Die Uiguren - Unterdrückt und Ermordet
08.07.2009 um 00:50
Die Uiguren und ihr Land Ostturkestan
Die Uiguren sind ein altes Turkvolk. Sie leben in Ostturkestan - dem autonomen Gebiet Xinjiang in der Volksrepublik China. Das Heimatland der Uiguren - Ostturkestan - liegt im Herzen Asiens. Im Nordwesten grenzt es an Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan, im Nordosten an die Mongolische Volksrepublik, im Süden und Südwesten an Afghanistan, Pakistan, Indien und Tibet und im Osten an China.
Das Gebiet Ostturkestans umfasst 1,8 Millionen Quadratkilometer, etwa ein Sechstel des gesamten chinesischen Gebietes einschliesslich Tibets und der Inneren Mongolei. Ostturkestan verfügt über eine grosse Menge natürlicher Ressourcen wie Uran, Platin, Gold, Silber, Eisen, Blei, Kupfer, Sulfat, Kohle, Erdgas und Erdöl.
Uiguren sind die Ureinwohner Ostturkestans. In diesem Gebiet leben heute nach Angaben des statistischen Amtes der chinesischen Volksrepublik ca. 8 Millionen Uiguren. Weitere 500.000 Uiguren leben in den zentralasiatischen Republiken von Kasachstan , Uzbekistan, Kirgizistan, Tajikistan und Turkmenistan. Fast 50.000 Uiguren leben im Vorderen Orient, in Europa und in den Vereinigten Staaten.
Ab 210 v. Chr. spielten die Uiguren eine wichtige Rolle im Hunnenreich, dem Reich der Tabgac und dem Kok-Turk Reich, die in Zentralasien entstanden.
In den Jahren 670, 688 und 692 n. Chr. verbündeten sich die Uiguren, die Kok-Turks und Schatos mit der tibetischen Armee, um die chinesischen Festungen im Norden und Nordosten Zentralasiens zu erobern.
Die Uiguren spielten durch den Aufbau unabhängiger Staaten zwischen 745 und 1944 auch eine wichtige Rolle im politischen, kulturellen und sozialen Leben in Zentralasien. Die Uiguren waren sehr fortschrittlich, da sie entlang der Seidenstrasse beheimatet waren und hier ein kommerzieller, kultureller und religiöser Austausch über Jahrhunderte hinweg ermöglicht war. Aber im Unterschied etwa zum alten Ägypten und China, zum Reich der Maya und Inka sind jedoch die Reiche der Uiguren nach wie vor eine unbekannte Welt. Alle Turkvölker berufen sich auf die Hochkultur
der Uiguren als ihrem klassischen Erbe. Zu diesem Erbe gehört auch die einzigartige friedliche Verschmelzung der Uiguren mit so unterschiedlichen religiösen Strömungen wie der des früheren Buddhismus, des persischen Zoroasterkultes, des nestorianischen Christentums und des Islams.
Wie sollen die Menschen über die Uiguren etwas wissen, wenn ihre Rätsel und Überlieferungen, ihre kulturellen Erben, die sich in China befinden, bis heute weitgehend unerforscht geblieben sind?
Selbst Ostturkestan, die Wiege uigurischer Geschichte, Kultur und Zivilisation, bleibt der Öffentlichkeit weitgehend verschlossen. Bei den antiken Uiguren gab es viele kulturelle Leistungen. Dschinghis Khan, der seine Kinder uigurisch lernen liess, hatte zu seiner Zeit zahlreiche Gelehrte, Künstler und Schriftsteller zu sich kommen lassen. Seither bildet die Uigurische Schrift die Grundlage der gebräuchlichen mongolischen Schrift.
Die wenigen Gelehrten aus dem Westen, die die uigurische Geschichte, Kultur und Zivilisation studierten, haben oft grosse Bewunderung für den kulturellen Stand der Uiguren ausgedrückt.
So schrieb z.B. Ferdinand de Sassure: "Es waren die Uiguren, die in Zentralasien die Kultur in Wort und Schrift bewahrten."
Und Albert von Lecog: "Die uigurische Sprache und Schrift bereicherte die Zivilisation anderer Völker Zentralasiens."
