Einfluss in der Balkanregion zu zementieren”, berichteteetwa die Zeitschrift The European."
"1997 wurde die bislang latente Krise imKosovo akut. Nachdem in Albanien das Bankensystem zusammengebrochen war, entlud sich dieWut der dortigen Bevölkerung im sogenannten „Pyramidenaufstand“, in dessen Folge dieWaffenlager der albanischen Armee geplündert wurden. Als Herausgeber der FrankfurterAllgemeinen Zeitung verlieh Johann Georg Reißmüller in jenen Tagen seiner HoffnungAusdruck, “dass sich in Albanien Abenteurer jetzt Waffen beschafften, die sie ins Kosovobringen möchten”, was in der Tat auch geschah. Nach dieser plötzlichen Bewaffnung derUCK-Guerilla erhielt deren diskrete deutsche Rückendeckung schlagartig neues Gewicht, wasauch in Washington nicht unbemerkt blieb:”Die amerikanische Regierung sieht es ungern,dass sich die deutsche auf dem Kosovo politisch engagiert”, schrieb 1997 der schonerwähnte Reißmüller in der FAZ.
1998 schließlich – genauer gesagt: Ende Februar1998 – provozierte die UCK mit immer neuen Morden an Serben eine nicht entschuldbare,blutige und außer Kontrolle geratenen Vergeltungsaktion serbischer Sondereinheiten – nachjugoslawischen Angaben wurden 67 Kosovo-Albaner, darunter Frauen und Kinder getötet – dieschlagartig die Kosovo-Krise in die Schlagzeilen der Weltöffentlichkeit katapultierte.
Fast alle Nato-Staaten verfolgten im Sommer 1998 jedoch eine Politik, die derjetzigen in Mazedonien ähnlich war: So setzten die USA auf eine Strategie des Dialogszwischen gemäßigten kosovo-albanischen Nationalisten und der serbischen Führung undunterstützen diskret der serbischen Versuch, die UCK mit militärischen Mitteln zuzerschlagen. „Jede Nation hat das Recht, ihre Bundesstraßen zu kontrollieren“, erklärtelakonisch ein Regierungsbeamter der USA.
Dieser Ansatz des politischen Dialogs undder De-Eskalation blieb jedoch so lange zum Scheitern verurteilt, wie die Waffen- undRekrutenlieferungen an die UCK via Albanien anhielten und der Guerillakampf weitereskalierte. Schon damals stand – wie heute im Fall Mazedonien – die Frage derUnterbindung der Waffenlieferungen an die UCK an der Spitze der Tagesordnung derinternationalen Gemeinschaft. Der stellvertretende US-Außenminister unter Clinton, StrobeTalbott, forderte massivere Grenzkontrollen in Albanien. Der UN-Sicherheitsrat beschlossein umfassendes Waffenembargo, das insbesondere auf den Waffenschmuggel zugunsten der UCKgemünzt war. Der damalige albanische Ministerpräsident und UCK-Gegner Fatos Nano bat dieNato „um Unterstützung bei der Unterbindung des Waffenschmuggels sowie bei der Bewachungder Sprengstofflager im Nordosten des Landes“ Und im Mai 1998 zogen schließlich auch dieAußenminister der sechzehn Nato-Staaten die Stationierung von Truppen imalbanisch-jugoslawischen Grenzgebiet ernsthaft in Betracht: „Nach Schätzungen vonNato-Militärs wäre für die Sicherung der Grenze Albaniens zum Kosovo der Einsatz von7.000 bis 20.000 Soldaten erforderlich.“
Angesichts dieser Entwicklung schlugdie UCK Alarm und warnte die Nato, Truppen an der albanisch-serbischen Grenze zustationieren, „weil wir dies als eine zweite Offensive gegen unsere Freiheit … betrachtenwürden.“ Während dies die Nato nicht beeindrucken konnte, trat nun aber der stärksteVerbündete der UCK aus seiner Deckung hervor: Gegen die militärische Unterbindung desWaffenschmuggels legte Deutschland sein Veto ein.
„Natürlich muss man sichüberlegen, ob man von der moralisch-ethischen Seite her die Kosovo-Albaner vom Kauf vonWaffen zur Selbstverteidigung abhalten darf“, erläuterte der damalige Außenminister KlausKinkel die deutsche Position. Gänzlich unverblümt ergriff Verteidigungsminister VolkerRühe Partei: „Das Problem Kosovo kann nicht gelöst werden, indem ich Truppen nachAlbanien schicke, dort die Grenze zum Kosovo dichtmache und so das Geschäft des HerrnMilosevic betreibe.“ Dies war die entscheidende Zäsur.
