Frauen im Islam
10.02.2006 um 10:52
Die Frau im Islam
Bericht zum DMK-Seminar (Deutschsprachiger Muslimkreis Berlin) vom 17.02.2001
Referent: Amir Zaidan
Hinweis: Dieser Bericht beruht auf einer Mitschrift, es handelt sich deshalb um eine sinngemäße, keine wörtliche Wiedergabe des Seminar-Inhalts. Der Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Inhaltsverzeichsnis
Einleitung
Die Stellung der Frau
... als Mutter
... als Ehefrau
... als Tochter
Die Frage der Gleichberechtigung
Berichte über Frauen aus der Zeit des Propheten
Fragen an den Referenten
Links zu weiteren Artikel über die Frau im Islam
1. Teil (ca. 10.30-12:00)
Einleitung
Zu Beginn stellt Amir Zaidan Zaidan die Frage, warum sich die Muslime in der heutigen Zeit intensiver mit der Frage nach der Stellung der Frau im Islam auseinandersetzen. Die Antwort liegt für ihn in zwei Punkten:
1. Einflüsse nichtmuslimischer Religionen und Ideologien
2. Die Realität der muslimischen Frau
Zu 1.: Als Beispiel wurde das Christentum genannt. In der Geschichte des Christentums wurde die Frage nach dem Wesen der Frau mehrmals diskutiert, so z.B. auf einer Synode im 6. Jahrhundert, bei der die Frage gestellt wurde, ob die Frau überhaupt ein Mensch sei. Die gleiche Frage wurde noch 1591 von lutherischen Theologen diskutiert.
Die Frauenrechtsbewegung und die Forderung der Frauen nach Gleichberechtigung ist auch eine Folge dieses negativen Frauenbildes des Christentums.
Zu 2.: Die Realität der muslimischen Frauen weicht an vielen Stellen von den Bestimmungen ab, wie sie in Koran und Sunna gegeben sind. Das Vorhandensein der theoretischen Grundlagen reicht nicht aus, sondern es muß auch der Wille da sein, diese Grundlagen durchzusetzen und Traditionen zu überwinden, die ihnen entgegenstehen.
Im Gegensatz zum Christentum wurde im Islam die Frage was die Frau sei, nie gestellt. Die Frau ist nach islamischem Verständnis genau das gleiche wie der Mann: ein Mensch, ein Kind Adams, ausgestattet mit Ehre und Würde:
Und wahrlich, Wir haben die Kinder Adams geehrt und sie über Land und Meer getragen und sie mit guten Dingen versorgt und sie ausgezeichnet - eine Auszeichnung vor jenen vielen, die Wir erschaffen haben. (17:70) [1]
Ihr Menschen! Gewiß, wir erschufen euch aus einem Männlichen und einem Weiblichen und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr euch kennenlernt. Gewiß, der Würdigste von euch bei ALLAH ist derjenige mit am meisten Taqwa. [2] Gewiß, ALLAH ist allwissend, allkundig. (49:13)
Zur Taqwa sagte der Prophet (s.a.s.): "Taqwa ist hier!" und zeigte dabei auf sein Herz. Dies wiederholte er dreimal.
Diese Aya (Vers) zeigt, daß vor Gott niemand aufgrund seines Geschlechts besser oder schlechter ist, sondern daß der einzige Weg, sich vor Gott zu profilieren, die Taqwa ist.[3]
Eine andere Aya zeigt, daß die Taten von Frauen und Männern von Gott gleichermaßen anerkannt werden:
Aus 3:195: Gewiß, ICH lasse keine Tat eines Tuenden von euch, ob männlich oder weiblich, verlorengehen, die einen von euch sind wie die anderen.
Aufgrund dieser Stellen des Koran (und noch weiterer, auf die nicht mehr eingegangen werden konnte) hat in der islamischen Geschichte niemals eine Diskussion über das Wesen der Frau stattgefunden, wie es im Christentum der Fall war.
