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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

8.262 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Antisemitismus, Holocaust, Völkermord ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

28.05.2006 um 23:34
"Ha wenn man den Holocaust aus den deutschen Geschichtsbüchern streicht kommtsicher,
sogar ganz sicher ein zweiter Hitler !"

Als wenn das Relevant wäre...


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

28.05.2006 um 23:36
der normale menschenverstand weiss doch, dass sowas wie der holocaust schlecht ist...dafür braucht man keine geschichtsbücher!!!
ich meine, wenn's daran liegen würde,dann dürfte es nirgendwo auf der welt noch kriege oder gewalt geben, weil das schonmalirgendwo in einem geschichtsbuch vorkommt!!!


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

29.05.2006 um 14:49
Ha wenn man den Holocaust aus den deutschen Geschichtsbüchern streicht kommt sicher,sogar ganz sicher ein zweiter Hitler !

Sorcerer, ich bitte dich... DieAussage war doch wohl nicht ernst gemeint, oder?
Als ob das relevant wäre. Selbstwenn der Holocaust nie passiert wäre, wird es sicherlich wieder dazu kommen. Geschichtewiederholt sich, schon mal was von gehört?


@garry_weber

wasdem deutschen zum thema nationalbewusstsein in den 60er, 70er, 80er und 90er verbotenworden ist zu lehren, wird jetzt wieder erlaubt!

Ja, und das ist gut so! Dasteh ich voll dahinter - solange es nicht zum Nationalismus u.Ä kommt!

dochder holocaus wird nie vergessen! es wird aber auch nicht mehr so groß der gegenstandunserer gesellschaft werden. es wird zu GESCHICHTE.

Meine Rede! Jedenfallshoffe ich das sehr!


der politiker weiß nämlich, wie er sein volk dazuanimiert!

Stichwort aktuelle Parteien. Eine davon fängt mit "C" an und hörtmit "DU" auf! :)


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

29.05.2006 um 15:02
ich finde, vergessen werde sollte das geschehene auf keinen fall.
aber solange esnoch überlebende und nachfahren von den überlebenden des holocaust gibt, werden wir immerwieder damit konfrontiert werden. ob wir nun wollen oder nicht.


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

29.05.2006 um 16:39
@lightbringer: was hat die CDU jetzt damit zu tun????

es gibt da solche einbegriff: "schuld gegenüber seiner geschichte". wenn es leute gibt, die da keine schuldhaben, dann sind sie ebend "leichtsinnig". aber ein deutscher sollte zumindest sichschuldig für seine geschichte fühlen. das selbe gilt auch für andere nationen.
mansollte jetzt vielleicht nicht daran tag für tag denken und anstatt leben, aber man solltees auch nicht vergessen und sich dafür indirekt schuldig fühlen....


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

29.05.2006 um 17:18
[...] und sich dafür indirekt schuldig fühlen

NIEMALS! Ich hab damit nixzu tun, meine Eltern haben damit nix zu tun. Wär ja noch ma schöner, wenn es Sippenschuldoder Erbschuld geben würde!

was hat die CDU jetzt damit zu tun????
CDU/CSU sind genauso Drecks-Nazis wie die NSDAP-Leute!
Guck dir Stoiber an! Guckdir die leute bei der CDU an - die sind doch froh, dass die NPD wie eine Art neuer SSdurch Deutschland wirbelt...

Es gibt sogar Spekulationen, dass die CDUNeo-Faschisten deckt!


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

30.05.2006 um 05:26
Wer war eigentlich Jude?" PDF Drucken E-Mail
Geschriebenvon Wolf Oschlies
Eine Frage an Shoa.de und der Versuch einer Antwort[1]

lisalena


Wer war eigentlich Jude? - 2005/09/24 05:51 Bei einer unsererletzten Diskussionen stellte ich die Frage:" Woher wussten die Nazis eigentlich,wer Judewar und wer nicht?" Und keiner wusste ein Antwort....
Es stand doch niemanden auf derStirn.Vielleicht gab es Mitgliedslisten einer jüdischen Gemeinde,oder wurden fast allevon ihren Nachbarn verraten und gemeldet? Gab es irgendeine "Überprüfung" oder wie kannman sich das vorstellen?
Es gab ja diese Listen bei der Wannsee-Konferenz,wo dieAnzahl der Juden in den verschiedenen Ländern aufgeführt war....woher kamen diese Zahlen?

Ich habe schon selbst versucht im Internet etwas darüber zu erfahren,aber leiderohne Erfolg.

Liebe Lisalena, Sie haben eine wichtige und berechtigte Fragegestellt, über deren Beantwortung wir, die wir uns mit der Erforschung des Holocaustbeschäftigen, intensiv nachdenken sollten. Nur, wie fangen wir es an? 1930 waren von denrund zwei Milliarden Menschen in der Welt 15,8 Millionen Juden (= 0,8%). In Deutschlandlebten vor 1935 499.682 Juden (= 0,77% der Gesamtbevölkerung). Diese und ähnliche Zahlenkennen wir aus sehr detaillierten Studien, die gerade zu Beginn der NS-Herrschaft noch inDeutschland erscheinen konnten (Mark Wischnitzer: Die Juden in der Welt – Gegenwart undGeschichte des Judentums in allen Ländern, Berlin 1935; Emanuel bin Gorion et al.(Hrsg.): Philo-Lexikon – Handbuch des jüdischen Wissens, Berlin 1935).

Wirwissen also, wie viele Juden vor dem Holocaust in der Welt und in den einzelnen Ländernlebten, haben aber noch keinen Aufschluß darüber, nach welchen Kriterien jemand als„Jude“ angesehen und gezählt wurde.

An einer eindeutigen Antwort hindert uns vorallem die oszillierende Natur des Judentums als Religion und Nation: Zum Christen wirdjemand durch die Taufe – als Jude wird man geboren! Das Judentum ist die erstemonotheistische Religion („Gottes Einheit und Einzigkeit“), deren Anhänger sich auch alsethnisch begründete Formation verstanden („Gott hat Israel zur Verkündigung seinerBotschaft berufen“), die auf Zusammenhalt Wert legte („Einheit geht über in Heiligkeit“und letztlich auf eine religiös verfasste Weltlichkeit abzielte („Ziel ist die Heiligkeitdes gesamten Lebens, die Aufhebung des vermeintlichen Unterschiedes von Weltlichem undReligiösem, die Einheit aller Lebensbezirke“).

Basis jüdischer Religiosität istdie Bibel, speziell die Tora (d.h. die fünf Bücher Mose), Richtschnur jüdischen Lebensist der Talmud, die in Jahrhunderten zusammengetragene, um 500 beendete Sammlung vonGesetzen, Werten, Überlieferungen und Ordnungen. Diese „Koexistenz“ von geheimnisvollerOffenbarung und pragmatischer Lebensweisung, alle von differierender Einheitlichkeit undverschieden aufgefasstem Verpflichtungscharakter, ist der Boden, auf welchem sich dieschier unüberblickbare Vielfalt jüdischer Gemeinden, Konzeptionen, Philosophien, Schulenetc, entwickelte, deren Pole Rationalität und Mystizismus sind (wobei diese in derGeschichte immer wieder Verschmelzungen eingingen).

Angesichts dieser schwerfassbaren Ausgangspunkte bleibt uns als erster Ansatz zur Beantwortung der Frage, werdenn nun Jude ist, wohl nur eine simple Feststellung: Jude ist, wer Jude sein will odervon anderen als Jude angesehen bzw. abgestempelt wird. Eine solche Ausgangsposition hatden Nachteil, über die grundlegende Dichotomie von Judentum als religiöse und/oderethnische Kategorie etwas leichtherzig hinwegzugehen; aber sie hat auch den Vorteil, vonvornherein die Einwirkung von Nicht-Juden auf jüdische Selbstbestimmung in die Definitioneinzubeziehen. Juden sind (oder waren) nun einmal in allen Ländern der Welt zu Hause, siewaren weltweit in ein magisches Viereck aus jüdischer Identität, Integration in einenichtjüdische Gesellschaft, Loyalität gegenüber ihrem aktuellen Heimatland und derEinstellung nichtjüdischer Mitbürger ihnen gegenüber gestellt.

Ein klassischerjüdischer Witz erhellt die Probleme, die sich aus einer so heterogenen Lage ergeben: „Ichbin stolz darauf, Jude zu sein! Wäre ich nicht stolz, bliebe ich dennoch Jude. Also binich lieber gleich stolz“. Ein schöner Witz – der aber unsere Frage dennoch nichtbeantwortet: Wer ist Jude?

Nach jüdischem Gesetz ist nur der Jude, der von einerjüdischen Mutter geboren wurde – wer nur einen jüdischen Vater hatte, war kein Jude. Andiese Unterscheidungen haben sich die deutschen Nationalsozialisten natürlich niemalsgehalten, so dass wir, wenn wir uns einmal nur auf deutsche Gegebenheiten beschränken,die Grundfrage nach „jüdischer“ Identität in drei Detailfragen aufteilen sollten:

* Wer war Jude?
* Wer war nicht Jude?
* Wer konnte zum Judenwerden?

Die erste Frage ist relativ leicht zu beantworten, wofür deutscheBürokratie binnen Jahrhunderten sorgte. Es gab im Mittelalter jüdische Wohnbezirke,Ghettos etc., deren Bewohner genau verzeichnet waren – sofern sie nicht gleich durchäußerliche Kennzeichen („Juden-Hut“) als Juden ausgewiesen waren. Es gab anti-jüdischeGesetze und Bestimmungen, die sich auf eine quantitativ genau umgrenzte Menschengruppebezogen. Es gab später jüdische Gemeinden, Vereine, Verbände, Abonnenten jüdischerZeitungen etc., was sich natürlich in entsprechenden Listen wiederfand.

