Irak, 650 000 Tote
03.04.2007 um 17:26--------------Die Zählung irakischer Kriegsopfer
In Kriegszeiten ist esfast
immer schwierig, genaue Zahlen über zivile Kriegsopfer zu bekommen. Abgesehen vonein
paar Ausnahmen haben sich Demographen und Epidemiologen nicht mit der Erarbeitungexakter
und glaubwürdiger Schätzungen der Mortalität und Morbidität in derZivilbevölkerung
beschäftigt. Manchmal ist ein Mangel an beruflicher Freiheit dafürverantwortlich, dass
gerade diejenigen, die mit den Daten am besten vertraut sind, ihrWissen nicht für eine
Sache einsetzen, deren Zweck politisch gefährlich sein könnte –wie beispielsweise
Experten, deren Existenz von einer in den Konflikt verwickeltenRegierung abhängig ist.
Es gibt aber auch noch andere Probleme. Die Trennungzwischen den unmittelbaren
Auswirkungen eines Konflikts und anderen Interventionen(wie beispielsweise
Wirtschaftssanktionen) ist manchmal unmöglich. Auch qualitativhochwertige
Bevölkerungsdaten sind nicht immer verfügbar. Dies aufgrund ihres„sensiblen Charakters”
oder weil man sie einfach nie erfasst hat (wie dies in manchenEntwicklungsländern der
Fall ist) oder weil derartige Daten durch später einsetzendeFlüchtlingsströme obsolet
wurden. Aus diesem Grund ist der Unsicherheitsfaktor solcherSchätzungen oft viel zu
hoch, wodurch sich auch ihr praktischer Wert als geringerweist.
Man denke
beispielsweise an die verschiedenen Versuche, dieOpferzahlen des Krieges im Irak zu
untersuchen. Beim Projekt „Iraq Body Count” werdennur Opfer gezählt, die durch
Gewaltakte im gegenwärtigen Krieg umgekommen sind. DieZählung erfolgt auf Grundlage von
Medienberichten. Wenn es keine Doppelzählungen gabund die Angaben in den Berichten
korrekt waren, dann entspricht das Ergebnis dieserZählung einer Mindestopferzahl, denn
Medienberichte sind nicht immer allumfassend.
Mit einer anderen Methode wird die
durch den Krieg verursachte Gesamtänderungder Sterberate geschätzt (inkludiert werden
Todesfälle aufgrund der direkten undindirekten Auswirkungen des Krieges), indem man sie
mit den Sterberaten derVorkriegszeit vergleicht. Dazu werden Daten benötigt, aufgrund
derer man den Anstiegder Sterberate berechnen kann. Erhoben werden diese Daten
üblicherweise durchBefragungen in zufällig ausgewählten Haushalten. Dabei wird der
Haushaltsvorstandgebeten, Angaben über die Anzahl der vor dem Krieg im Haushalt lebenden
Personen undderen demographische Daten zu machen, darüber, ob Personen, die vor dem
Krieg imHaushalt lebten, zwischen Vorkriegszeit und dem Zeitpunkt der Befragung
gestorben sindund wann genau sie zu Tode kamen.
Werden diese
Haushaltsbefragungenordnungsgemäß durchgeführt, kann die Zahl der kriegsbedingten
zusätzlichen Todesfälleinnerhalb einer gewissen statistischen Unsicherheit beziffert
werden. Werden dieHaushaltsbefragungen allerdings in Kriegszeiten durchgeführt, nehmen
die Risikenüberhand. Zur Gefahr für den Befrager selbst, während eines Konflikts, diese
Daten zuerheben, kommen noch die Risiken einer Selektionsverzerrung durch die Auswahl
derbefragten Haushalte, der Mangel an glaubwürdigen Bevölkerungsdaten, für diegeänderte
Sterblichkeitsraten gelten sowie falsche oder missverständliche Angaben derBefragten.
Diese Methode wurde zweimal von einem vornehmlich mit Forschernder Johns
Hopkins University besetzten Team angewandt, das seine Ergebnisse imMedizin-Fachjournal
The Lancet publizierte. Die Zahlen der Wissenschaftler wurdeneinerseits gewürdigt,
ernteten andererseits aber auch Kritik, weil die Forscher ihreeigenen Zahlen falsch
interpretierten.
