Das Gesetz gegen Diskriminierungen wirkt :(
14.11.2006 um 12:39Das Gesetz gegen Diskriminierungen wirkt - doch ganz anders als gedacht. Unternehmenklagen über Abzocker, die sich das Regelwerk zunutze machen. Für schutzbedürftigeMinderheiten dagegen haben sich die Bedingungen nicht verbessert.
DerStellenmarkt einer Tageszeitung ist eine nützliche Sache für jemanden, der Geld verdienenwill. Für Michael H. aus Düsseldorf zum Beispiel. Er hält Ausschau nach Jobangeboten, fürdie er unter Garantie nicht in Frage kommt.
Als ein Dortmunder Unternehmeneine "engagierte Sekretärin" suchte, fühlte sich H. gleich angesprochen. Er schickteseine Bewerbung ab; das Unternehmen antwortete erwartungsgemäß mit einer Absage. PerEinschreiben mit Rückschein gab H. am 24. Oktober den zweiten Brief zur Post. DieStellenbeschreibung, so belehrte er das Unternehmen, sei exklusiv an Frauen gerichtetworden, ein glatter Rechtsbruch. Er fühle sich als Mann diskriminiert. Nun steht eineEntschädigungsklage im Raum; es geht um drei Monatsgehälter.
Auch Jörg Hennigaus Berlin ist in ein neues lukratives Geschäftsfeld vorgestoßen. Als Fachanwalt fürArbeitsrecht bietet er Spezialseminare für Personalchefs an. Zum Preis von 427,50 Eurozuzüglich Mehrwertsteuer gibt es Kaffee, Kuchen und Tipps, worauf Arbeitgeber beim Umgangetwa mit Frauen und Behinderten jetzt zu achten haben. "Die Nachfrage ist sprunghaftangestiegen", freut er sich.
Und schließlich ist da noch dasBundesfinanzministerium in Berlin. Vor einigen Tagen stolperten die Beamten über einenParagrafen, von dem es bislang hieß, er brauche die Finanzbehörde nur am Rande zuinteressieren. Nun aber fürchten die Experten, dass sich in dem Paragrafen ein veritablesSchlupfloch zur Steuervermeidung verbergen könnte. Der Staatskasse drohten Ausfälle inMillionenhöhe.
Pseudo-Bewerber zocken um Schmerzensgeld, Personalchefs wappnensich gegen Frauen, Behinderte und Schwule, das Finanzministerium wittert einen neuenSteuertrick - ein junges Gesetz der Großen Koalition ist zu früher Blüte gereift. Geradeeinmal drei Monate ist es her, dass Union und SPD ein besonders bizarres Beispieleuropäischer Regulierungswut großzügig in den deutschen Rechtsalltag überführten. Es gehtum das Gesetz zum Schutz von Minderheiten in Deutschland: das "AllgemeineGleichbehandlungsgesetz", kurz AGG. Der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsingnennt es "Gesetzgebung auf Ikea-Niveau".
Wer damals vermutete, dasParagrafenwerk werde vor allem Prozesshansel auf den Plan rufen, die Bürokratie aufblähenund das bis dahin leidlich funktionierende Miteinander an den meisten Arbeitsplätzendurch ein Klima des Misstrauens ersetzen, darf sich mehr als bestätigt fühlen. Es istnoch schlimmer gekommen.
In den Jubelbilanzen, die die verantwortlichenPolitiker derzeit zum ersten Geburtstag der Großen Koalition vorbereiten, dürfte dasThema deshalb keine allzu große Rolle spielen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt sichMühe, das Wort "Gleichbehandlungsgesetz" nicht in den Mund zu nehmen. ImBundestagswahlkampf hatte sie selbst noch von "Jobkiller" und "einem bürokratischenMonstrum" gesprochen. Zwischen Union und SPD wogte um das Gutmenschengesetz einmonatelanger Streit.
Tatsächlich hatte man ja gedacht, die Gleichstellung seihierzulande längst umfänglich geregelt. Artikel 3 des Grundgesetzes schreibt vor, dassniemand "wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischenAnschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" darf. Allein zum Schutz von Behindertenfinden sich 86 gesetzliche Vorschriften.
Umso erstaunlicher war, mit wie vielHingabe und Liebe zum Detail sich die Große Koalition des Gleichbehandlungsgesetzesannahm. Bedenken des Ersten Parlamentarischen Unionsgeschäftsführers Norbert Röttgen("Die massivsten Angriffe auf die Vertragsfreiheit, die es in der Bundesrepublik jegegeben hat") waren wie weggeblasen. Anstatt die in Brüssel erdachten Richtlinien "einszu eins" umzusetzen, wie es im Koalitionsvertrag von Union und SPD hieß, peppte man dieEU-Vorgaben nach besten Kräften auf.
Und so haben deutsche Behörden und Betriebejetzt alle Hände voll zu tun, Antidiskriminierungsbeauftragte zu ernennen, die gesetzlichvorgeschriebenen Kummerkästen aufzuhängen und sämtlichen Mitarbeitern noch einmal ganzgenau zu erklären, dass Herrenwitze und Pirelli-Kalender im Büro verboten sind.
Juristen durchforsten Firmenbroschüren und Stellenausschreibungen nach neuerdingsillegalen Formulierungen wie "junges Team" (Diskriminierung von Älteren) oder "Bewerbungbitte mit Lichtbild" (Diskriminierung wegen Rasse oder Herkunft).
