Globalisierung oder Kolonialisierung?
04.10.2006 um 00:05Sorry, copy und paste eines Europaparlamentsabgeordneten, der zumindest inden
Medien eine Krise herbeigeführt hat, weil Politiker der EU mit Vertretern derHamas
gesprochen haben...
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Palästina, drei Tage ohneHoffnung
von André Brie
Treffen mit dem neuen Sprecherdes
Palästinensischen Legislativrates in Ramallah. Es ist ein etwas heikles Treffen,denn die
EU lehnt jeden Kontakt mit der Hamas und ihren Politikern ab. Daran ändertauch nichts,
daß offiziell nicht die Hamas, sondern die von ihr gebildete Change andReform List zur
Wahl angetreten war. In Deutschland, auch in meiner eigenen Partei,wird sich zwar
erfahrungsgemäß niemand für meine Reise und meine Einschätzungeninteressieren; aber ich
habe oft genug erlebt, daß solche Einzelheiten bei Bedarf dochgern genutzt werden, von
den einen, um aus der Solidarität mit einem geschundenen Volkeine antiisraelische oder
gar antisemitische Haltung zu konstruieren, von deninnerparteilichen Rechthabern, um
ihre persönlichen Feindschaften zu pflegen. Aber wirsind uns einig, daß wir dieses
Gespräch wollen und daß das Ergebnis derpalästinensischen Wahlen respektiert werden muß.
Aziz Duaek, der neue Sprecher desPalästinenserparlaments, ist ein orthodoxer Muslim,
aber elegant und europäischgekleidet. Er spricht englisch. Das Signal seines
Mobiltelefons ist ein religiöserGesang. Da er nicht bereit ist, Luisa, unserer
Delegationsleiterin, die Hand zureichen, verzichten auch wir Männer auf diese Geste.
Nachdem er uns willkommen heißtund unsere konsequente Haltung gegen die Okkupation
würdigt, liest er einevorbereitete Rede ab, die sich wenig von dem unterscheidet, was
wir vomPalästinenserpräsidenten Abu Mazen gehört haben. Israel habe die Politik gegen
diePalästinenser in den vergangen Tagen noch mehr verschärft. Auch die USA oder derHohe
Repräsentant der EU Solana, obwohl sie sonst viel von Demokratie redeten,bestraften das
palästinensische Volk für seine demokratische Wahlentscheidung. Vielenpalästinensischen
Parlamentariern seien Reisen im Land und ins Ausland verbotenworden. Die Palästinenser
seien gut gebildete Menschen, sie hätten sich bei den Wahlenbewußt und informiert für
die Hamas entschieden. Die Road Map spreche von einemlebensfähigen palästinensischen
Staat; aber inzwischen finde man kaum noch einenQuadratkilometer zusammenhängenden
Landes dafür. Palästina sei durch die Mauern,Barrieren, Checkpoints und verbotenen
Straßen in 64 Enklaven, Bantustans, fügt erhinzu, zersplittert.
Als wir ihn
nach den Forderungen der EU aufGewaltverzicht, die Anerkennung Israels und der
internationalen Vereinbarungen fragen,meint er: »Wir sind die Opfer von Gewalt, deshalb
können wir Gewalt nicht wollen. DiePLO (in der die Hamas nicht Mitglied ist) hat Israel
anerkannt. Aber was hat das inden letzten fünfzehn Jahren gebracht? Nicht einmal unsere
elementarsten Rechte sindrespektiert worden, keine 24 Stunden Frieden hat das
palästinensische Volk seitdemgehabt. Und was die Anerkennung der Vereinbarungen
betrifft: Das ist nicht einpalästinensisches Problem. Israel anerkennt und respektiert
sie nicht. Unsere Menschenhassen weitere Zugeständnisse an Israel, solange es nicht
endlich auch Resultate fürsie gibt. Wir wollen nicht mehr als ein unabhängiges Palästina
in den Grenzen von1967.«
Das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Satz. »Da
wir diedemokratisch gewählten, legitimen Vertreter des palästinensischen Volkes sind,
könnenwir auch eine Lösung erreichen, wenn man mit uns spricht und verhandelt. Sonst
aberwird die Region noch mehr destabilisiert, wird es Radikalisierungstatt
Demokratisierung geben und Leid nicht nur bei uns, in der ganzen Welt, auch inEuropa.
Wir möchten das nicht, aber es würde die Realität sein.«
Ich weiß,daß er mit
vielem recht hat; aber die Drohung und die Ablehnung der Rolle desebenfalls gewählten
Palästinenserpräsidenten Abu Mazen und der PLO sindoffensichtlich.