Es gabTaufregister von Konvertiten, Namensregister von Juden, die von Behörden einen Namenzugewiesen bekamen – wenn sie viel Geld bezahlten, einen „schönen“ Namen, wenn sie nichtszahlen konnten, einen weniger schönen. Es gab Steuerlisten, da Juden mit Sondersteuernbelegt wurden. In den Armeen wurden die Konfessionen der Soldaten genauestensverzeichnet. Es gab Polizei-Akten, da Deutschland als „Durchgangsland“ für osteuropäischeJuden galt.

Mit anderen Worten: In Deutschland lagen ausreichend Akten undMaterialien bereit, aus denen die Zahl der Juden im Land mit hinreichender Präzision zuentnehmen war.

Schwieriger ist die zweite Frage zu beantworten, wer nicht Judewar. Sie impliziert nämlich eine dokumentarische „Bringeschuld“, aufgestellt von mehroder minder expliziten Juden-Gegnern und gerichtet an jeden, der etwas werden, etwashaben wollte, das Juden verwehrt war. Tiefstpunkt dieser Art von administrativerDiskriminierung war der sog. Ariernachweis unter dem NS-Regime:

Ariernachweis,seit 1933 (mit Wirkung des Arierparagraphen) für alle Beamten und öffentlichenBediensteten und seit 1935 (mit Wirkung der Nürnberger Gesetze) für alle Deutscheneingeführter Nachweis der "deutschen oder artverwandten Abstammung bzw. des Grades einesfremden Bluteinschlages" durch Vorlage entsprechend beglaubigter Urkunden. Häufig wurdeauch eine Ahnentafel oder ein Ahnenpass angefertigt. Verlangt wurde der Nachweis derarischen Abstammung bin in die Generation der Großeltern. Der Abstammungsnachweis warVoraussetzung für die Zugehörigkeit zu nationalsozialistischen Organisationen und für dieInanspruchnahme öffentlicher Leistungen.

Mittels akribischer Fragebögen undunter Androhung von Strafen wurde eine lückenlose Dokumentation über die eigene Familieverlangt, mehrere Generationen zurück. Hinzu kamen antijüdische Hetze und Denunziation,beide im Höchstmaß repräsentiert durch das Blatt „Der Stürmer“, herausgegeben von JuliusStreicher (1895-1946). Der Pogrom-Eifer dieses Mannes war selbst Hitler zu viel, der ihmjede politische Betätigung untersagte, ihn ansonsten aber gewähren und den „Stürmer“weiter erscheinen ließ (Rosemarie Schuder, Rudolf Hirsch: Der gelbe Fleck – Wurzeln undWirkungen des Judenhasses in der deutschen Geschichte, Berlin (Ost) 1987, S. 609 ff.).Damit gingen auch die Denunziationen, Hetzpropaganda, Berichte über „Ritualmorde“,Aufforderungen zur „Endlösung der Judenfrage“ und zur Todesstrafe für „Rassenschande“,Anklagen gegen „Judenknechte“ etc. weiter. Selbst Hitler soll sich gewundert haben, woherStreicher das Material für seine Zeitschrift hatte – es kam aus ungezählten Briefen,Hinweisen, Verleumdungen etc., die ganz „normale“ Menschen an die Redaktion schickten(Fred Hahn: Lieber Stürmer! Leserbriefe an das NS-Kampfblatt 1924-1945, Stuttgart 1978).


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

30.05.2006 um 05:26
Es braute sich also eine Atmosphäre zusammen, die den offiziellen Antisemitismus desNS-Regimes mit der latenten Judenfeindschaft breiter Kreise des deutschen Volks auf derGrundlage einer Abstammungs-Schnüffelei in Einklang brachte: Jude war nun jeder, dernicht dokumentarisch nachweisen konnte, dass er kein Jude war – was immer „Jude“ indiesem Zusammenhang bedeuten mochte und wie wenig zuverlässig die Dokumentenbasis, z.B.einhundert Jahre alte Kirchenbücher von halbanalphabetischen Schreibern, immer war.

Die Steigerung dessen war die Suche nach „jüdischen Mischlingen oder jüdischVersippten“, die später einsetzte und mit der früheren Verwendung des Begriffs „Arier“,ursprünglich ein sprachwissenschaftlicher Terminus, Schluß machte, um nun explizit undunbegrenzt antijüdisch zu werden.
Adolf Bartels (1862-1945)
Adolf Bartels(1862-1945)
Auch dieser pseudo-genetische Ansatz hatte in Deutschland Tradition, wennauch keine sehr ausgeprägte. Ihm war z.B. der Literaturhistoriker Adolf Bartels(1862-1945) verpflichtet – ein fleißiger Autor und rassistischer Wirrkopf, der seineZeitgenossen etwa mit Erkenntnissen der Art erheiterte, dass Heinrich Heine eigentlichChajim Bückeburg hieße und der populäre Heidedichte Hermann Löns ein„ein-zweiunddreißigstel Jude“ sei. Bartels’ schärfster Gegner war in jungen Jahren derspätere erste Bundespräsident Theodor Heuss, der ihn in einer Art und Aggressivitätanging, dass sich Bartels lauthals über Heuss („stößt einem kaltlächelnd den Dolch in denRücken“) beschwerte. Aber das waren Scharmützel am Rande: Heuss war ein angesehenerJournalist bei einer liberalen Zeitung – Bartels ein drittklassiger Graphomane mit einerextrem antijüdischen Obsession. Mit dieser konnte er zwar nicht einmal beim Hitler-Regimerecht „landen“, war aber doch ein Vorläufer von dessen neuer Jagd nach „jüdischenMischlingen“.

Die entsprechenden Gesetze wurden auf dem NürnbergerReichsparteitag 1935 erlassen und fortlaufend verschärft:

1. Jude ist, wervon mindestens drei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt.
2. Als Judegilt auch der von zwei volljüdischen Großeltern abstammende staatsangehörige jüdischeMischling
* a) der beim Erlaß des Gesetzes der jüdischenReligionsgemeinschaft angehört hat oder danach in sie aufgenommen wird,
*b) der beim Erlaß des Gesetzes mit einem Juden verheiratet war oder sich danach mit einemsolchen verheiratet,
* c) der aus einer Ehe mit einem Juden im Sinne desAbsatzes 1 stammt, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutze des deutschenBlutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I. S. 1146) geschlossen ist,
* d) der aus dem außerehelichen Verkehr mit einem Juden im Sinne desAbsatzes 1 stammt und nach dem 31. Juli 1936 außerehelich geboren wird.

Nominellsollte durch diese Bestimmungen Klarheit eintreten, wer Jude war; tatsächlich war dieVerwirrung komplett: Die „Abstammung“ gab den Ausschlag, das „Blut“ war das wichtigsteUnterscheidungskriterium – obwohl es medizinisch keinen Unterschied in derBlutgruppenzusammensetzung von „Deutschblütigen“ und „Juden“ gibt – und bürokratischeBerechnungen bildeten den Schluß, nach denen „Viertel-", „Dreiviertel-", „Dreichachtel-",gar „Fünfachtel-Mischlinge“ ermittelt wurden. Seit 1935 war die deutsche Nation invollwertige „Reichsbürger“ („deutschen oder artverwandten Blutes“) und minderwertige„Staatsbürger“ (Juden) geschieden, was alles permanente Konflikte mit der Wehrmachtauslöste, die ständig gesunde Rekruten benötigte und sich um die „Rassenkriterien“ nichtmit der Akribie der Partei kümmerte.

Mit anderen Worten: Die Frage, wer unterdem NS-Regime als Jude galt, ist nicht zu beantworten. Angesichts der „Schwammigkeit“ derKriterien ist sogar anzunehmen, dass sie nie beantwortet werden sollte, damit das Regimejeden als „Juden“ bezeichnen und behandeln konnte, den es wollte. Oder das Gegenteil:„Wer Jude ist, bestimme ich“, soll Göring gesagt haben, als er Feldmarschall Erhard Milch(1892-1972) auszeichnete, der nach den NS-Kriterien ein „Halbjude“ war.

Autor:Wolf Oschlies


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30.05.2006 um 05:27
Protokolle der Weisen von Zion PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Redaktion Shoa.de
Die Protokolle der Weisen von Zion sind einfiktives "Dokument", das vorgab, jüdische "Machenschaften" zur Beherrschung der ganzenWelt aufzudecken.

Es war aus einer 1864 in Brüssel erschienenen Satire vonMaurice Joly gegen Napoleon III., dem DiaIogue aux Enfers entre Montesquieu et Machiavel(Dialog zwischen Montesquieu und Machiavelli in der Hölle) übernommen worden und warzunächst in Russland weit verbreitet. Den Protokollen und ihren verschiedenenEinführungen und Kommentaren zufolge unterminierten die Juden die europäischeGesellschaft, indem sie die Franzosische Revolution, den Liberalismus, den Sozialismus,den Kommunismus und die Anarchie heraufbeschworen hätten. Gleichzeitig würden sie denGoldpreis manipulieren und eine Finanzkrise schüren, die Kontrolle über die Medienerwerben und religiöse und ethnische Vorurteile nähren. Nach der Übernahme derWeltherrschaft planten sie ein monarchistisches Regime. Bei diesen Plänen würden dieJuden von den Freimaurern unterstützt.