Die deutsche Parteinahme fürdie UCK war im Juni 1998 von derselben provokativen Qualität, wie die Parteinahme für denkroatischen Präsidenten Franjo Tujman im Dezember 1991: In beiden Fällen war dieBundesregierung ungeachtet der Position der anderen Nato- und EU-Mitgliedsländer imAlleingang vorgeprescht. In beiden Fällen galt die Schützenhilfe einer politischenBewegung, deren Vorläufer mit der Politik des Nationalsozialismus verbündet war.
Während es im Sommer 1998 den USA noch um die richtige Methode der UCK-Zerschlagungging, stand Deutschland als einflußreiche Schutzmacht der UCK auf der anderen Seite derFront. Damit stießen innerhalb der Nato zwei sich widersprechende Zielvorstellungenaufeinander: Sollte die Nato ein Instrument gegen oder ein Hilfsmittel für die UCK sein?Sollte sie es sich zur Aufgabe machen, die territoriale Ordnung auf dem Balkan aufrechtzu erhalten? Oder sollte sie sich mit denen solidarisieren, die Serbien verkleinern unddie Grenzen dieser Region zu verändern suchten? Zwischen dem 28. Mai und dem 11. Juni1998 traf die Nato jene richtungsweisende Entscheidung, die die gegenwärtigenEskalationen im Kosovo, in Mazedonien und im südlichen Serbien notwendig nach sich zog.Der deutsche Verteidigungsminister setzte sich in der Nato-internen Auseinandersetzungdurch und hatte, so die spätere „Laudatio“ der FAZ, „Deutschlands Bündnisfähigkeit und,dagegen ist nichts einzuwenden, seinen Führungswillen bewiesen.“
Erlauben Siemir wenigstens einen Satz zur Rolle der USA, deren Verantwortung für die mörderischeKriegsführung ich mit meiner Analyse in keiner Weise verkleinern will.
Niemals wardas Kosovo für Washington von strategischer Priorität, wohl aber die Nato und deramerikanische Einfluss in Europa mithilfe der Nato. In mehrfacher Hinsicht aber war dasKosovo seit dem Sommer 1998 mit dem weiteren Schicksal der Nato verquickt. Zutreffend hatder stellvertretende US-Außenminister der Clinton-Administration, Strobe Talbott, ineiner Rede über die Veränderungen auf dem Balkan und in der Nato Deutschland „als (das)Epizentrum dieser Prozesse – Erweiterung und Expansion, Ausdehnung und Vertiefung“bezeichnet. Und auch Henry Kissinger hatte Recht, als er davon sprach, dass die USA „inden Kosovo-Konflikt hineingeschliddert“ seien, „ohne alle damit verbundenen Implikationenadäquat zu berücksichtigen.“ Die deutsche Politik aber ist in diesen Krieg nichthineingeschliddert und erst recht nicht von den USA hineingezogen worden sondern hat ihnmaßgeblich angebahnt. Die frühere und jetzige Bundesregierung hat in dem seit langembestehenden Konflikt zwischen Serben und Kosovo-Albanern vollständig einseitig Parteiergriffen und diesen Konflikt aus machtpolitischem Interesse gezielt angeheizt. DiesePolitik wird heute in einer modifizierten Form fortgesetzt. Denn zwischen FischersSpeerspitze vor vier Wochen und der deutschen Speerspitze vor gut vier Jahren besteht einZusammenhang. Es ist zu befürchten, dass Berlin die sogenannte „albanische Frage“ solange für offen erklärt, bis das erklärte UCK-Ziel: die Unabhängigkeit des Kosovo alsVoraussetzung eines Anschlusses an Albanien erreicht ist. Bis heute trifft darüberhinausleider zu, was der norwegische Publizist Johan Galtung über eine Ursache der deutschenAnerkennungspolitik von 1991 einst formulierte: „Ich sage, dass Deutschland hier einVerbrechen begangen hat.“ Und doch sei nicht die Regierung das Hauptproblem. Weitausbedrückender sei, „dass man das nicht diskutiert hat. Das Schlimmste hat eigentlich mitder Öffentlichkeit in Deutschland zu tun.“
aus: matthias küntzel, "welcheschuld hat deutschland am jugoslawienkrieg", gehalten am 26.04.2001 in braunschweig.sonst ist küntzel eher nicht so persönlich mein fall aber der vortrag war ganz gut.