Nachdem er
sein Manuskript weggelegt hat, lernen wir einenanderen, weniger kontrollierten, auch
leidenschaftlichen Aziz Duaek kennen, wohl dentatsächlichen, und bekommen zu spüren, wie
aussichtslos Hoffnungen sind: »Sagen Siemir mal: Wie lange dauerte der Holocaust gegen
die Juden? Drei Jahre, vier, sechs? DerHolocaust gegen die Palästinenser dauert bereits
sechs Jahrzehnte. Wir halten dieKonzentrationslager der Nazis für die Juden für schlimm;
aber wir haben hier 64Konzentrationslager für die Palästinenser.« Wir widersprechen
heftig der Gleichsetzungmit dem Holocaust und den KZ der Nazis. Aziz Duaek reagiert
zynisch: »Aha, okay, wirleben also unter einer freundlichen Okkupation und in
freundlichenKonzentrationslagern.« Er erzählt, daß er kürzlich auf Einladung des
Europarates nachStrasbourg fahren wollte, aber von Frankreich keine Einreisegenehmigung
erhalten habe:»Vertreter diktatorischer Staaten dürfen in die EU einreisen. Wir, die wir
inanerkannten demokratischen Wahlen gewählt wurden, dürfen es nicht.« Wo er rechthat,
hat er recht. Dennoch: Der Abschied fällt frostig aus.
*
AmCheckpoint
nach Ostjerusalem fragt eine Soldatin lachend in unseren Bus: »How areyou?« Luisa, die
vorne sitzt, gibt die richtige Antwort: »Bad, very bad. We saw thewall.« In einer
Broschüre der Menschenrechtsorganisation B'TSELEM, dem israelischenInformationszentrum
für Menschenrechte in den besetzten Gebieten, wird eine vontausenden alltäglichen
Tragödien der Palästinenser dokumentiert: »Am 26. Februar 2002mußte Samar Hamdoun zu
einer medizinischen Untersuchung. Ihr Mann, Iyad, rief einenKrankenwagen, um sie in das
Krankenhaus zu bringen. Der Krankenwagen kam zumCheckpoint ihres Dorfes Beit Furik; aber
die Soldaten ließen ihn nicht passieren.Samar und Iyad nahmen daraufhin ein Taxi, um bis
zum Krankenwagen zu fahren. Als sie150 Meter vom Kontrollpunkt entfernt waren, forderten
die Soldaten sie auf umzukehren.Aus Furcht, die Soldaten würden schießen, wenn sie
weiterführen, kehrte das Taxi umund nahm einen weiten Umweg über unbefestigte Bergwege,
um in das Krankenhaus nachNablus zu kommen. Auf dem Weg begann Samar zu bluten und
verlor das Bewußtsein. Waseine Zehn-Minuten-Fahrt gewesen wäre, wurde eine vierstündige
Fahrt. Als Samar imRafidiya-Krankenhaus ankam, war der Fötus durch eine geplatzte
Plazenta tot.«
Die Reise fand im April statt – die Redaktion.
Medien eine Krise herbeigeführt hat, weil Politiker der EU mit Vertretern derHamas
gesprochen haben...
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Palästina, drei Tage ohneHoffnung
von André Brie
Treffen mit dem neuen Sprecherdes
Palästinensischen Legislativrates in Ramallah. Es ist ein etwas heikles Treffen,denn die
EU lehnt jeden Kontakt mit der Hamas und ihren Politikern ab. Daran ändertauch nichts,
daß offiziell nicht die Hamas, sondern die von ihr gebildete Change andReform List zur
Wahl angetreten war. In Deutschland, auch in meiner eigenen Partei,wird sich zwar
erfahrungsgemäß niemand für meine Reise und meine Einschätzungeninteressieren; aber ich
habe oft genug erlebt, daß solche Einzelheiten bei Bedarf dochgern genutzt werden, von
den einen, um aus der Solidarität mit einem geschundenen Volkeine antiisraelische oder
gar antisemitische Haltung zu konstruieren, von deninnerparteilichen Rechthabern, um
ihre persönlichen Feindschaften zu pflegen. Aber wirsind uns einig, daß wir dieses
Gespräch wollen und daß das Ergebnis derpalästinensischen Wahlen respektiert werden muß.
Aziz Duaek, der neue Sprecher desPalästinenserparlaments, ist ein orthodoxer Muslim,
aber elegant und europäischgekleidet. Er spricht englisch. Das Signal seines
Mobiltelefons ist ein religiöserGesang. Da er nicht bereit ist, Luisa, unserer
Delegationsleiterin, die Hand zureichen, verzichten auch wir Männer auf diese Geste.
Nachdem er uns willkommen heißtund unsere konsequente Haltung gegen die Okkupation
würdigt, liest er einevorbereitete Rede ab, die sich wenig von dem unterscheidet, was
wir vomPalästinenserpräsidenten Abu Mazen gehört haben. Israel habe die Politik gegen
diePalästinenser in den vergangen Tagen noch mehr verschärft. Auch die USA oder derHohe
Repräsentant der EU Solana, obwohl sie sonst viel von Demokratie redeten,bestraften das
palästinensische Volk für seine demokratische Wahlentscheidung. Vielenpalästinensischen
Parlamentariern seien Reisen im Land und ins Ausland verbotenworden. Die Palästinenser
seien gut gebildete Menschen, sie hätten sich bei den Wahlenbewußt und informiert für
die Hamas entschieden. Die Road Map spreche von einemlebensfähigen palästinensischen
Staat; aber inzwischen finde man kaum noch einenQuadratkilometer zusammenhängenden
Landes dafür. Palästina sei durch die Mauern,Barrieren, Checkpoints und verbotenen
Straßen in 64 Enklaven, Bantustans, fügt erhinzu, zersplittert.