Die Protokolle waren ursprünglichreaktionäre Propaganda, die die Französische Revolution als freimaurerische Konspirationdarzustellen versuchte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten derartige Behauptungenauch in der deutschen Presse auf. Eine erste Fassung der Protokolle erschien in dem RomanBiarritz (1868), geschrieben von Hermann Goedsche und später in Berlin unter demPseudonym Sir John Retcliffe (später verändert in Readclif). In dem Kapitel "Auf demjüdischen Friedhof in Prag" werden die Vertreter der zwölf Stämme Israels bei ihrereinmal jährlich stattfindenden Zusammenkunft beschrieben, wo sie über den Fortschritt desPlans, die Weltherrschaft zu übernehmen, berichten. Am Ende der Sitzung drückt derVorsitzende Levit die Hoffnung aus, dass bei der nächsten Zusammenkunft, 100 Jahrespäter, die Juden die "Könige der Welt" sein werden. Diese Rede, bekannt geworden als die"Rede des Rabbiners", bildete ein Grundelement der Protokolle und wurde in breitenKreisen rezipiert. Ähnliche Vorstellungen wurden auch Ende des 19. Jahrhunderts inRussland propagiert, besonders in den Büchern von Osman Bey. Die Protokolle selbst sindwahrscheinlich zur Zeit der Dreyfus-Affäre LINK (1894) von Pjotr Iwanowitsch Ratschkowskiverfasst worden. Ratschkowski war Leiter der Auslandsabteilung der russischenGeheimpolizei (Ochrana), die ihren Sitz in Paris hatte. Die französische Rechte wollteein Dokument, das Alfred Dreyfus die Beteiligung an einer Konspiration nachwies, währenddie Russen mit den Protokollen ihre antisemitische Politik rechtfertigen wollten. 1903veröffentlichte ein zaristischer Agent, Pawlokai Kruschew, eine gekürzte Fassung des"Dokuments" in dem Pamphlet Programm für die Weltregierung der Juden. 1905 publizierte G.W. Butmi zusammen mit Kruschew eine ungekürzte Fassung der Protokolle unter dem Titel DieWurzel unserer Probleme. Doch den größten Einfluss hatte die von Sergei Nilus (ebenfalls1905) publizierte Fassung in der dritten Ausgabe seines Buches (Großes im Kleinen.Aufzeichnungen eines Orthodoxen). Nilus war vermutlich durch Ratschkowski, einen seinerMitarbeiter, in den Besitz des "Dokuments" gelangt. Bei ihrer Flucht in den Westenbrachten die Gegner der russischen Revolution die Protokolle mit. In Deutschlandveröffentlichten Pjotr Nikolajewitsch Schabelsk-Bork und Fjodor Viktorowitsch Winberg dengesamten Text der Protokolle in der 3. Ausgabe ihres Jahrbuches, Lutsch Sweta (EinLichtstrahl, Berlin 1920). Ein Jahr zuvor war von Ludwig Müller (alias Müller von Hausen)unter dem Pseudonym Gottfried zur Beck eine deutschsprachige Ausgabe der Protokolle, mitdem Titel Die Geheimnisse der Weisen von Zion, herausgegeben worden. Zwischen 1919 und1923 schrieb der NSDAP-Ideologe Alfred Rosenberg, ebenfalls ein russischer Emigrant, fünfPamphlete über die vermeintliche Konspiration. Bis zum Zusammenbruch des NS-Systemswurden die Protokolle häufig in dem von Julius Streicher herausgegebenen Parteiblatt DerStürmer und in der Zeitung der NSDAP, dem Völkischen Beobachter, zitiert; 1933 erschieneine Ausgabe für die NSDAP.

In den 20er Jahren tauchten die Protokolle zumersten Mal in den Vereinigten Staaten auf, wo eine Reihe von Zeitungen die "Grundthesen"veröffentlichte und die "jüdische Konspiration" mit dem Bolschewismus in Zusammenhangbrachte. Zu ihnen gehörte die Zeitung Henry Fords, The Dearborn Independent. Sieveröffentlichte im Sommer 1920 eine Artikelserie, die sich auf die Protokolle stützte unddanach als Buch mit dem Titel The International Jews. The World's Foremost Problem ineiner Auflage von 100000 Exemplaren erschien. Im Juni 1927 lehnte Ford die Verantwortungfür die Artikel ab und versuchte, das Buch zurückzuziehen, doch in der Zwischenzeit wares bereits in sechs Sprachen übersetzt worden. In Großbritannien wurden die Protokolle1920 von den meisten großen Zeitungen veröffentlicht; selbst die Londoner Timesbehandelte sie als ein ernstzunehmendes Dokument und veröffentlichte sie in ihrer Ausgabevom 8. Mai 1920.

Als jedoch ihr eigener Korrespondent das Dokument als Fälschungentlarvte, klärte die Times am 18. August 1921 den Sachverhalt auf. Von da an waren dieProtokolle in Großbritannien diskreditiert. Zwischen den Weltkriegen wurden weltweitzahlreiche Ausgaben der Protokolle auf Polnisch, Rumänisch, Ungarisch, Tschechisch,Serbokroatisch, Griechisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Flämisch, Schwedisch,Lettisch und Arabisch veröffentlicht. Während des Zweiten Weltkriegs erschienen auchAusgaben in Norwegisch und Holländisch. Vor dem Zweiten Weltkrieg fanden zwei Prozessestatt, die die Protokolle der Weisen von Zion als Fälschungen bestätigten: in PortElizabeth in Südafrika und 1934/35 in Bern (Schweiz). Die in den Protokollen enthaltenenVorstellungen waren zu dieser Zeit weit verbreitet. Viele führende Nationalsozialisten,einschließlich Adolf Hitler, Heinrich Himmler und Rosenberg, glaubten an ihre Echtheit.Hitler galt gerade die Behauptung, die Protokolle seien eine Fälschung, als Beweis fürihre Authentizität. Im Gespräch mit Hermann Rauschning (Gespräche mit Hitler, 1940)brüstete sich Hitler angeblich, viel aus den Protokollen gelernt zu haben: politischeIntrigen, politische Praktiken, Verschwörungen, revolutionäre Spaltung, Tarnung,Ablenkung und Methoden der Organisation. Alfred Rosenbergs weltanschauliche Thesen inseinem Buch Der Mythos des 20. Jahrhunderts basieren ebenfalls auf dem Glauben an dieEchtheit der Protokolle. Ohne Zweifel leisteten die "Protokolle der Weisen von Zion" dernationalsozialistischen Ideologie Vorschub und stellten, wie Norman Cohn schrieb, eineArt Freibrief für Holocaust aus. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Protokolleweiterhin veröffentlicht, vor allem im Nahen und Mittleren Osten und in den Ländern deskommunistischen Blocks. Auch in vielen südamerikanischen Ländern, in Spanien, Italien undJapan erschienen neue Ausgaben, und die in den Protokollen verbreiteten Vorstellungenbilden den wichtigsten Anknüpfungspunkt, nicht nur für die Leugnung der Ermordung dereuropäischen Juden, sondern auch um das Recht Israels auf einen eigenen Staat zudiskreditieren.


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30.05.2006 um 05:27
Das antisemitische Stereotyp PDF Drucken E-Mail
Geschriebenvon Julia Schäfer
Über die Tradition des visuellen „Judenbildes“ in derdeutschsprachigen Propaganda

Die Verwendung des visuellen antijüdischenStereotyps in der Öffentlichkeit wird noch heute mit der berüchtigten „Stürmerfratze“ inVerbindung gebracht. Meistens schreibt man diese Art der diskriminierenden Darstellungvon Juden der nationalsozialistischen Propaganda zu, vergißt dabei aber die langeTradition jener Bilder. Um den Fundus unseres bildlichen Gedächtnisses, um die Herkunftunserer „Bilder im Kopf“, wie der Journalist Walter Lippmann Vorurteile bezeichnete , unddie Frage, warum wir bestimmte Attribute mit dem Juden identifizieren, soll es in diesemAufsatz gehen.

Die erstmalige Verbreitung antijudaistischer Flugblätter fand zuZeiten der Reformation in Europa statt, als man die Juden mit dem Antichristidentifizierte. Besonders populär war das Motiv der sogenannten „Judensau“, das Judenzeigte, die an den Zitzen einer Sau oder auch an deren After hingen. Erkennbar sind dieJuden als Juden auf diesen Darstellungen durch den konischen „Judenhut“ oder manchmalauch den gelben Fleck, den die städtischen Juden im Mittelalter und früher Neuzeit zurKennzeichnung tragen mußten. Daß die Juden in Kombination mit einer Sau abgebildet wurdenwar besonders lästerlich, da gläubige Juden unbedingt koscher leben und dementsprechendSchweinefleisch meiden. Gleichzeitig unterstellen die „Judensau“-Darstellungen eine Nähezwischen Juden und Tieren, was im übertragenen Sinne auf Instinkthaftigkeit oder garPerversität hinweist, da Moral den christlichen Menschen vorbehalten sei. Im 19.Jahrhundert kam es durch die politische Emanzipation, d.h. die formelleGleichberechtigung der Juden als Staatsbürger, in vielen v.a. westeuropäischen Ländern zueiner sich intensivierenden Akkulturation und schließlich auch Assimilation, die sich zumBeispiel auch äußerlich ausdrückte. Während viele Juden aus Osteuropa noch ihre Trachtaus Kaftan, Pelzhüten (ähnlich wie etwa der polnische Adel) oder Kippa, Gebetsschal(Tallith) und Schläfenlocken (Peies) trugen und so ihre Zugehörigkeit zum Judentumunterstrichen, kleideten die sogenannten „Westjuden“ sich à la mode, d.h. mit Anzug,Gamaschen, Gehrock, Weste, Zylinder etc. wie es dem Bild des säkularisierten Bürgersentsprach.