So schrieben sie beispielsweise ineiner Zusammenfassung der im
Jahr 2004 durchgeführten Studie: „Aufgrund konservativerSchätzungen, glauben wir, dass
es seit der Invasion des Irak im Jahr 2003 100.000 odermehr zusätzliche Todesfälle
gegeben hat.“ Die erste Studie ergab allerdings eine sehrungenaue Schätzungen der
Todesfälle, was die Autoren jedoch verschwiegen.Richtigerweise hätten sie schreiben
müssen: „Wir können mit 95 %iger Sicherheit sagen,dass es innerhalb dieses Zeitraums
zwischen 8.000 und 194.000 zusätzliche irakischeTodesopfer gegeben hat.“
Im
Jahr 2006 wiederholte das Forscherteam die Studieim Wesentlichen. Diesmal wurde
allerdings eine größere Anzahl von Haushalten in dieStudie einbezogen. Wieder ließen die
Forscher Befragungen durchführen, die einertypischen Befragung zufällig ausgewählter
Haushalte glich. Am Ende des Artikels imLancet werden von den Autoren richtigerweise
jene Dinge angesprochen, die dazu geführthaben könnten, dass die ausgewählten Haushalte
tatsächlich nicht dem Kriterium der„Zufälligkeit“ entsprachen.
Auch bei diesem
zweiten Anlauf haperte es bei derInterpretation. Um den Anstieg der Mortalität zu
erklären, bedienten sich die Autorender „rohen Sterberate“ (CDR), welche die Anzahl der
Todesfälle je 1.000 Einwohnerangibt. Demographen bedienen sich allerdings selten der
CDR, sondern nutzen eheralters- und geschlechtsspezifische Sterberaten, die gemeinhin
unter dem Begriff„Lebenserwartung“ zusammengefasst werden. Gleichwohl berichtetedas
Wissenschafterteam, dass die CDR von 5,5 im Jahr 2002 auf 13,3 im Zeitraum nachder
Invasion (März 2003 bis März 2006) angestiegen sei.
Um die Zahlen aus derZeit
vor der Invasion ins rechte Licht zu rücken, betrachte man die Zahlender
UNO-Bevölkerungsabteilung, denen allgemein hohe Qualität bescheinigt wird. DieUNO
schätzt die CDR im Irak vor der Invasion auf 10 und nicht auf 5, wie in denbeiden
Studien angegeben. Im internationalen Vergleich gibt die UNO für den Iranzwischen 2002
und 2005 eine CDR von 5,3 pro tausend Einwohner an. Vor dem Krieg, sosind sich meisten
Beobachter einig, war die Situation im Irak um einiges schlimmer alsim Iran.
Die in den beiden Lancet -Studien veröffentlichten CDR-Werte derVorkriegszeit
scheinen also zu niedrig zu sein. Sie sind vielleicht nicht falsch, aberdie Autoren
sollten eine glaubwürdige Erklärung abgeben, warum ihre CDR-Werte derVorkriegszeit nur
ungefähr halb so hoch sind wie die der UNO-Bevölkerungsabteilung.Wenn die
Sterblichkeitsrate vor dem Krieg zu niedrig angesetzt war und/oder dieBevölkerungszahlen
zu hoch geschätzt waren – weil man beispielsweise Flüchtlingsströmeaus dem Irak nicht
berücksichtigte – wären auch die daraus resultierenden Schätzungender „zusätzlichen
Todesfälle“ überhöht.
Auf grundlegenderer Ebene stellt sichdie Frage, welchem
Zweck diese Zahlen dienen. Natürlich spielen Zahlen eine Rolle beider Evaluierung von
Kosten und Nutzen eines Krieges (so es überhaupt einen Nutzengibt). Leisten diese Zahlen
in Wirklichkeit aber irgendeinen Beitrag zur Debatte?Gehen daraus wirklich mehr
Informationen hervor als aus den Zahlen des Iraq BodyCount? Verfügen wir über den
dazugehörigen Kontext, der nötig ist, um die Zahlenrichtig zu interpretieren? Der Krieg
im Irak ist extrem blutig. Das ist alles, was unsdie Statistik im Moment mit Sicherheit
sagen kann.
Ich habe am Anfang vondiesem Thread ein bisschen übertrieben. Die
Zählung die in dieser Studie betriebenwurde, ist nicht ganz korrekt.
Doch wie in
diesem Artikel geschildert, gibt eskeine genau Zahlen und darum ist es schwierig, eine
Debatte darüber zu führen.
Was wir mit Sicherheit wissen ist, dass dieser Krieg
falsch ist.
Mehr kann ichjetzt nicht dazu sagen.