Wolfram Eberhard schrieb: "Im Mittelalter wurden die chinesische Dichtkunst, Literatur, Theater, Musik und Malerei wesentlich von den Uiguren beeinflusst."
Die Stärke, die Kultur und das Ansehen der Uiguren, die in Zentralasien mehr als tausend Jahre vorherrschten, erfuhren einen rapiden Niedergang nach der Okkupation Ostturkestans durch die Chinesen. Ostturkestan wurde 1876 von der chinesischen Mandschu-Dynastie besetzt. Am 18. November 1884 wurde Ostturkestan offiziell dem Mandschu-Reich eingegliedert und erhielt den Namen Xinjiang.
Im Jahre 1911 beseitigten die Nationalchinesen die Mandschu-Herrschaft und gründeten die Republik. Die Uiguren, die sich von fremder Herrschaft befreien wollten, führten zu dieser Zeit mehrere Aufstände gegen die Herrschaft der Nationalchinesen durch. Zweimal, 1933 und 1944, gelang den Uiguren die Errichtung einer unabhängigen Republik Ostturkestan.
Sie wurde jedoch beide Male Opfer militärischer Interventionen und politischer Intrigen der Sowjetunion. 1949 wurden die Nationalchinesen von den chinesischen Kommunisten besiegt, und damit stand fortan auch Ostturkestan unter ihrer Herrschaft.
Nach der Okkupation Ostturkestans haben die chinesischen Besatzer, ob feudaler, nationaler oder kommunistischer Provinienz, eine Politik der systematischen Assimilierung betrieben, die vor allem gegen die Uiguren als die zahlenmässig stärkste Volksgruppe gerichtet war.
Insbesondere sollten deren Kultur und Religion getroffen werden. Diese Politik ruht auf drei Grundprinzipien: Teilen und Herrschen, Assimilieren und Aufbau einer "grösseren chinesischen Nation".
Die ersten chinesischen Administratoren, die diese Politik in Ostturkestan in die Praxis umsetzten, waren Zho Zung Tan, Befehlshaber der chinesischen Streitkräfte in Ostturkestan zur Mandschu-Zeit und die beiden ersten Generalgouverneure: Liu Ching Tang und Yuan Da Hua.
Unter der Herrschaft dieser drei wurde Ostturkestan mit dem chinesischen Namen "Xinyiang" belegt und vollständig dem chinesischen Reich einverleibt. Unter ihrer Verwaltung wurde Ostturkestan in vier Verwaltungszonen unterteilt, während zugleich gegenüber den Uiguren, die man als "rebellisch" verdächtigte, eine Politik verfolgte, die gegen deren Würde und Selbstachtung gerichtet war.
Im Bestreben, Ostturkestan vollständig in eine chinesische Provinz zu verwandeln, wurden chinesische Siedler ins Land gebracht.
Die Uiguren wurden gezwungen, Chinesen zu heiraten, sich auf chinesische Art zu kleiden, unterwürfiges Verhalten gegenüber chinesischen Beamten zu zeigen, z.B. vor ihnen auf die Knie zu fallen. Die chinesischen Beamten hatten das Recht, die Uiguren nach Belieben zu bestrafen, einzusperren und sogar hinrichten zu lassen.
Mehr als eine Million Uiguren, die gegen die Herrschaft der Feudalchinesen gekämpft haben, sind hingerichtet worden.
Ungefähr fünfhunderttausend sind aus Furcht vor chinesischen Strafmassnahmen in Nachbarländer wie Russland, Afghanistan und Indien geflohen, und zweihunderttausend sind aus dem südlichen Landesteil zur
Strafarbeit in das Ili-Tal transportiert worden, um dort Nahrungsmittel für die in dieser Gegend zur Wahrung der
strategischen chinesischen Interessen in Zentralasien stationierten Mandschu-Truppen zu produzieren.
Im Jahr 1911 ging die feudale Herrschaft in China zu Ende und die Nationalchinesische Republik wurde gegründet. Dr. Sun Yat Sen, der Gründer der Republik, gab sogleich zu, dass in China turkstämmige Völker lebten, und dass dies e muslimischen Völker die ursprünglichen Bewohner Ostturkestans seien. Im Artikel 4 des Nationalen Entwicklungsprogrammes, das er dem ersten Kongress der Kuomintang im Jahre 1924 vorlegte, konstatierte er ein Recht dieser Völker auf Selbstbestimmung, das auch gewährt werden solle.
