Frauen im Islam
16.11.2005 um 15:29
Gewalt in der Ehe
Stand in Europa
Über Gewalt in der Ehe gibt es noch keine EU-weite vergleichende Studie. Die in den Mitgliedsländern veröffentlichten Zahlen weichen allein schon deshalb voneinander ab, weil die Daten nach unterschiedlichen Methoden erhoben werden (Anzahl der Klagen, Fragebögen, mehr oder weniger starke Vereinigungen usw.).
Dennoch sprechen einige Zahlen für sich:
In allen EU-Ländern wird mindestens jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt seitens ihres Ehemannes oder Lebensgefährten.
In Europa wird jede Woche eine Frau von ihrem Partner umgebracht (Europäische Kommission für Chancengleichheit- Europarat - Juli 2002)
Häufigste Todesursache bei Frauen zwischen 14 und 45 Jahren ist familiäre Gewalt
Nur jeder zwanzigste Fall wird der Polizei gemeldet (Erhebung von Eurobarometer, 1999)
Umfragen durchzuführen ist schwierig, da dieses Thema immer noch tabu ist. Die EU versucht, auf diesem Gebiet mit ihrem Förderprogramm DAPHNE voranzukommen. Damit finanziert sie Projekte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen, einschließlich sexuelle Ausbeutung und Missbrauch.
In Frankreich schlug die im Juni 2001 veröffentlichte einzige wirkliche landesweite Untersuchung über Gewalt gegen Frauen (ENVEFF) wie eine Bombe ein: Ihr zufolge wird jede zehnte Frau einmal im Monat Opfer ehelicher Gewalt, und monatlich sterben sechs Frauen daran. Dieser Umfrage zufolge sind 67 % der Täter leitende Angestellte, 25% Angestellte des Gesundheitswesens, der Armee und der Polizei. In 70 % der Fälle häuslicher Gewalt war kein Alkohol im Spiel.
In Deutschland haben 14,5 % der Frauen sexuelle Gewalt durch Familienmitglieder erlitten (Europäische Frauenlobby). Auf vier Tage kommen drei Morde an Frauen, die durch deren Lebenspartner ausgeübt werden, das sind fast 300 Morde pro Jahr.
In Norwegen werden 10.000 Frauen wegen Körperverletzung durch eheliche Gewalt ärztlich behandelt.
In Finnland erklären 22 % der in Paarbeziehung lebenden Frauen, sie seien Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden.
In Großbritannien wird annähernd jede vierte Frau geschlagen.
In Belgien wird jede fünfte Frau Opfer häuslicher Gewalt.
Bekämpfung ehelicher Gewalt
Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995
Die Pekinger Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen 1995 schärfte weltweit das Bewusstsein über die Lage der Frau und führte in vielen Ländern zur Erarbeitung von Plänen zur Verteidigung der Frauenrechte.
Delegierte aus 185 Ländern und 70.000 Vertreter der Zivilgesellschaft verfassten eine Erklärung und ein Aktionsprogramm zur Sensibilisierung der Staaten für folgende Fragen: Schaffung besserer ökonomischer Bedingungen für die Frauen, Schutz der Frauen vor wachsender Gewalt, Aufwertung der Stellung der Mädchen. Im Einzelnen geht es darin um das Zugang der Frauen zum Erbrecht, das Recht auf freie Entscheidung über Sexualität und Schwangerschaft sowie um das Recht auf Nicht-Diskriminierung wegen Mutterschaft. Vergewaltigung in der Ehe, häusliche Schläge und Verwundungen, genitale Verstümmelungen werden als Gewaltakte gegen Frauen und Verletzung ihrer Grundrechte anerkannt.
Nach der Konferenz entstanden viele Netzwerke: WAVE (Women Against Violence in Europe). WISE ist ein auf „Gender Studies“ spezialisiertes Forschernetzwerk.
Bekämpfung der Gewalt in der Ehe – verschiedene nationale Modelle
Einige Länder verfügen über effiziente Gesetze und Vereinigungen zur Unterstützung weiblicher Gewaltopfer. Die meisten Frauenhäuser gibt es in den für weitgehende Umsetzung des Gleichstellungsgrundsatzes bekannten skandinavischen Ländern. Österreich war das erste Land, in dem die zwangsweise Entfernung des gewalttätigen Ehegatten aus der gemeinsamen Wohnung gesetzlich verankert wurde. Gewaltausübung, selbst im Privatbereich, wird nunmehr auch in Spanien, Frankreich und Belgien immer stärker von der Justiz verfolgt. In England kann das Gewaltopfer gesetzlich gezwungen werden, Anklage gegen den Täter zu erheben, was aber nur selten geschieht. Island, die Niederlande und Griechenland, die Gewalt in der Ehe wie jede andere Form von Gewalt betrachten, haben keine spezifische Gesetzgebung. In Portugal gibt es entsprechende Gesetze, die aber kaum bekannt sind, da eheliche Gewalt gesellschaftlich überwiegend immer noch als Kavaliersdelikt gilt.
Österreich: Vorbild für Europa?