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30.05.2006 um 05:27
Letzterer begegnet uns in den Karikaturen oft als Parvenü und dekadenter Aufsteiger, dersich so vom etablierten, d.h. nichtjüdischen, gehobenem Bürgertum abhebe. Des weiterensprachen die aus Galizien, der Bukowina und Rußland stammenden Juden häufig Jiddisch,also eine Mischung aus hebräisch mit der jeweiligen Landessprache und regionalenDialekten, wohingegen die westeuropäischen Juden die Sprachen der Mehrheitsgesellschaft,deutsch (bereits seit Moses Mendelssohn und der jüdischen Aufklärung Haskala),französich, englisch usw. sprachen und hebräisch nur noch als Gebetssprache kannten. Dievisuelle Diskrepanz zwischen Ost- und Westjuden ist durch zahlreiche Postkarten,insbesondere seit dem Wilhelminischen Kaiserreich , aber auch durch Bilderbogen, die alsWandzimmerschmuck vertrieben wurden, aus den Druckereien Glöß bei Dresden, München oderder Firmen Gustav Kühn und Oehmigke&Riemschneider aus Neuruppin bei Berlin sowie etlichenSatirezeitschriften aus dem deutschsprachigen Raum dokumentiert. Der „Ostjude“ wurde zumantijüdisch motivierten Prototyp „des Jüdischen“ in den Bildern, zum einen, weil sich anihm die Rückwärtsgewandtheit eines inzestuös organisierten, eventuell sozialistischunterwanderten Judentums – verbunden mit dem Bolschewismusvorwurf, zum anderenArmutskrankheiten wie Tuberkulose und mangelnde Hygiene demonstrieren ließen. Die Bilderund Karikaturen interessieren sich daher nicht für innerjüdische Tendenzen undDiskussionen, wie etwa den Chassidismus oder die Literatur aus dem Schtetl etwa von ŠalomAlejchem, sondern sie benutzen die äußere Erscheinung quasi als Verpackung, um ihremessage zu transportieren. Ebenfalls in den Hintergrund gerückt ist der Grund für dieEmigration der osteuropäischen Juden v.a. ins Deutsche Reich und Habsburgerreich, nämlichdie restriktive zaristische Gesetzgebung, die Juden im öffentlichen Leben als auch inihrer privaten Bewegungsfreiheit massiv einschränkte, sowie nach der Ermordung des Zaren(1881) einsetzende Pogrome, die eine Massenflucht in Gang setzten. Trotz ihrer großenArmut, waren etwa die Chassidim durch die Synagogenschulen (Jeschiwas) durchwegalphabetisiert und dementsprechend v.a. in Talmudexegese sehr gebildet, wobei sie sichmit wenig Materiellem zu helfen wußten, was den „Ostjuden“ das Prädikat „Luftmenschentum“eintrug.

Ab der Jahrhundertwende treten vermehrt Bilder auf, die den angeblichmißgestalteten Körper des Juden thematisieren. O-Beine und Plattfüße sind daher nicht nurein künstlerisch-humoristisches Stilmittel, sondern ein Hinweis auf die vermeintlicheWehruntauglichkeit der Juden, was eine nicht zu unterschätzende Rolle im sich stetigmilitarisierenden Kaiserreich spielt. Männlichkeit und Wehrtauglichkeit fungierten alsGrundpfeiler eines Nationalismus, dessen Feindbilder u.a. in der Verweiblichung undkünstlerischen Strömungen wie dem Expressionismus bestanden. In Untersuchungen zuangeblich typisch „jüdischen Krankheiten“ begegnet man – auch von jüdischer Seite – derNervosität (auch Neurasthenie), Diabetes und manisch depressiven bzw. schizophrenenNeigungen. Weniger ist hierbei allerdings die „Rasse der Juden“ dafür verantwortlich zumachen, als vielmehr der sozio-politische Kontext von rechtlicher Beschränkung undVerfolgungsdruck. Neben dem von nationalkonservativer Seite oft geäußerten Vorwurf desInternationalismus und mangelnden Patriotismus trat nach dem Ersten Weltkrieg dieUnterstellung, die Juden hätten sich am Kriege bereichert und zeichneten sich demnachdurch Defätismus und Feigheit im Felde aus. Untermauert wurden diese Spekulationen durcheine Untersuchung, die der preußische Kriegsminister Wild von Hohenborn 1916 durchführenließ über die Beteiligung der Juden am Kriege. Die Ergebnisse dieser Studie hielt manaber geheim, so daß sich jüdische Interessenorganisationen wie zum Beispiel derReichsbund jüdischer Frontsoldaten oder der Central Verein (CV) gezwungen sahen, jenerNegativpropaganda entgegenzuwirken, indem sie die tatsächlichen Zahlen über gefallenejüdische Frontsoldaten und Orden veröffentlichten. Frühe Zionisten wie Max Nordau, der ander Seite Theodor Herzls an der Spitze der Zionistischen Vereinigung stand, polemisiertegegen die „bleichen Massen aus dem Osten“ und die sogenannten „Kaffeehausjuden“ undplädierte für ein neues „Muskeljudentum“, das durch Turnsport und Wehrertüchtigung„mannhaft“ und natürlich auch wehrhaft werden sollte.


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

30.05.2006 um 05:28
Das Bild, das bis heute vom Juden in unserer Vorstellung existiert, ist davon geprägt,die äußerlichen Zeichen, wie die Hakennase, die wulstigen Lippen, die engliegenden Augen,die gekrümmte Haltung und die Plattfüße als authentische Hinweise auf innere Werte zubegreifen, meist ohne in Frage zu stellen, ob es das typisch „jüdische Gesicht“ überhauptgibt. Daher soll im folgenden gezeigt werden, wie es zu den oben genannten Zuschreibungenkam. Des weiteren dient die Kopplung der wertenden Eigenschaften mit dem Begriff desNormativen (in bezug auf Schönheit, Gesundheit, Moral) dazu, Kriterien für die darausresultierende Vorurteilsgestaltung abzuleiten. Eine Abweichung vom klassischenWinckelmannschen Schönheitsideal, das das ebenso konstruierte „klassische“ griechischeGesicht zur Vorlage hatte, konnte somit bedeutende, das heißt negative, Folgen für dieWahrnehmung und letztlich die Behandlung von Juden beinhalten. Die Meinung, die Judenseien als solche durch ihre abweichende (Gesichts-) Schädelform identifizierbar war (undist) nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen weit verbreitet.


Die„jüdische“ Nase

Auf Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) etwa ist die Annahmeeiner besonderen Ausprägung des Nasenknochens bei Juden zurückzuführen. Ihm ist dieEinführung der Kraniologie als metrischem Verfahren zur Feststellung von Schädelgrößebzw. -formen zuzuschreiben, wonach man in Lang- und Kurzköpfe (dolicho- undbrachycephale) unterschied. Er schuf in seinem 1790 in Göttingen erschienem HauptwerkDecas quarta collectionis suae craniorum diversarum gentium illustrata die in derAnthropologie lang tradierte Einteilung der Menschheit in fünf Rassen. Die Erfindung derjüdischen Rasse, neben der kaukasischen (Weißeuropäer und Semiten), Mongolen (Gelbe) undÄthiopier (Schwarze) geht auf ihn zurück. Dieser Trend seit dem Ausgang des 18.Jahrhunderts zur Hierarchisierung der einzelnen Rassen anhand ihrer Schädelform oderihres Gesichtswinkels läßt sich auch an den Karikaturen, ob auf Postkarten oder inHumoristischen Zeitschriften abgedruckt, feststellen. Erst 1913 wiederlegte deramerikanische Anthropologe Maurice Fishberg diese Annahme, indem er statistische Datenvorwies, aus denen hervorging, daß die Hakennase keineswegs typisch für Juden sei,ebensowenig wie krause oder dunkle Haare, was schon Rudolf Virchow 1886 in seinergroßangelegten Studie unter den Schulkindern des deutschen Reiches herausfand. Dennochwird die Nähe des Juden zum Schwarzen (bzw. „Neger“ wie es in der zeitgenössischenLiteratur heißt) aufgrund seiner Schädelform, seiner ausgeprägten Sexualität, wobei vieleAutoren bis heute auf Tacitus Rede von den Juden als „proiectissima ad libidinem gens“zurückgreifen und seiner anthropologischen Entwicklungsstufe, die ihn in Verbindung mitden Primaten setzt, oft betont. Die Hautfarbe ist also keine neutrale "Leinwand", sondernweist durch gelbliche Verfärbungen oder Pocken auf Krankheiten wie die Syphilis oderschlicht Skorbut hin; je dunkler und unreiner sie ist, desto pathologischer ihreWirkungskraft. Eine reine weiße Hautfarbe avanciert somit zum sauberen, d.h. auchgesunden, Ideal. Die übertrieben fleischige und herabhängende Hakennase, die das Gesichtdes Juden in den Bildern meist dominiert, ist allegorisch aufzufassen und wird innerhalbder Populärkultur synonym mit Drahtzieherei, Narrentum (und damit auch List bzw.Maskenhaftigkeit) und Instinkt aufgefaßt. Dieses bildmotivische Konstrukt war vonvornherein negativ besetzt, da es an mittelalterliche Teufelsdarstellungen erinnerte.


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30.05.2006 um 05:28
Vor allem in Tierallegorien, läßt sich die „jüdische Nase“ als Identifikationsmerkmalfeststellen, die auf Tiere und Menschen gleichermaßen – im Rahmen einer Gattung –angewendet wird. Mittels einer Übertreibung von kurzer gewölbter Stirn, großerfleischiger Hakennase und wulstiger Unterlippe wird den Tieren ein „jüdisches“ Aussehenverliehen. Der Betrachter bleibt unsicher, inwiefern er es mit einem Tier oder vielmehreinem Mischwesen zu tun hat. Diese physiognomischen Züge sind es auch, die den komischenCharakter in die Bilder hereintragen. Lebensweltliche Bezüge werden durch die identischenTier- und jüdischen Nachnamen gestiftet wie z. B. Löw, Bär, Hirsch usw., die dieNamensträger – wenn auch zum Teil in humoristischer Weise – brüskieren. Abgesehen von derNamenspolemik sind negative Tierallegorien sehr häufig, wie etwa Raben, Ratten, Insekten(Läuse, Fliegen, Drohnen) und Fledermäuse, die ihre Wirkungskraft volkstümlichen(christlichen) Legenden, die diese Tiere als Boten des Unheils interpretierten,verdanken. Gerade in den Zwanzigern als Sozial- und Rassenhygiene ihren Aufschwung alsWissenschaften zur Krankheitsprävention der Bevölkerung sowie der staatlichenmedizinischen Kontrolle (Impfung, Quarantäne etc.) erlebten, erhieltenUngeziefer-Metaphern, die oft den eingewanderten „Ostjuden“ zugeschrieben wurdenbesondere Relevanz. Das antiseptische Vergasen von bakteriell infizierten Räumen mitFormaldehyd oder die Aussonderung von „Ostjuden“ in bereits als solchen benannten„Konzentrationslagern“ in Bayern fand schon in den 1920er Jahren statt.