Auch in den Aussprüchen des Propheten (s.a.s.) (Hadithe) finden sich zahlreiche Belege für die absolute Gleichwertigkeit von Mann und Frau:
"Ja gewiß, die Frauen sind die Ebenbürtigen (bzw. die Gegenüber) der Männer." (Das Arabische Wort schaqa'iq, das hier verwendet wird, bedeutet "die Hälfte".)
Dieser Hadith geht weiter: "Nur ein edler Mensch behandelt sie gut, nur ein mieser Mensch behandelt sie schlecht."
In einem anderen Hadith hält der Prophet (s.a.s.) zur guten Behandlung der Ehefrauen an: "Derjenige von euch, der seine Ehefrau am besten behandelt, ist der beste von euch. Und ich bin der Beste zu meinen Frauen."
Ein ähnlicher Hadith lautet: "Diejenigen, die am vollkommensten sind und diejenigen, die mir am nächsten sind, sind diejenigen, die am besten mit ihren Ehefrauen umgehen."
Nach diesem Hadith ist also der Maßstab für die Vollkommenheit eines Muslims sein Umgang mit seiner Ehefrau!
Der Prophet (s.a.s.) hat in seinem Leben niemals eine Frauen geschlagen, beleidigt oder gekränkt. Wenn er nach Hause kam und seine Frauen kein Essen vorbereitet hatten, sagte er nur: "Ich faste heute.". Dies ist die Sunna des Propheten, das Vorbild, an das sich alle Muslime halten sollen.
Einmal fand der Prophet (s.a.s.) während einer Schlacht mit Nichtmuslimen eine nichtmuslimische Frau, die getötet worden war, obwohl sie nicht bewaffnet war. Er war darüber sehr erregt und fragte: "Wer hat sie getötet?"
Die gute Behandlung und die Ehrehrbietung gegenüber Frauen erstreckt sich also nicht nur auf muslimische Frauen, sondern auch auf nichtmuslimische.
In der Geschichte des Islams haben Frauen eine bedeutende Rolle gespielt:
- Der erste Mensch, der den Islam anahm, war eine Frau: Khadidscha (r.a.), die erste Frau des Propheten (s.a.s.). Das bedeutet, dass zu einer bestimmten Zeit die muslimische Gemeinde nur aus einer Frau bestand!
- Der erste Mensch, der für den Islam gestorben ist, war eine Frau: Summaya (r.a.), die unter den Folterungen der Mekkaner ihr Leben für den Islam hingab.
- Einer der größten Sahaba (Gefährten) des Propheten (s.a.s.), Umar (r.a.) wurde von seiner Schwester zum Islam bekehrt. Sie zeigte sich furchtlos gegenüber ihrem Bruder, der damals für seine Aggressivität bekannt war, und obwohl er sie schlug, nachdem er hörte, daß sie den Islam angenommen hatte, machte sie ihn mit dem Islam bekannt.
- Der Prophet (s.a.s.) hat von Anfang an Männer und Frauen zum Islam eingeladen, und Frauen waren auch an politischen Handlungen beteiligt (wie z.B. bei der Bay'a (Treueschwur) von Aqaba, die faktisch die Gründung des islamischen Staates bedeutete).
Die Stellung der Frau als Mutter
Ein bekannter Hadith zeigt, welch hohe Stellung der Islam der Mutter gibt:
Der Prophet (s.a.s.) wurde von einem Mann gefragt: "Wen soll ich am besten behandeln?" Er antwortete: "Deine Mutter." Der Mann fragte weiter: "Und wen danach?". Der Prophet antwortete: "Deine Mutter." Der Mann fragte noch einmal: "Und wen danach?" Der Prophet antwortete: "Deine Mutter." Der Mann fragte wiederum : "Und wen danach?" Da antwortete der Prophet: "Deinen Vater.".
In einem anderen Hadith sagte der Prophet (s.a.s.): "Das Paradies liegt zu den Füßen der Mütter."
Ein weiterer Hadith fordert den Gehorsam der Kinder gegenüber der Mutter: "Allah hat die Widerspenstigkeit gegenüber den Müttern und das Begraben der Mädchen verboten."