Als wir ihn
nach den Forderungen der EU aufGewaltverzicht, die Anerkennung Israels und der
internationalen Vereinbarungen fragen,meint er: »Wir sind die Opfer von Gewalt, deshalb
können wir Gewalt nicht wollen. DiePLO (in der die Hamas nicht Mitglied ist) hat Israel
anerkannt. Aber was hat das inden letzten fünfzehn Jahren gebracht? Nicht einmal unsere
elementarsten Rechte sindrespektiert worden, keine 24 Stunden Frieden hat das
palästinensische Volk seitdemgehabt. Und was die Anerkennung der Vereinbarungen
betrifft: Das ist nicht einpalästinensisches Problem. Israel anerkennt und respektiert
sie nicht. Unsere Menschenhassen weitere Zugeständnisse an Israel, solange es nicht
endlich auch Resultate fürsie gibt. Wir wollen nicht mehr als ein unabhängiges Palästina
in den Grenzen von1967.«
Das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Satz. »Da
wir diedemokratisch gewählten, legitimen Vertreter des palästinensischen Volkes sind,
könnenwir auch eine Lösung erreichen, wenn man mit uns spricht und verhandelt. Sonst
aberwird die Region noch mehr destabilisiert, wird es Radikalisierungstatt
Demokratisierung geben und Leid nicht nur bei uns, in der ganzen Welt, auch inEuropa.
Wir möchten das nicht, aber es würde die Realität sein.«
Ich weiß,daß er mit
vielem recht hat; aber die Drohung und die Ablehnung der Rolle desebenfalls gewählten
Palästinenserpräsidenten Abu Mazen und der PLO sindoffensichtlich.
Nachdem er
sein Manuskript weggelegt hat, lernen wir einenanderen, weniger kontrollierten, auch
leidenschaftlichen Aziz Duaek kennen, wohl dentatsächlichen, und bekommen zu spüren, wie
aussichtslos Hoffnungen sind: »Sagen Siemir mal: Wie lange dauerte der Holocaust gegen
die Juden? Drei Jahre, vier, sechs? DerHolocaust gegen die Palästinenser dauert bereits
sechs Jahrzehnte. Wir halten dieKonzentrationslager der Nazis für die Juden für schlimm;
aber wir haben hier 64Konzentrationslager für die Palästinenser.« Wir widersprechen
heftig der Gleichsetzungmit dem Holocaust und den KZ der Nazis. Aziz Duaek reagiert
zynisch: »Aha, okay, wirleben also unter einer freundlichen Okkupation und in
freundlichenKonzentrationslagern.« Er erzählt, daß er kürzlich auf Einladung des
Europarates nachStrasbourg fahren wollte, aber von Frankreich keine Einreisegenehmigung
erhalten habe:»Vertreter diktatorischer Staaten dürfen in die EU einreisen. Wir, die wir
inanerkannten demokratischen Wahlen gewählt wurden, dürfen es nicht.« Wo er rechthat,
hat er recht. Dennoch: Der Abschied fällt frostig aus.
*
AmCheckpoint
nach Ostjerusalem fragt eine Soldatin lachend in unseren Bus: »How areyou?« Luisa, die
vorne sitzt, gibt die richtige Antwort: »Bad, very bad. We saw thewall.« In einer
Broschüre der Menschenrechtsorganisation B'TSELEM, dem israelischenInformationszentrum
für Menschenrechte in den besetzten Gebieten, wird eine vontausenden alltäglichen
Tragödien der Palästinenser dokumentiert: »Am 26. Februar 2002mußte Samar Hamdoun zu
einer medizinischen Untersuchung. Ihr Mann, Iyad, rief einenKrankenwagen, um sie in das
Krankenhaus zu bringen. Der Krankenwagen kam zumCheckpoint ihres Dorfes Beit Furik; aber
die Soldaten ließen ihn nicht passieren.Samar und Iyad nahmen daraufhin ein Taxi, um bis
zum Krankenwagen zu fahren. Als sie150 Meter vom Kontrollpunkt entfernt waren, forderten
die Soldaten sie auf umzukehren.Aus Furcht, die Soldaten würden schießen, wenn sie
weiterführen, kehrte das Taxi umund nahm einen weiten Umweg über unbefestigte Bergwege,
um in das Krankenhaus nachNablus zu kommen. Auf dem Weg begann Samar zu bluten und
verlor das Bewußtsein. Waseine Zehn-Minuten-Fahrt gewesen wäre, wurde eine vierstündige
Fahrt. Als Samar imRafidiya-Krankenhaus ankam, war der Fötus durch eine geplatzte
Plazenta tot.«
Die Reise fand im April statt – die Redaktion.