In Österreich haben die Politiker unter dem Einfluss von Frauenverbänden und Zivilgesellschaft sehr schnell Maßnahmen zur Verringerung der häuslichen Gewalt ergriffen. Österreich war das erste europäische Land, das die (mindestens zehntägige) Entfernung des gewalttätigen Ehegatten aus der gemeinsamen Wohnung gesetzlich durchsetzte. Die Hilfszentren gehen auf die Opfer zu und erwarten nicht von ihnen, dass sie das Haus verlassen. Es wurden Sonderprogramme zur Aufklärung gewalttätiger Männer bereitgestellt. Österreich hat auch Sensibilisierungs- und Ausbildungsprogramme, insbesondere für Polizisten, eingeführt. Seine Interventionszentralen (Polizisten, Hilfsvereine für gewalttätige Männer, soziale Vereinigungen, Richter) wurden europaweit zum gesellschaftspolitischen Vorbild. Ein Pionierbeispiel dafür, dass man dieser Geißel nur durch gemeinsames, koordiniertes Vorgehen Herr zu werden hoffen kann.
Deutschland
BIG in Berlin: Die 1994 gegründete Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt (BIG) ist deutschlandweit vorbildlich: Hier haben sich Polizisten, Richter, Ärzte, Frauenverbände und andere gesellschaftliche Organisationen zusammengetan, um eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt zu erarbeiten. Seit 2002 wird das Modell in ganz Deutschland aufgegriffen.
Spanien
Die Zapatero-Regierung will die spanischen Sitten ändern. Zwischen 2002 und 2004 stieg die häusliche Gewalt um 34 %. Nachdem Ana Orantes 1997 im Fernsehen über ihren Leidensweg als geschlagene Frau berichtet hatte und anschließend von ihrem Mann ermordet wurde, ist das öffentliche Bewusstsein über dieses Problem gewachsen.
Die Zapatero-Regierung erkannte die Notwendigkeit des Kampfes auf allen Ebenen und verabschiedete ein Gesetz gegen Gewalt in der Ehe und gegen sexuelle Gewalt überhaupt. Sie beabsichtigt eine Erziehungsreform, den Erlass neuer Werbegesetze sowie die Gründung von Auffang- und Genesungszentren für misshandelte Frauen. Nach und nach werden Anlaufstellen gegründet, in denen Frauen, die die eheliche Wohnung verlassen wollen, finanziellen und rechtlichen Beistand finden. Darüber hinaus wurden 400 eigens auf das Spezialgebiet „Gewalt gegen Frauen“ ausgelegte Richterstellen geschaffen.
Osteuropa – Zunahme der Gewalt?
Im ehemaligen Ostblock wurde die Gewalt gegen Frauen vom Staats- und Parteiapparat weithin unterschätzt. Mit dem Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft seit Beginn der 1990er-Jahre haben sich dort die allgemeinen Lebensbedingungen für Frauen verschlechtert, und auch die Gewalt gegen Frauen hat zugenommen. Es gibt keine staatliche Förderung der weiblichen Berufstätigkeit und keine Anreize zur Familiengründung mehr. Behörden, Ärzte und Polizei berücksichtigen die besondere Lage der Frau nicht genügend, und die Zivilgesellschaft ist nicht organisiert genug, um allein den Kampf gegen häusliche Gewalt aufzunehmen.
-In Polen wird die Politik stark vom überaus traditionalistischen Familienbild der katholischen Kirche beeinflusst. 1993 verbot der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch. Bei ehelicher Gewalt steht die Sicherheit der Frau gegenüber dem Erhalt der Familie hintan. Frauen finden kaum Ärzte, die ihnen Gutachten über Schläge und Verletzungen aufgrund häuslicher Gewalt ausstellen, und rar sind die Zeugen, die vor Gericht über solche Gewaltakte aussagen. So kommen viele dieser Taten gar nicht erst vor Gericht oder werden mangels Beweises niedergeschlagen. Häufig wird Gewalt gegen Frauen nur auf übermäßigen Alkoholgenuss zurückgeführt, was das Problem vereinfacht und die kollektive Bewusstwerdung behindert.
-In Estland wählen die Frauen unkonventionelle, drastische Kampfmethoden, um dem Gesetzgeber ihr Problem klarzumachen: sie demonstrieren in Hockeyausrüstung.
In Lettland gibt es kein Gesetz zum Schutz der Frauen und auch keine Frauenhäuser. Gewalttäter können drei Stunden in Polizeigewahrsam genommen werden.
In der Slowakei wurde im Frühjahr 2003 ein neues Gesetz erlassen, dem zufolge der gewalttätige Ehemann die eheliche Wohnung verlassen muss, wenn die Frau als Opfer anerkannt wird. Es wurde eine auf häusliche Gewalt spezialisierte Polizeieinheit unter weiblicher Führung gegründet.
In Slowenien werden nur sehr schwere Gewaltakte bestraft. Eine gebrochene Nase oder Rippe wird als leichte Verletzung angesehen und nicht gesetzlich geahndet.
Quelle: http://www.arte-tv.com/de/geschichte-gesellschaft/Wenn_20V_C3_A4ter_20sich_20r_C3_A4chen/Gewalt_20in_20der_20Ehe/813722.html
"Frieden!" - der Gruß eines barmherzigen Herrn. 36:58