--------------------------------------------------------------------------------
@ Michelgame
wer hat schon lust das alles zu lesen?? :sleep:
das wird doch voll langweilig
dann kann man sich ja kaumkonzentrieren!
schreiben sie das doch mal in eigene worte ! :)
wenn sie dasüberhaupt kapiert
haben :D
In Kriegszeiten ist esfast
immer schwierig, genaue Zahlen über zivile Kriegsopfer zu bekommen. Abgesehen vonein
paar Ausnahmen haben sich Demographen und Epidemiologen nicht mit der Erarbeitungexakter
und glaubwürdiger Schätzungen der Mortalität und Morbidität in derZivilbevölkerung
beschäftigt. Manchmal ist ein Mangel an beruflicher Freiheit dafürverantwortlich, dass
gerade diejenigen, die mit den Daten am besten vertraut sind, ihrWissen nicht für eine
Sache einsetzen, deren Zweck politisch gefährlich sein könnte –wie beispielsweise
Experten, deren Existenz von einer in den Konflikt verwickeltenRegierung abhängig ist.
Es gibt aber auch noch andere Probleme. Die Trennungzwischen den unmittelbaren
Auswirkungen eines Konflikts und anderen Interventionen(wie beispielsweise
Wirtschaftssanktionen) ist manchmal unmöglich. Auch qualitativhochwertige
Bevölkerungsdaten sind nicht immer verfügbar. Dies aufgrund ihres„sensiblen Charakters”
oder weil man sie einfach nie erfasst hat (wie dies in manchenEntwicklungsländern der
Fall ist) oder weil derartige Daten durch später einsetzendeFlüchtlingsströme obsolet
wurden. Aus diesem Grund ist der Unsicherheitsfaktor solcherSchätzungen oft viel zu
hoch, wodurch sich auch ihr praktischer Wert als geringerweist.
Man denke
beispielsweise an die verschiedenen Versuche, dieOpferzahlen des Krieges im Irak zu
untersuchen. Beim Projekt „Iraq Body Count” werdennur Opfer gezählt, die durch
Gewaltakte im gegenwärtigen Krieg umgekommen sind. DieZählung erfolgt auf Grundlage von
Medienberichten. Wenn es keine Doppelzählungen gabund die Angaben in den Berichten
korrekt waren, dann entspricht das Ergebnis dieserZählung einer Mindestopferzahl, denn
Medienberichte sind nicht immer allumfassend.
Mit einer anderen Methode wird die
durch den Krieg verursachte Gesamtänderungder Sterberate geschätzt (inkludiert werden
Todesfälle aufgrund der direkten undindirekten Auswirkungen des Krieges), indem man sie
mit den Sterberaten derVorkriegszeit vergleicht. Dazu werden Daten benötigt, aufgrund
derer man den Anstiegder Sterberate berechnen kann. Erhoben werden diese Daten
üblicherweise durchBefragungen in zufällig ausgewählten Haushalten. Dabei wird der
Haushaltsvorstandgebeten, Angaben über die Anzahl der vor dem Krieg im Haushalt lebenden
Personen undderen demographische Daten zu machen, darüber, ob Personen, die vor dem
Krieg imHaushalt lebten, zwischen Vorkriegszeit und dem Zeitpunkt der Befragung
gestorben sindund wann genau sie zu Tode kamen.
Werden diese
Haushaltsbefragungenordnungsgemäß durchgeführt, kann die Zahl der kriegsbedingten
zusätzlichen Todesfälleinnerhalb einer gewissen statistischen Unsicherheit beziffert
werden. Werden dieHaushaltsbefragungen allerdings in Kriegszeiten durchgeführt, nehmen
die Risikenüberhand. Zur Gefahr für den Befrager selbst, während eines Konflikts, diese
Daten zuerheben, kommen noch die Risiken einer Selektionsverzerrung durch die Auswahl
derbefragten Haushalte, der Mangel an glaubwürdigen Bevölkerungsdaten, für diegeänderte
Sterblichkeitsraten gelten sowie falsche oder missverständliche Angaben derBefragten.
Diese Methode wurde zweimal von einem vornehmlich mit Forschernder Johns
Hopkins University besetzten Team angewandt, das seine Ergebnisse imMedizin-Fachjournal
The Lancet publizierte. Die Zahlen der Wissenschaftler wurdeneinerseits gewürdigt,
ernteten andererseits aber auch Kritik, weil die Forscher ihreeigenen Zahlen falsch
interpretierten.