O-/X-Beine und Plattfüße

Die Deformation der Beine ist nicht nur ein Indizfür die Unfähigkeit zum militärischen Marschieren, sondern sie verweist auf eineauslösende Krankheit, die Rachitis. Rachitis galt als eine typische „Städterkrankheit“,die durch Mangelernährung, schlecht gelüftete, feuchte und dunkle Hinterhofwohnungenbedingt war. Im Zusammenhang mit den antisemitischen, also auf einer rassistischen Ebeneargumentierenden, Bildern könnten diese Zuschreibungen auch auf die Herkunft aus demGhetto hinweisen. Die Symptome sind u. a. Skelettverformungen, pastöser habitus,Anfälligkeit, schreckhafte Unruhe, ammoniakalischer Windelgeruch, Froschbauch,Hühnerbrust, X- oder O-Beine, Zwergwuchs, „Quadratschädel“ und mangelnder Muskeltonus.Bis in nationalsozialistische Biologiebücher (Thieme Leitfaden Biologie vonKraepelin/Schäffer) setzte sich die Darstellung der Degenerierten, d.h. genetischmangelhaften, in Form von O-Beinen, einer schiefen Körperhaltung und Henkelohren fort,die mit der geradegewachsenen, aufrechten und proportionierten „arischen“ Rassekonfrontiert werden. Die Plattfüße sind durch zwei Konnotationen umrahmt: zum einen dieWanderschaft des „Ewigen Juden“, der zur Heimatlosigkeit verdammt ist und rastlos in derWelt umherirrt, zum anderen die kriminologische Interpretation beispielsweise desitalienischen Anthropologen Cesare Lombroso. Dieser verknüpfte verschiedeneVerbrechertypen mit den diversen Gangarten, womit er eine ideelle Brücke schlug zu dernachgesagten Geheimsprache der Juden, dem Rotwelsch, das als Gaunersprache mit codiertenHandzeichen galt. Die Verwendung des Jiddischen wurde zum Merkmal des fremden Klangs undin Form des Mauschelns, oder Rotwelsch, der Gauner- bzw. Fremdensprache den Judenzugeschrieben, kriminalisiert. Eine verbrecherische Gesinnung wurde nicht zuletzt aneinem entsprechenden Phänotyp festgemacht. Es gab sogar Wörterbücher über das Mauscheln,das in dieser Form als reines Kauderwelsch, das an sich unverständlich sei, präsentiertwurde und für das man die „jüdische Kopfform“ mit ausgeprägter Prognatie(Schnauzenförmigkeit) und überstehender Unterlippe sowie herabhängender Nasenspitzeverantwortlich machte. Nachzulesen ist dieses Vorurteil der Unfähigkeit des Juden zurArtikulation beispielsweise in Richard Wagners Schrift Das Judentum in der Musik (1851),in der es u.a. um die angebliche Entstellung des Musikdramas durch die „jüdische“Sprechweise geht in der überspitzten Figur des „mauschelnden“ Siegfried.


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30.05.2006 um 05:28
Wilde Gestik

Die Hände stellen in vielen Bildern ein zentralesKommunikationsmittel dar, was unter der Bezeichnung „reden mit die Händ’“ kursiert. JohnEfron hat in den 1940ern versucht, bestimmte Hand- und Armbewegungen von jüdischen unditalienischen Immigranten in New York zu vergleichen und auf bestimmte Codes hin zuuntersuchen. Dabei stellte er fest, daß das gesellschaftliche Milieu viel entscheidenderfür die Herausbildung einer bestimmten Gestik ist als die ethnische oder religiöseZugehörigkeit. Sehr verbreitet ist in den Karikaturen Anfang des 20. Jahrhunderts dieangebliche Geschäftigkeit resp. Ruhelosigkeit der Juden, was auf ihre aktive Rolle in dennationalen Wirtschaftssystemen reflektiert. Der Nationalökonom Max Weber sprach in seinemHauptwerk Wirtschaft und Gesellschaft vom „Pariarecht“ unter Juden, die ihresgleichenbevorteilten und natürlich im Gegenzug die christlichen Konkurrenten benachteiligten. Diewilde Gestik deutet also nicht nur den Austausch von Information an, sondern auch dieVernetzung der Warenwelt, den Handel. Über die angebliche Begabung des Juden zum Handelnund damit verbunden seine Affinität zum Kapitalismus verfaßte etwa der NationalökonomWerner Sombart ein umfangreiches Buch mit dem Titel Die Juden und das Wirtschaftsleben(1911). Andererseits tauchen die Juden in den Bildern oft auch als Bolschewisten oderKommunisten auf, was zunächst widersprüchlich erscheint. Dahinter verbirgt sich aber dieAnnahme der Antisemiten, daß die Juden hochgradig anpassungsfähig, also opportunistischseien, was sie zu schlechten Patrioten aufgrund ihrer internationalen Vernetzung – obkapitalistisch oder kommunistisch – mache. Auf diese Weise sind die verschiedenenÄußerlichkeiten der Juden in den Bildern, die sie als Parvenüs, Trödler oder Fabrikantenmarkieren als Verkleidungen zu interpretieren, da die Zeichner der Bilder von einemeinheitlichen „jüdischen Wesen“ ausgehen, das sie immer wieder an einer degenerierten undabnormen Körperlichkeit, die beim Betrachter Ekel, Furcht oder bitteres Lachenhervorrufen soll, festmachen. Carl Schmitt macht eben diese Annahme in seiner Schrift DerLeviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischenSymbols (1938), indem er den Geist der „Entzweiung“, womit er die Dialektik meint,„Maurerlogen, Konventikeln und Juden“ zuschreibt, die durch den Liberalismus dasStaatswesen ausgehöhlt hätten. Der in den visuellen Bildern dargestellte krankhafteKörper symbolisiert zugleich einen kranken Geist, der zwar den Juden in den antijüdischenBildern zugeschrieben wird, aber für den nervösen Zeitgeist um die Jahrhundertwende unddie radikalisierte Stimmung der deutschen Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg,insbesondere danach zur Weltwirtschaftskrise 1929, steht.

Daß das Bild vom Judenbis heute Macht besitzt, was daran nachgewiesen werden kann, daß fast jede/r eineVorstellung vom Aussehen eines Juden hat, ist im wesentlichen auf zwei Ursachenzurückzuführen: erstens die Rezeption der Bilder als realistische Abbilder, denenfolglich ein beschreibender, portraithafter Charakter untergeschoben wird und zweitensdie Funktion des antijüdischen Bildes als Medium einer Gesellschaftskritik, das sich soals politisch-propagandistisches Kampfmittel verorten läßt. Analysiert man dieverschiedenen „Judenbilder“ (vom 19. Jahrhundert bis in die 1940er), so fällt auf, daßdie Markierung von Differenz oder Fremdheit zunächst über die Kleidung, ab 1900 vor allemüber den Körper transportiert wird. Dabei haben wir es mit einer Kombination vonVorurteilen sprachlicher, intellektueller und physischer (d.h. auch sexueller) Art zutun, die im scheinbar „realistischen“ Bild vom Juden zusammengefaßt sind. Der Jude in denBildern ist daher ein künstlich und künstlerisch geschaffenes Symbol und spiegelt dasAuge des Betrachters.

Autorin: Julia Schäfer M.A.


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30.05.2006 um 05:28
Antisemitismus PDF Drucken E-Mail
Geschrieben vonRedaktion Shoa.de
Vom religiösen Antijudaismus bis zur Endlösung

ZurGeschichte des Antisemitismus

Antisemitismus bzw. Antijudaismus ist einspezifisches rassistisches Phänomen, das die Menschheit seit mehr als zweitausend Jahrenbegleitet. Der Begriff des Antisemitismus entstand im 19. Jahrhundert (1879 von WilhelmMarr geprägt) und bezeichnet den Hass (Feindschaft?) einzelner Menschen oder ganzerVölker gegen die Juden. Das Phänomen ist existent seitdem die Juden außerhalb Palästinas,d.h. in der Diaspora leben. Nach Aufständen der Juden im Jahr 70 n.Chr. gegen dierömischen Besatzungstruppen wurde Jerusalem zerstört, die jüdische Bevölkerung getötetoder vertrieben und der jüdische Staat zerschlagen. Die geflohenen Juden assimiliertensich in den folgenden Jahrhunderte in ihren Zufluchtsländern. Allerdings hielten diemeisten an der Religion ihrer Vorfahren und ihrem Volkstum fest. Auf diese Weise entstandin vielen Staaten der Welt eine religiöse und ethnische Minderheit bis in die heutigeZeit.

Der analytische Blick auf die Geschichte zeigt: Der Antisemitismus begannnicht erst mit dem Nationalsozialismus. Verfolgungen von Juden gab es in großem Ausmaßbereits im Mittelalter. Im Jahr 1096 z.B. wurden in ganz Europa Tausende von Judengetötet und vielerorts ganze jüdische Gemeinden ausgerottet. Diese Pogrome entstandenz.T. aus der christlich-religiösen Überzeugung, die Juden seien die Feinde der Christen.Die Opfer wurden so zu Sündenböcken gestempelt und für damals rational nicht erklärbareNaturkatastrophen, Hungersnöte und Seuchen verantwortlich gemacht. Infolge weitererStereotypisierungen wurden Juden als Mörder kleiner Kinder, als Hostienschänder undBrunnenvergifter verleumdet und verfolgt. Als 1348 eine Pest Europa verheerte, stellteman dies als Strafe Gottes dafür dar, dass die Christenheit die Juden noch nicht ausihrer Mitte entfernt habe. Fortan kasernierte man Juden in gesonderten Stadtteilen, denGhettos und zwang sie, sich durch besondere Kleidung als Juden zu erkennen zu geben. Dasfanatisierte Klima der Kreuzzüge (11.-13. Jahrhundert) trug wesentlich zu dem von derkatholischen Kirche bis in die 1960er Jahre offiziell aufrechterhaltenen Vorwurfgegenüber den Juden als „Christusmörder“ bei.