Kann einGesetz Diskriminierung unterbinden?
DerStellenmarkt einer Tageszeitung ist eine nützliche Sache für jemanden, der Geld verdienenwill. Für Michael H. aus Düsseldorf zum Beispiel. Er hält Ausschau nach Jobangeboten, fürdie er unter Garantie nicht in Frage kommt.
Als ein Dortmunder Unternehmeneine "engagierte Sekretärin" suchte, fühlte sich H. gleich angesprochen. Er schickteseine Bewerbung ab; das Unternehmen antwortete erwartungsgemäß mit einer Absage. PerEinschreiben mit Rückschein gab H. am 24. Oktober den zweiten Brief zur Post. DieStellenbeschreibung, so belehrte er das Unternehmen, sei exklusiv an Frauen gerichtetworden, ein glatter Rechtsbruch. Er fühle sich als Mann diskriminiert. Nun steht eineEntschädigungsklage im Raum; es geht um drei Monatsgehälter.
Auch Jörg Hennigaus Berlin ist in ein neues lukratives Geschäftsfeld vorgestoßen. Als Fachanwalt fürArbeitsrecht bietet er Spezialseminare für Personalchefs an. Zum Preis von 427,50 Eurozuzüglich Mehrwertsteuer gibt es Kaffee, Kuchen und Tipps, worauf Arbeitgeber beim Umgangetwa mit Frauen und Behinderten jetzt zu achten haben. "Die Nachfrage ist sprunghaftangestiegen", freut er sich.
Und schließlich ist da noch dasBundesfinanzministerium in Berlin. Vor einigen Tagen stolperten die Beamten über einenParagrafen, von dem es bislang hieß, er brauche die Finanzbehörde nur am Rande zuinteressieren. Nun aber fürchten die Experten, dass sich in dem Paragrafen ein veritablesSchlupfloch zur Steuervermeidung verbergen könnte. Der Staatskasse drohten Ausfälle inMillionenhöhe.
Pseudo-Bewerber zocken um Schmerzensgeld, Personalchefs wappnensich gegen Frauen, Behinderte und Schwule, das Finanzministerium wittert einen neuenSteuertrick - ein junges Gesetz der Großen Koalition ist zu früher Blüte gereift. Geradeeinmal drei Monate ist es her, dass Union und SPD ein besonders bizarres Beispieleuropäischer Regulierungswut großzügig in den deutschen Rechtsalltag überführten. Es gehtum das Gesetz zum Schutz von Minderheiten in Deutschland: das "AllgemeineGleichbehandlungsgesetz", kurz AGG. Der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsingnennt es "Gesetzgebung auf Ikea-Niveau".
Wer damals vermutete, dasParagrafenwerk werde vor allem Prozesshansel auf den Plan rufen, die Bürokratie aufblähenund das bis dahin leidlich funktionierende Miteinander an den meisten Arbeitsplätzendurch ein Klima des Misstrauens ersetzen, darf sich mehr als bestätigt fühlen. Es istnoch schlimmer gekommen.
In den Jubelbilanzen, die die verantwortlichenPolitiker derzeit zum ersten Geburtstag der Großen Koalition vorbereiten, dürfte dasThema deshalb keine allzu große Rolle spielen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt sichMühe, das Wort "Gleichbehandlungsgesetz" nicht in den Mund zu nehmen. ImBundestagswahlkampf hatte sie selbst noch von "Jobkiller" und "einem bürokratischenMonstrum" gesprochen. Zwischen Union und SPD wogte um das Gutmenschengesetz einmonatelanger Streit.
Tatsächlich hatte man ja gedacht, die Gleichstellung seihierzulande längst umfänglich geregelt. Artikel 3 des Grundgesetzes schreibt vor, dassniemand "wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischenAnschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" darf. Allein zum Schutz von Behindertenfinden sich 86 gesetzliche Vorschriften.
Umso erstaunlicher war, mit wie vielHingabe und Liebe zum Detail sich die Große Koalition des Gleichbehandlungsgesetzesannahm. Bedenken des Ersten Parlamentarischen Unionsgeschäftsführers Norbert Röttgen("Die massivsten Angriffe auf die Vertragsfreiheit, die es in der Bundesrepublik jegegeben hat") waren wie weggeblasen. Anstatt die in Brüssel erdachten Richtlinien "einszu eins" umzusetzen, wie es im Koalitionsvertrag von Union und SPD hieß, peppte man dieEU-Vorgaben nach besten Kräften auf.
Und so haben deutsche Behörden und Betriebejetzt alle Hände voll zu tun, Antidiskriminierungsbeauftragte zu ernennen, die gesetzlichvorgeschriebenen Kummerkästen aufzuhängen und sämtlichen Mitarbeitern noch einmal ganzgenau zu erklären, dass Herrenwitze und Pirelli-Kalender im Büro verboten sind.
Juristen durchforsten Firmenbroschüren und Stellenausschreibungen nach neuerdingsillegalen Formulierungen wie "junges Team" (Diskriminierung von Älteren) oder "Bewerbungbitte mit Lichtbild" (Diskriminierung wegen Rasse oder Herkunft).
Kann einGesetz Diskriminierung unterbinden?