Nach dem Tod Sun Yat Sens gelangte Tschian Kai Schek an die Macht. Seine Clique schaffte zuerst den Artikel 4 ab und verwirklichte dann eine Politik, mit der die Uiguren gespalten und assimiliert werden sollten, um eine "grosse chinesische Nation" zu schaffen.
Die Politik der Chinesischen Kommunisten
In der vorläufigen Verfassung des kommunistischen Regimes in China, die 1931 vom ersten gesamtchinesischen Kongress der Arbeiter- und Bauernpartei verabschiedet wurde, hiess es noch: "In Regionen wie der Mongolei, Tibet und Xinjiang haben die einzelnen Nationen das Recht, sich frei zu entscheiden, ob sie sich von China lösen und eigene Staaten gründen, sich der Union anschliessen wollen oder den Status von autonomen Republiken innerhalb Chinas erlangen wollen.
Auf dem siebten Kongress im Jahre 1945 sagte Mao Tse Tong in seinem Bericht über die Koalitionsregierung, die Kommunisten hätten sich die Position Sun Yat Sens zur "Selbstbestimmung" nach ihrer Machtübernahme vollständig zu eigen gemacht. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, sein Versprechen der Selbstbestimmung vollständig zu ignorieren, nachdem er die Macht in seinen Händen hielt.
Die chinesischen Kommunisten haben den Versuch unternommen, Ostturkestan vollständig in eine chinesische Provinz zu verwandeln und die Uiguren kulturell zu sinifizieren. Gegenwärtig wird Ostturkestan offiziell als "Autonome Uigurische Region Xinjiang" bezeichnet, doch tatsächlich gibt es keinerlei uigurische Selbstverwaltung. Um Ostturkestan gänzlich in eine chinesische Provinz zu verwandeln sich Millionen von Chinesen ins Land
gebracht und dort angesiedelt worden. Vor dem Jahr 1949 lebten nur 300.000 Chinesen in Ostturkestan, heute sind es mehr als 6 Millionen. Gegenwärtig kommen jeden Tag 3000-4000 Chinesen neu ins Land.
In seiner Ausgabe vom Oktober 1992 veröffentlichte das in Hong Kong erscheinende Magazin Trend ein vom chinesischen Staatsrat genehmigtes Geheimprogramm, in dem bis zum Jahr 2000 die Ansiedlung von 5 Millionen Chinesen in Ostturkestan geplant wurde. In diesen Zahlen noch nicht enthalten sind dabei die Einheiten der
chinesichen Volksbefreiungsarmee, die sogenannten "qualifizierten" chinesischen Arbeitskräfte und die chinesischen Kriminellen, die zu Zwangsarbeit in den Straflager n in Ostturkestan verurteilt wurden.
Um die Assimilation der Uiguren voranzutreiben, fördern die chinesischen Kommunisten Mischehen mit besonderen Prämien. Wenn z.B. ein Uigure eine Chinesin heiratet, erhält das Paar 1000 Yuan.
Um das Anwachsen der uigurischen Bevölkerung zu verhindern, verfolgen die Chinesen eine Politik der zwangsweisen Geburtenkontrolle.
Laut einer Quelle aus Ostturkestan, wurden in einer Stadt mit 200.000 Einwohnern 35.000 schwangere Frauen einer offiziellen Kontrolle unterzogen. Von diesen wurden 686 zu einer Curettage gezwungen, 993 mussten ihre Schwangerschaft gewaltsam unterbrechen und 11.708 wurden gezwungen, sich sterilisieren zu lassen. Dieses System der Geburtenkontrolle hat gemäss Bericht zum Tod vieler Frauen und Kinder geführt.
Unter der Herrschaft der Chinesen ist die moderne Literatur in den Verdacht geraten, ein verfälschtes Bild der uigurischen Geschichte zu erzeugen und uigurische Kultur und Tradition zu verraten. Den Uiguren stehen nicht einmal eine moderne En zyklopädie, ein zeitgemässes uigurisches Wörterbuch oder elementare wissenschaftliche Literatur zur Verfügung.