So schrieben sie beispielsweise ineiner Zusammenfassung der im
Jahr 2004 durchgeführten Studie: „Aufgrund konservativerSchätzungen, glauben wir, dass
es seit der Invasion des Irak im Jahr 2003 100.000 odermehr zusätzliche Todesfälle
gegeben hat.“ Die erste Studie ergab allerdings eine sehrungenaue Schätzungen der
Todesfälle, was die Autoren jedoch verschwiegen.Richtigerweise hätten sie schreiben
müssen: „Wir können mit 95 %iger Sicherheit sagen,dass es innerhalb dieses Zeitraums
zwischen 8.000 und 194.000 zusätzliche irakischeTodesopfer gegeben hat.“
Im
Jahr 2006 wiederholte das Forscherteam die Studieim Wesentlichen. Diesmal wurde
allerdings eine größere Anzahl von Haushalten in dieStudie einbezogen. Wieder ließen die
Forscher Befragungen durchführen, die einertypischen Befragung zufällig ausgewählter
Haushalte glich. Am Ende des Artikels imLancet werden von den Autoren richtigerweise
jene Dinge angesprochen, die dazu geführthaben könnten, dass die ausgewählten Haushalte
tatsächlich nicht dem Kriterium der„Zufälligkeit“ entsprachen.
Auch bei diesem
zweiten Anlauf haperte es bei derInterpretation. Um den Anstieg der Mortalität zu
erklären, bedienten sich die Autorender „rohen Sterberate“ (CDR), welche die Anzahl der
Todesfälle je 1.000 Einwohnerangibt. Demographen bedienen sich allerdings selten der
CDR, sondern nutzen eheralters- und geschlechtsspezifische Sterberaten, die gemeinhin
unter dem Begriff„Lebenserwartung“ zusammengefasst werden. Gleichwohl berichtetedas
Wissenschafterteam, dass die CDR von 5,5 im Jahr 2002 auf 13,3 im Zeitraum nachder
Invasion (März 2003 bis März 2006) angestiegen sei.
Um die Zahlen aus derZeit
vor der Invasion ins rechte Licht zu rücken, betrachte man die Zahlender
UNO-Bevölkerungsabteilung, denen allgemein hohe Qualität bescheinigt wird. DieUNO
schätzt die CDR im Irak vor der Invasion auf 10 und nicht auf 5, wie in denbeiden
Studien angegeben. Im internationalen Vergleich gibt die UNO für den Iranzwischen 2002
und 2005 eine CDR von 5,3 pro tausend Einwohner an. Vor dem Krieg, sosind sich meisten
Beobachter einig, war die Situation im Irak um einiges schlimmer alsim Iran.
Die in den beiden Lancet -Studien veröffentlichten CDR-Werte derVorkriegszeit
scheinen also zu niedrig zu sein. Sie sind vielleicht nicht falsch, aberdie Autoren
sollten eine glaubwürdige Erklärung abgeben, warum ihre CDR-Werte derVorkriegszeit nur
ungefähr halb so hoch sind wie die der UNO-Bevölkerungsabteilung.Wenn die
Sterblichkeitsrate vor dem Krieg zu niedrig angesetzt war und/oder dieBevölkerungszahlen
zu hoch geschätzt waren – weil man beispielsweise Flüchtlingsströmeaus dem Irak nicht
berücksichtigte – wären auch die daraus resultierenden Schätzungender „zusätzlichen
Todesfälle“ überhöht.
Auf grundlegenderer Ebene stellt sichdie Frage, welchem
Zweck diese Zahlen dienen. Natürlich spielen Zahlen eine Rolle beider Evaluierung von
Kosten und Nutzen eines Krieges (so es überhaupt einen Nutzengibt). Leisten diese Zahlen
in Wirklichkeit aber irgendeinen Beitrag zur Debatte?Gehen daraus wirklich mehr
Informationen hervor als aus den Zahlen des Iraq BodyCount? Verfügen wir über den
dazugehörigen Kontext, der nötig ist, um die Zahlenrichtig zu interpretieren? Der Krieg
im Irak ist extrem blutig. Das ist alles, was unsdie Statistik im Moment mit Sicherheit
sagen kann.
Ich habe am Anfang vondiesem Thread ein bisschen übertrieben. Die
Zählung die in dieser Studie betriebenwurde, ist nicht ganz korrekt.
Doch wie in
diesem Artikel geschildert, gibt eskeine genau Zahlen und darum ist es schwierig, eine
Debatte darüber zu führen.
Was wir mit Sicherheit wissen ist, dass dieser Krieg
falsch ist.
Mehr kann ichjetzt nicht dazu sagen.
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@ Michelgame
wer hat schon lust das alles zu lesen?? :sleep:
das wird doch voll langweilig
dann kann man sich ja kaumkonzentrieren!
schreiben sie das doch mal in eigene worte ! :)
wenn sie dasüberhaupt kapiert
haben :D