Nach dem Verbot des Schirks (d.h. daß man Allah etwas zur Seite stellt, und damit Vielgötterei betreibt, was im Islam die größte Sünde darstellt) kommt das Verbot der Ungerechtigkeit gegenüber den Eltern. Beide Elternteile sollen gut behandelt weden, aber der Mutter gebührt eine noch bessere Behandlung.
Im Koran finden wir die Anweisung: Und sage ihnen gegenüber nicht "uff".
Mit "uff" sind alle möglichen Unmutsäußerungen gemeint, mit denen man auf Forderungen, Bedürfnisse oder Ansprüche der Eltern reagieren könnte. Die Aufforderung, so etwas zu unterlassen, gilt insbesondere gegenüber der Mutter, da die Kinder üblicherweise zu der Mutter einen engeren Kontakt haben und aus diesem Grund möglicherweise ihr gegenüberr einen geringeren Respekt zeigen als gegenüber dem Vater. Daß im Koran an dieser Stelle das kleinste Beispiel für Respektlosigkeit gegenüber den Eltern gewählt wird, zeigt, daß alles andere, was noch schlimmer ist (wie Beschimpfen, Vernachlässigen oder gar Schlagen) noch stärker verboten ist.
Ein Hadith zeigt, welche Folgen die Vernachlässigung der Mutter nach sich ziehen kann:
Einer der Sahaba des Propheten (s.a.s.) lag im Sterben und seine Freunde kamen zu ihm und forderten ihn auf, die Schahada [4] zu sagen, damit er mit "La illaha illa lah" sterben würde. Der Sterbende konnte jedoch die Schahada nicht aussprechen. Seine Freunde gingen zum Propheten (s.a.s.) und erzählten ihm davon. Dieser ließ die Mutter des Sterbenden rufen und erkundigte sich über ihren Sohn. Sie berichtete, daß ihr Sohn seine Frau ihr gegenüber bevorzugt und sie vernachlässigt hatte. Der Prophet (s.a.s.) sagte ihr daraufhin, daß ihr Sohn, wenn sie ihm nicht verzeihen könnte, ohne die Schahada zu sprechen sterben würde. Da verzieh die Mutter ihrem Sohn. Die Freunde des Sohnes kamen später zum Propheten (s.a.s.) und berichteten ihm, daß er gestorben war, aber zuvor die Schahada noch ausgesprochen hat.”
Die Stellung der Frau als Ehefrau
Am Beginn dieses Punktes steht eine allgemeine Reflexion über die Definition von Rechten und Pflichten in der westlichen Welt und im Islam. In der westlichen Welt wird immer von den Rechten gesprochen, die jeder Mensch hat, aber es wird nicht festgelegt, wer für die Einhaltung dieser Rechte zu sorgen hat. Der Koran spricht jedoch von Verpflichtungen, und aus den Verpflichtungen der einen ergeben sich die Rechte der anderen. Wenn die Verpflichtungen feststehen und gleichzeitig festgelegt wird, wer sie einzuhalten hat, entstehen die Rechte für die anderen daraus automatisch.
Das wichtigste Ziel der Ehe ist die Liebe und die Barmherzigkeit.
(gemäß dem Koranvers: Ebenso zu Seinen Ayat (d.h. Zeichen) zählt, daß ER für euch von eurem Wesen Partnerwesen erschuf, damit ihr bei ihnen Geborgenheit findet. Und ER setzte zwischen euch Liebe und Barmherzigkeit. Gewiß, darin sind doch Ayat für Leute, die nachdenken.) (30:21)
In Bezug auf die Ehe besteht bei den Muslimen heutzutage das Problem, daß sie fortwährend bestimmte Fragen des islamischen Rechts (Fiqh) diskutieren, die nur zur Anwendung kommen, wenn ein Streitfall eintritt. Stattdessen ist es viel wichtiger, die Liebe und die Kooperation zu betonen, den Respekt, die Achtung und die Barmherzigkeit - denn alles andere ist zweitrangig.