Aus Furcht vor Verfolgung zögern die uigurischen Wissenschaftler, über etwas zu schreiben, das nicht im Interesse der Kommunistischen Partei liegen könnte. Sobald ein uigurischer Wissenschaftler etwas über uigurische Geschichte , Kultur und Zivilisation veröffentlicht, wird er beschuldigt, "Nationalismus", oder "Separatismus" zu propagieren oder "die Einheit des chinesischen Volkes und des grossen Vaterlandes" zu gefährden. Wissenschaftler werden bestraft,
ihre Werke verboten, und Verlage werden geschlossen.
Das Wirtschaftsleben in Ostturkestan begünstigt ausschliesslich die Chinesen. Trotz des natürlichen Reichtums Ostturkestans leben die Uiguren am Rande des Existenzminimums. Fast 80 Prozent der Uiguren leben unterhalb der Armutsgrenze von 45-50 Dollar Jahreseinkommen.
Andererseits setzt die chinesische Führung trotz des hartnäckigen Widerstandes der Uiguren die Atomtests auf dem Versuchsgelände in Lop Nor in Ostturkestan unverändert fort. Seit drei Jahrzehnten wird dadurch eine ökologische Katastrophe bewirkt, die Menschenleben gefährdet, Trinkwasser und Nahrung verseucht und die Tierwelt bedroht.
Seit dem 16. Oktober 1964 wurden 45 Atomversuche durchgeführt. Der letzte Versuch fand im September 1996 statt.
Es gibt keine offiziellen Zahlen über Opfer der Versuche, doch nach zuverlässigen Schätzungen sind in Ostturkestan fast 210.000 Menschen an den Folgen radioaktiver Verstrahlung gestorben.
Widerstand gegen die chinesische Politik
Durch diese von den Chinesen betriebene Politik ist Ostturkestan zu einem Pulverfass geworden. Dies spiegelt sich wider in den Berichten über antichinesische Demonstrationen und Aufstände.
Um ihr Land zu verteidigen, ihre kulturelle Identität zu retten und ihren Glauben zu bewahren, haben die Uiguren zwischen 1949 und 1968 achtundfünfzig grössere Aufstände durchgeführt. Zwischen 1959 und 1972 sind 360.000 Uiguren, die für ihre Rechte gekämpft haben, hingerichtet worden. Mehr als 200.000 sind in Nachbarländer geflohen. Seit Dezember 1985 finden in allen grösseren Städten und Regionen Ostturkestans Demonstrationen und schwere Aufstände statt.
Anstatt die angespannte Situation zu entschärfen, haben sich die chinesischen Führer zu rücksichtsloser Repression entschlossen, um die uigurischen Forderungen nach Demokratie, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung zu unterdrücken.
Die Repressionen der chinesischen Zentralregierung gegen die Uiguren werden immer brutaler. Uigurischer Widerstand wird gewaltsam zerschlagen, Oppositionelle werden Tag und Nacht überwacht, willkürlich verhaftet, ins Arbeitslager verschleppt, gefoltert oder hingerichtet. Allein seit Ende April 1996 wurden nach offiziellen Angaben mehr als 2700 Uiguren verhaftet, uigurische Exilorganisationen gehen sogar von bis zu 18.000 willkürlichen Inhaftierungen in den vergangenen vier Monaten a us.
Die Situation der Uiguren ist durchaus mit der Tibets vergleichbar. Doch während deutsche Politiker für ein Ende der schweren Menschenrechtsverletzungen in Tibet entschieden eintreten, wird das Schicksal der Uiguren kaum beachtet. Hier darf nicht mit zweierlei Mass gemessen werden, sonst wird die Position der Bundesregierung gegenüber China unglaubwürdig.
von M. Omer Kanat
Ömer Kanat ist Präsident des Weltkongresses der Uigurischen Jugend und Generalsekretär der Ostturkischen Union in Europa e.V.
Er wurde 1960 in Gulja in Ostturkestan geboren und studierte an der Universität Istanbul Sozialwissenschaften und Uigurische Geschichte. Mehrere Jahre arbeitete er als erster Redakteur im Radio Freies Europa/Radio Liberty in München