Oft hatte der Antisemitismuswirtschaftliche Ursachen. Beispielsweise warf man Juden vor, sich auf Kosten vonNichtjuden zu bereichern. Da es Christen im Mittelalter aus religiösen Gründen versagtwar Zinsen zu nehmen, blieben die Geldgeschäfte oft den Juden vorbehalten. Dies führtedazu, dass viele Christen bei Juden verschuldet waren. Die meisten anderen Berufe warenihnen verschlossen. Aus der Landwirtschaft wurden sie verdrängt, und ein Handwerk konntensie nicht ausüben, weil sie als Nichtchristen kein Mitglied einer Zunft werden durften.So blieb ihnen nur das Geldgeschäft und der Kleinhandel.

In den erstenReformationsjahren begegnete man in den protestantischen Gebieten den Juden zunächst mitToleranz. Auch Martin Luther äußerte sich positiv über sie und zeigte ein besonderesInteresse an der hebräischen Sprache. Er hegte die missionarische Hoffnung, die Juden fürden christlichen Glauben gewinnen zu können - ein Trugschluss, der einen radikalenMeinungswandel bewirkte. Die Juden erschienen Luther nun als ein Volk, das willentlichGottes Liebe verschmähte. Noch wenige Jahre vor seinem Tod verfasste er eine Schrift mitdem Titel "Von den Juden und ihren Lügen". Darin verstieg er sich zu der Forderung, dieSynagogen abzubrennen, die Wohnungen der Juden zu zerstören, den Rabbinern das Lehren zuverbieten und den Juden auf jede erdenkliche Weise das Leben schwer zu machen: eineverhängnisvolle antijudaistische Agitationsschrift, denn seitdem haben sichprotestantische Judenfeinde immer wieder auf Luther berufen.

Nachdem es im 18.Jahrhundert vorübergehend eine Zeit der Toleranz gegenüber Juden gegeben hatte und sieauf allen gesellschaftlichen Gebieten eine gewisse Gleichberechtigung erfuhren, entstandim 19. Jahrhundert vor allem in Deutschland eine neue Welle der Judenfeindschaft. Sie warweniger religiös als vielmehr nationalistisch-rassistisch geprägt. Juden wurden nun als"national unzuverlässig", als "heimatlose Gesellen", als "völkisch minderwertig"bezeichnet. Man forderte die "Reinigung" des deutschen Volkes von allem Jüdischen. Ineiner Nation dürfe nur eine Seele sein. Auch die Kirchen waren nicht frei von dieserJudenfeindschaft. Es wurde behauptet, Juden seien im Gegensatz zu den wahren Deutschenohne jegliche tiefere Religiosität und liefen nur den "Götzen des Goldes" nach. Aufdiesem nationalistisch geprägten Antisemitismus konnten die Nazis später aufbauen, alssie die Vernichtung der Juden planten und durchführten.


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30.05.2006 um 05:28
Antisemitismus im Dritten Reich

Der Höhepunkt antisemitisch bedingterVerfolgungen wurde in den Jahren 1933-1945 unter der Herrschaft der Nationalsozialistenerreicht. Hitler und die NSDAP propagierten den rassistischen Antisemitismus. Dasnationalsozialistische Weltbild ist geprägt durch Vorstellung des angeblich ständigenKampfes zwischen der "hochwertigen" Rasse, den Ariern, und der "minderwertigen" Rasse,den Juden weg. Durch Vermischung mit den Juden werde die germanische Rasse verdorben undsei auf lange Sicht zum Untergang verurteilt. "Die Juden sind unser Unglück" lautete einevon den Nazis verbreitete Parole. Ziel der nationalsozialistischen Politik war esdeshalb, die "Reinheit des deutschen Blutes" zu bewahren bzw. wiederherzustellen. Bei derdeutschen Bevölkerung, in der viele Menschen antisemitisch und nationalistisch dachtenund fühlten, fanden die Nazis damit breite Zustimmung. Die Feindschaft gegen das Judentumgehörte von Anfang an zum Parteiprogramm der Nationalsozialisten.

Nach derMachtergreifung im Jahre 1933 wurden sofort antijüdische Maßnahmen durch die Naziseingeleitet, weg ständig verschärft und ausgeweitet.

1933: Boykott allerjüdischen Geschäfte in Deutschland durch die SA. Die Aktionen richteten sich auch gegenjüdische Rechtsanwälte und Ärzte sowie gegen den Besuch von Schulen und Universitätendurch Juden. Jüdische Beamte wurden aus den Ämtern entfernt, Künstler und Schriftstellerund Schriftleiter bei den Zeitungen erhielten praktisch Berufsverbot.

1935: Die"Nürnberger Gesetze" werden beschlossen und in Kraft gesetzt. Darin heißt es:

* §1: Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandtenBlutes sind verboten. Trotzdem geschlossene Ehen sind nichtig, auch wenn sie zur Umgehungdieses Gesetzes im Ausland geschlossen sind.
* §2: Außerehelicher Verkehrzwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes ist verboten.
* §3: Juden dürfen weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutesunter 45 Jahren in ihrem Haushalt nicht beschäftigen.

1937: Beginn der"Arisierung" der Wirtschaft. Die jüdischen Besitzer von Unternehmen und Geschäften werdengezwungen, ihren Besitz meist weit unter Wert an Deutsche zu verkaufen. Viele deutscheGeschäftsleute bereichern sich an jüdischem Eigentum.

1938: Einweisung aller sogenannten vorbestraften Juden in Konzentrationslager. Die jüdischen Ärzte verlieren ihreApprobation. Sie dürfen nur noch als "Krankenbehandler" für Juden tätig sein. Judenmüssen ihrem offiziellen Namen die Vornamen "Israel" oder Sara" hinzufügen."Reichskristallnacht" am 9./10. 11.: Zerstörung von Synagogen, Geschäften und Wohnhäusernder Juden. Verhaftung von über 26000 männlichen Juden und Einweisung in dieKonzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen. Mindestens 91 Juden werdengetötet.

Juden dürfen keine Kinos, Theater und Konzerte mehr besuchen.

1939: Hitler kündigt vor dem Reichstag im Falle eines Krieges die Vernichtung derjüdischen Bevölkerung in Europa an. Deutscher Angriff auf Polen am 1.9., Beginn desZweiten Weltkriegs. Beginn der Judenverfolgungen und -vernichtungen in allen vondeutschen Truppen eroberten Gebieten: in Polen, Rumänien, in Estland, Lettland undLitauen und in der Sowjetunion.

1941: Einführung des Judensterns. Juden übersechs Jahren ist es verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne den gelben Judenstern zuzeigen. Juden dürfen ihren Wohnbezirk ohne Genehmigung der Polizei nicht verlassen.

1942: Verbot der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Juden. WeitereEinschränkungen im Laufe des Krieges: Es war Juden verboten, Fernsprecher zu benutzen,Zeitungen zu beziehen, sich auf Bahnhöfen und in Gaststätten aufzuhalten. Radios, andereelektrische und optische Geräte mussten abgeliefert werden. Juden erhielten keineFleischkarten, keine Kleiderkarten, keine Milchkarten, keine Raucherkarten, keinWeißbrot, kein Obst, keine Obstkonserven, keine Süßwaren.

10/43:Auswanderungsverbot


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30.05.2006 um 05:29
Antisemitismus und Holocaust/Shoah

Nach der Machtergreifung im Jahr 1933begannen die Nationalsozialisten, die jüdische deutsche Bevölkerung durch gesetzlicheVerordnungen und Willkürmaßnahmen zu verfolgen und zu terrorisieren. Auf der so genannten"Wannseekonferenz" am 20.1.1942 beschlossen die Nazis die Deportation und Ausrottung desgesamten europäischen Judentums. Hitler machte damit wahr, was er schon lange als seineAbsicht angekündigt hatte und was eigentlich jeder in Deutschland voraussehen konnte,sofern er es sehen wollte. Adolf Eichmann wurde mit der Organisation der "Endlösung"beauftragt.

1942-45: Beginn der Massenvernichtungen in Auschwitz und anderengroßen Vernichtungslagern wie Maidanek, Sobibor, Treblinka. In diese (von denKonzentrationslagern zu unterscheidenden) Lager wurden die Menschen jüdischer Herkunftaus dem ganzen Machtbereich des "Dritten Reiches" nach und nach deportiert, sofern sienicht schon den Erschießungskommandos der SS-Einsatzgruppen in den eroberten russischenGebieten zum Opfer gefallen waren. Die absolut genaue Zahl der Opfer lässt sich nichtmehr feststellen. Doch wurden insgesamt wohl in den Jahren 1942 bis 1945 ca. sechsMillionen Juden aus ganz Europa getötet, wie in den NS-Prozessen der Nachkriegszeitfestgestellt wurde.

Dazu die Aussage des KZ-Kommandanten Rudolf Höß: "... Ichbefehligte Auschwitz bis zum 1. 12.1943 und schätze, daß mindestens 2,5 Millionen Opferdurch Vergasung und Verbrennen hingerichtet und ausgerottet wurden; mindestens eineweitere halbe Million starben durch Hunger und Krankheit, was eine Gesamtzahl vonungefähr 3 Millionen Toten ausmacht. Unter den hingerichteten und verbrannten Personenbefanden sich ungefähr 20.000 russische Kriegsgefangene. Der Rest umfaßte ungefähr100.000 deutsche Juden und eine große Anzahl von Einwohnern aus Holland, Frankreich,Belgien, Ungarn, Griechenland und anderen Ländern." Zwei Drittel der in Europa lebendenJuden fielen dem Holocaust zum Opfer. An den Folgen dieser Vernichtungsaktion leidennicht nur die Überlebenden der Vernichtungslager, die die eintätowierte Lager-Nummerzeitlebens mit sich herumtragen. Sehr viele der heute lebenden Juden, deren Familien ausEuropa stammen, haben nahe Angehörige unter den Opfern.


Schuldfrage/Erklärungsansätze

Der Holocaust war in Deutschland auch deshalb möglich, weildie überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung Hitlers "strengem Vorgehen" gegen dieJuden zunächst positiv gegenüber stand und es billigte. Die Kirchen blieben stumm, ja sieübernahmen z.T. die Nazi-Rassegesetze und belegten Pfarrer jüdischer Herkunft mitBerufsverbot. Diese Sympathie gegenüber dem judenfeindlichen Gedankengut der Nazisbedeutet nicht, dass die Deutschen in ihrer Mehrheit auch die entsetzlicheVernichtungsaktion gebilligt hätten. Als man das Ausmaß und die Umstände des Holocaustnach und nach erkannte, war es für Protestaktionen längst zu spät. Sich für das Schicksalder Juden zu interessieren oder ihnen gar zu helfen, war lebensgefährlich. Nur einzelnewie z.B. Oskar Schindler oder Raoul Wallenberg fanden dazu den Mut und die Möglichkeit,unter Einsatz ihres Lebens.

Als nach Kriegsende die Wahrheit über den Holocaustimmer deutlicher wurde, berief man sich weitgehend auf angebliche Unwissenheit, um dieMitverantwortung von sich wegzuschieben. Bis heute finden in der deutschen Bevölkerungauch diejenigen noch Gehör, die behaupten, so schlimm könne alles doch nicht gewesen seinund dass es eine Lüge sei zu behaupten, 6 Millionen Juden umgekommen seien (so genannteAuschwitz-Lüge).

Die Evangelische Kirche hat am 30. 10.1945 die "StuttgarterSchulderklärung" veröffentlicht, in der sie sich zu ihrer Mitverantwortung an denVorgängen im "Dritten Reich" bekennt. In diesem Schuldbekenntnis heißt es: „... Durch unsist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. ... Wir klagen uns an,daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nichtbrennender geliebt haben." An diesem Bekenntnis wird jedoch kritisiert, dass es nichtkonkret die Mitschuld an den Nazi-Verbrechen nennt und mit keinem Wort auf den Holocausteingeht. Von vielen Christen in der Evangelischen Kirche wurde auch dieses vageformulierte Schuldbekenntnis als zu weit gehend abgelehnt.


Antisemitismusnach dem Zweiten Weltkrieg

In den westlichen Demokratien hat das abschreckendeBeispiel der nationalsozialistischen Politik der Judenvernichtung dazu geführt, dass derAntisemitismus in der Nachkriegszeit abnahm. Dennoch zeigten Umfragen in den achtzigerund neunziger Jahren in Deutschland und Österreich, dass 10 bis 15 Prozent der jeweiligenBevölkerung als überzeugte Antisemiten einzustufen sind, ein weiteres Drittelantijüdischen Ressentiments anhängt. In den neunziger Jahren sind in Großbritannien,Frankreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern und den USA erneut reaktionäreund rassistische Parteien und Gruppen entstanden, die antisemitische Ideologien vertretenund häufig in enger Verbindung zu neofaschistischen Gruppierungen stehen. Nach dem Fallder Mauer nahm die Zahl antisemitischer Übergriffe in Deutschland erneut zu.


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30.05.2006 um 05:30
Rassismus, Biologie und Rassenlehre PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ulrich Kattmann
Warum und mit welcher Wirkung klassifizierenWissenschaftler Menschen?[1]

Die Auseinandersetzung um die biologischeKlassifikation von Menschen in »Rassen« erweckt nur oberflächlich den Eindruck, alshandele es sich lediglich um einen Streit um Wörter. Wer meint, es ginge darum, einendurch den Rassismus diskreditierten und missbrauchten Terminus zu vermeiden, hat nichterfasst, dass es um die Tragfähigkeit und die Wirkungen eines wissenschaftlichenKonzeptes geht. Tatsächlich ist im wissenschaftlichen Bereich mit dem Begriff »Rasse« einKonzept gemeint, also ein gedankliches Konstrukt, mit dem die Vielfalt der Menschenerfasst werden soll. Dieser Begriff bestimmt - wenn man ihn anwendet -, wie die Vielfaltder Menschen gedeutet wird. Ein Streit darüber, ob menschliche Rassen existieren odernicht, ist müßig. Die Frage muss vielmehr lauten, ob die mit dem Wort «Rasse» verbundenenbiologischen Kategorien geeignet sind, die augenfällige Vielfalt der Menschen angemessenzu erfassen. Nach Ansicht der Mehrheit naturwissenschaftlich arbeitender Anthropologenist dieses Konzept ungeeignet, die Variabilität der Art Homo sapiens zutreffend zuerfassen. Dagegen wähnen sich die Befürworter des Konzeptes in der Tradition zoologischerKlassifikation von Formengruppen unterhalb des Artniveaus, wie sie in der Biologie üblichsei (s. Kasten).

In diesem Beitrag wird versucht nachzuweisen, dass dieRassenklassifikationen der Anthropologen von den Anfängen bis heute nichtnaturwissenschaftlich fundiert sind, sondern Alltagsvorstellungen undsozialpsychologischen Bedürfnissen entspringen, die die Wissenschaftler mit anderenMenschen ihrer jeweiligen Gesellschaften teilen.


Die Vielfalt der Menschenund die Einfalt der Rassentypen

In der Stellungnahme des UNESCO-Workshops (1996)wird betont, dass die molekularbiologischen Erkenntnisse über genetische Vielfalt derMenschen traditionelle Rassenkonzepte ausschließen (s. Kasten). Dafür gibt es folgendeGründe:

* Mindestens 3/4 der menschlichen Gene variieren nicht, sie sindalso bei allen Menschen gleich. Die Variabilität bezieht sich also auf dieAllelverteilung des höchstens 25 % ausmachenden Teils variabler Gene
* allemolekularbiologischen Unterschiede betreffen lediglich statistische Verteilungen(Allelhäufigkeiten);
* trotz erheblich erscheinender morphologischer Unterschiedesind die genetischen Distanzen zwischen den geographischen Populationen des Menschengering. Sichtbare Unterschiede zwischen Menschen täuschen uns über genetischeDifferenzen. Einige wenige Merkmale überbewerten wir - nur aus dem Grunde, weil siebesonders auffallen. Der »Typus« ist ein schlechter Wegweiser zu genetischen Distanzen:Zwischen (morphologisch fast nicht zu unterscheidenden) west- und zentralafrikanischenUnterarten des Schimpansen (Pan troglodytes) sind sie zum Beispiel etwa 10 mal so großwie zwischen menschlichen Populationen (z. B. Afrikaner und Europäer).
* Dergrößte Anteil der genetischen Unterschiede zwischen Menschen befindet sich nichtzwischen, sondern innerhalb der geographischen Populationen. Mindestens 90 % dergenetischen Unterschiede befinden sich innerhalb lokaler oder eng benachbarterPopulationen, die Unterschiede zwischen den geographischen Gruppen umfassen höchstens 10% der genetischen Verschiedenheit. Zur genetischen Vielfalt der Menschen trägt diegeographische Variation also nur einen sehr kleinen Teil bei.
* Die Häufigkeitder Allele variiert überwiegend kontinuierlich. Zwischen den geographischen Populationengibt es keine größeren Diskontinuitäten und keine durchgehenden scharfen Grenzen.

Angesichts dieser Ergebnisse muss der Versuch scheitern, die Menschen in mehr oderweniger voneinander unterschiedene Gruppen zu trennen. Auch statistisch signifikanteUnterschiede in Merkmals- oder Allelverteilungen sind deshalb nicht hinreichend, umPopulationen als »Rassen« zu klassifizieren. Selbst die traditionelle Gliederung in dreigeographische Großrassen (Europide, Negride, Mongolide) ist durch diese Befunde obsoletgeworden (vgl. Cavalli-Sforza 1992; Cavalli-Sforza/ Cavalli-Sforza 1994; Cavalli-Sforza/Menozzi/ Piazza 1994; Kattmann 1995; 2002).



Anthropologen zumRassenkonzept

»Rassen« des Menschen werden traditionell als genetischeinheitlich, aber untereinander verschieden angesehen. ... Neue auf den Methoden dermolekularen Genetik und mathematischen Modellen der Populationsgenetik beruhendeFortschritte zeigen jedoch, dass diese Definition völlig unangemessen ist. Die neuenwissenschaftlichen Befunde stützen nicht die frühere Auffassung, dass menschlichePopulationen in getrennte »Rassen« wie »Afrikaner«, »Eurasier« ... oder irgendeinegrößere Anzahl von Untergruppen klassifiziert werden könnten. ...

Mit diesemDokument wird nachdrücklich erklärt, dass es keinen wissenschaftlich zuverlässigen Weggibt, die menschliche Vielfalt mit den starren Begriffen »rassischer« Kategorien oder demtraditionellen »Rassen«-Konzept zu charakterisieren. Es gibt keinen wissenschaftlichenGrund, den Begriff »Rasse« weiterhin zu verwenden.

UNESCO-Workshop:»Stellungnahme zur Rassenfrage« (1996)



For centuries scholars havesought to comprehend patterns in nature by classifying living things. The only livingspecies in the human family, Homo sapiens , has become a highly diversified global arrayof populations. The geographic pattern of genetic variation within this array is complex,and presents no major discontinuity. Humanity cannot be classified into discretegeographic categories with absolute boundaries. Furthermore, the complexities of humanhistory make it difficult to determine the position of certain groups in classifications.Multiplying subcategories cannot correct the inadequacies of theses classifications.

American Association of Physical Anthropologists: »Statement on Biological Aspects ofRace« (1996)


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30.05.2006 um 05:30
Was es aber unbestreitbar gibt, ist eine phylogenetisch bedingte geographischeDifferenzierung, in der sich verschiedene - wenn auch durch Übergänge miteinanderverbundene - genetisch determinierte Schwerpunkte erkennen lassen. Zumindest dieseSchwerpunkte, aber auch die verschiedenen Abstufungen zwischen ihnen werden - demGebrauch des Begriffs in der gesamten Biologie folgend - als Rassen bezeichnet.

R. Knußmann: »Vergleichende Biologie des Menschen« (1996)



Tobiologists, race is a taxonomic category below species. This concept is necessary tounderstand evolution ... The fact is that some groups, for example living in a particulararea, share common biological characters that distinguish them from others. Consequently,man as a biological species may be divided into different groups called »races« dependingon the significance of intergroup differences.

V. P. Chopra: »The use ofpolymorphic genes to study human racial differences« (1992)



DieseErgebnisse stehen nicht allein. Populationsgenetische Konzepte, zu denen sich fast alleAnthropologen nach 1945 bekannten, hätten den typologischen Rassenbegriff bereitsersetzen können. Wenn Populationen und nicht Individuen als Rassen bezeichnet werden,dann können die Rassen nicht weiterhin durch Merkmale charakterisiert werden, sondernlediglich durch die Häufigkeitsverteilung von Merkmalen (vgl. Kattmann 1973). DasKonstrukt populationstypischer Merkmale eröffnete jedoch die Möglichkeit, weiterhinRassetypen formulieren zu können. Dazu wurde das Konstrukt der populationstypischenMerkmalskomplexe herangezogen (vgl. Vogel 1974). Für Populationen sind häufige Allele undMerkmale ohne typologische Wertung eigentlich genauso charakteristisch wie seltene. DasRekurrieren auf die häufigen (»populationstypischen«) Merkmale kennzeichnet den Rückfallin schon überwunden geglaubte Typologie. Während die kontinuierliche Verteilungmophologischer Merkmale einige Anthropologen schlussfolgern ließ, dass es keine Rassegebe, sondern nur graduelle Abwandlungen von Merkmalen (Merkmalsgradienten, Klin, vgl.Livingston 1962), benutzen andere dieselben Daten, um überkommene Rasseneinteilungen zurechtfertigen (vgl. z. B. Schwidetzky 1979, 47 ff.).

Bereits seit über 20 Jahrenliegen molekularbiologische Ergebnisse vor, die den oben referierten ähneln und von denAutoren entsprechend als unvereinbar mit dem Rassenkonzept angesehen wurden (vgl. z. B.Lewontin 1972). Innerhalb der Rassenkunde werden indessen auch die neuesten Ergebnissenur als Bestätigung der jeweiligen Rasseneinteilung gedeutet und abweichende Befunde alsunbedeutende Unstimmigkeiten gewertet: Die Unterschiede zwischen den Großrassen seienstatistisch signifikant und das generelle Muster der genetischen Distanzen zwischenPopulationen sei grob dasselbe wie bei den morphologischen Merkmalen (Chopra 1992, 52;vgl. Knußmann 1996, 430).

Die Vielfalt der Menschen wird der Einfalt der Typengeopfert: Jede Rassenklassifikation simplifiziert die Vielfalt in unzulässiger Weise,indem sie ihre Betrachtung auf eine mehr oder weniger große Anzahl von Gruppen reduziertund dabei (kleine) Gruppenunterschiede höher bewertet als (größere) zwischen denIndividuen ein und derselben Gruppe. Das Klassifizieren wird so - ohne Rücksicht auf dietatsächlich beobachtete Variation - zum Selbstzweck. Der damit verbundeneKlassifikationszwang ist deutlich, wenn nicht nur die postulierten »Schwerpunkte«,sondern auch die »Abstufungen zwischen ihnen« als Rassen klassifiziert werden sollen(Knußmann 1996, 406, s. Kasten). Das Menschenrassen-Konzept verlangt also danach, dieMenschen auch dann in einander ausschließende Gruppen zu trennen, wenn es zwischen diesenGruppen alle möglichen Übergänge gibt. Es nimmt nicht Wunder, dass auf diese Weise keineinziges System der Menschenrassen aufgestellt worden ist, das innerhalb derWissenschaftlergemeinschaft auch nur annähernd allgemeine Anerkennung gefunden hätte. Inden Rassensystematiken werden vielmehr zwischen drei und dreihundert Menschenrassen mitganz unterschiedlicher Einteilung und Zuordnung unterschieden. Eine Grundlinie imVerständnis des Begriffs »Rasse« lässt sich im gesamten Verlauf der Geschichte derAnthropologie nicht erkennen (vgl. Grimm 1990). Anthropologen mögen diese Uneinigkeitdamit rechtfertigen, dass es ein einheitliches anerkanntes System natürlicherweise nichtgebe, da die Grenzen im Bereich unterhalb der Art eben nicht scharf zu ziehen seien.Damit wird aber nur eingestanden, dass die Einteilung in Menschenrassen nichtintersubjektiv überprüfbar ist und somit keine naturwissenschaftliche Grundlage hat (vgl.Kattmann 2002).

Warum halten einige Anthropologen so unbeirrt und unverändert amKonzept der Menschenrassen fest? Die Vermutung liegt nahe, dass der Grund hierfür nichtallein innerwissenschaftlich in biologisch-naturwissenschaftlichen Grundsätzen zu suchenist.


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Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

30.05.2006 um 05:31
Psychologie der Rassenklassifikation

Hinweise auf bestimmende Motive derRassenklassifikation geben Forschungen zu Alltagsvorstellungen sowie kognitions- undsozialpsychologische Untersuchungen. Die daraus ableitbaren Schlussfolgerungen werdendurch Befunde in der Ethnobiologie und Wissenschaftsgeschichte erhärtet.



Naive Theorien und Gruppenabgrenzung

Schon drei- bis siebenjährige Kinderhaben Annahmen über die Zusammengehörigkeit von Menschen, die von quasi biologischenVorstellungen mitbestimmt sind. Man nennt solche Vorstellungen, mit denen Menschen dieErscheinungswelt für sie sinnvoll deuten, naive oder implizite Theorien. Bereitsdreijährige Kinder entwickeln Vorstellungen darüber, welche Eigenschaften im Laufe derIndividualentwicklung unverändert bleiben und welche von den Eltern vererbt werden (vgl.Hirschfeld 1992). Die Annahmen dienen u. a. dazu, die Zugehörigkeit zu einer Gruppeanzuzeigen und für das Kind zu sichern. Grundlage für die Unterscheidung sind aber nichtdie Merkmale, sondern es ist die elementare Notwendigkeit, sich der eigenenGruppenzugehörigkeit zu vergewissern. Die Unterscheidung »wir« und »die anderen« bestimmtdanach die Auswahl wiedererkennbarer und als konstant angenommener Merkmale, nichtumgekehrt. Die Gruppenbildung erfolgt nicht einer Merkmalsklassifikation, sondern wirdsozial konstruiert. Je nach gesellschaftlichem Umfeld und Erfahrungshorizont der Kindersind daher die Gruppenbildungen und die Zuordnungen von Merkmalen ganz unterschiedlichausgeprägt.

Diese Befunde haben eine interessante Parallele in derEthnobiologie. Während die Klassifikation von Pflanzen- und Tierarten bzw. -gattungen inverschiedenen Kulturen zu über 90 % untereinander und mit der wissenschaftlichenKlassifikation übereinstimmt, fehlt eine solche Übereinstimmung bei der Klassifikationvon Menschen in jeder Hinsicht. In jeder Gesellschaft werden Menschen kulturspezifisch inGruppen eingeteilt. Das Ergebnis sind ganz unterschiedliche Gruppeneinteilungen, die vonden jeweiligen kulturellen und sozialen Verhältnissen der Menschen bestimmt sind.

Die Neigung, Menschen in Rassen zu klassifizieren, ist danach ein allgemeinesPhänomen. Welche Form die Klassifikation hat, ist dagegen kulturell, geschichtlich undsozial bestimmt. Mit Bezug auf die Untauglichkeit biologischer Rassenkonzepte kommtHirschfeld (1992, 247) daher zu dem Schluss: »A responsible biology can perhaps afford tohave nothing to do with the notion of human races, a responsible psychology does not havethis option.«

»Rasse« ist in diesem Zusammenhang als sozialpsychologischbestimmte Kategorie aufzufassen. Wo immer Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppenaufbrechen, sind nicht Haut- oder Haarfarben die Ursachen, sondern sozialeUngerechtigkeit und politische Interessen. Äußere Kennzeichen wie Hautfarbe, Haarform,Gesichtsmerkmale, aber auch Essgewohnheiten, religiöse Gebräuche und Sprache dienen dannals Erkennungsmarken, mit denen die Menschen der (rassisch) diskriminierten Gruppenausgesondert werden. An ihnen macht sich die Unterscheidung fest und kann sich so selbstverstärken. Für die rassische Aussonderung sind aber nicht die Eigenschaften derbetroffenen Menschengruppe maßgebend. Die der Fremdgruppe zugeschriebenen Merkmale werdendurch die Selbsteinschätzung bestimmt, die die diskriminierende Gruppe von sich hat. DasEigenbild bestimmt das Fremdbild: Unsicherheiten werden durch Abgrenzung kompensiert; fürdas Selbstwertgefühl bedrohlich empfundene (negative) Eigenschaften werden auf dieFremdgruppe projiziert (vgl. Kattmann 1994).

Der bei der Rassenklassifikationablaufende Prozess kann kurz folgendermaßen skizziert werden:

1. Wahrnehmungder Gruppenzugehörigkeit; mit der Gruppenzugehörigkeit werden die Individualentwicklungund die Generationen überdauernde Eigenschaften verknüpft.
2. Gruppenabgrenzungund -distanzierung; Fremdgruppen wird "Andersartigkeit" und "Wesensfremdheit"zugeschrieben, dabei kann durchaus noch Gleichwertigkeit und Gleichberechtigungpostuliert werden (Ideologie der Apartheid).
3. Bewertende Diskriminierung derGruppen; die Menschengruppen werden in höherwertige und minderwertige eingeteilt. DasEigenbild bestimmt das Fremdbild.
4. Konstruktion von Rassen; die Fremdgruppenwerden als rassisch von der eigenen verschieden definiert, am deutlichsten im dichotomenGegensatz: Weiße/Schwarze; Arier/Juden.


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