Amir Zaidan zieht einen Vergleich zwischen dem Iman (Gauben) und der Ehe: Beim Iman muß Tauhid [5] im Mittelpunkt stehen, alles andere ist zweitrangig. Denn Gebet, Zakat, Fasten und Hadsch sind ohne Tauhid hinfällig und nutzlos. Genauso muß bei der Ehe die Liebe und die Barmherzigkeit im Mittelpunkt stehen, denn eine Ehe, bei der keine Liebe und Kooperation entsteht, ist zum Scheitern verurteilt.
Ein wichtiges Thema, das sowohl unter Muslimen als auch unter Nicht-Muslimen viel diskutiert wird, ist die Frage, ob ein Mann seine Frau schlagen darf oder nicht. Amir Zaidan hält gleich am Anfang fest, daß das Schlagen der Frau verboten (haram) ist. Als Beleg dafür gilt die Aya, die von manchen Muslimen als eine Erlaubnis zum Schlagen der Frauen ausgelegt wird:
Die Ehemänner tragen Verantwortung den Ehefrauen gegenüber wegen dem, womit Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat, und wegen dem, was sie von ihrem Vermögen ausgegeben haben. Die gottgefällig guttuenden Frauen sind (ALLAH gegenüber) ergeben und bewahren das vom Verborgenen (zwischen ihnen und ihren Ehemännern), was ALLAH zu bewahren auferlegt hat. Und diejenigen Ehefrauen, deren böswillige trotzige Auflehnung ihr fürchtet, diese sollt ihr (zunächst) ermahnen, dann in den Ehebetten meiden und (erst danach) einen (leichten) Klaps geben! Und sollten sie wieder auf euch hören, dann unternehmt nichts mehr gegen sie! Gewiß, ALLAH bleibt immer allhöchst, allgrößt. (4:34) [6]
Diese Aya erfordert eine ausführliche Erläuterung:
Im Arabischen steht in diesem Vers "Männer" und "Frauen", gemeint sind jedoch die Ehemänner und Ehefrauen, weil Männer fremden (d.h. nichtverwandten) Frauen gegenüber in keiner Weise verantwortlich sind. Die allgemeine Aussage "Männer sind gegenüber Frauen verantwortlich" kann auch deshalb nicht zutreffen, weil eine Frau auch die Chefin eines Mannes sein kann, wie z.B. im Fall von Khadidscha (r.a.), bei der der Prophet (s.a.s) angestellt war.
Die Verantwortung, die von der einen Seite (den Ehemännern) übernommen wird, erwartet von der anderen Seite (den Ehefrauen) die Anerkennung dieser Verantwortung. Verantwortung zu tragen bedeutet, Verpflichtungen zu übernehmen. Weil der Mann Verpflichtungen übernimmt, muß er auch die Möglichkeit haben, diese zu erfüllen - was nicht gewährleistet ist, wenn die Ehepartner keine gemeinsame Richtung verfolgen.
Ansonsten ist in der Beziehung zwischen den Ehepartnern die gegenseitige Beratung vorgesehen. Dies war die Praxis des Propheten (s.a.s.), der sich in in seinen Angelegenheiten mit seinen Frauen beriet, sogar wenn es um politische Probleme ging. Es ist bekannt, daß er in einer schwierigen Situation (im Zusammenhang mit dem Friedensvertrag von Hudaibiya) seine Frau Umm Salama um Rat fragte und ihren Rat dann auch befolgte.
In der Aya wird weiterhin ein wichtige Verpflichtung der Ehefrauen genannt: Sie sollen das, was in der Familie vorgeht, bewahren und die Privatsphäre schützen. Dazu gehört auch, daß man über sexuelle Dinge zwischen den Eheleuten nicht mit Dritten redet - eine Sache, die der Prophet (s.a.s.) schwer verurteilt hat. Dies gilt natürlich für Männer genauso wie für Frauen.
Es geht weiter: ... und diejenigen Ehefrauen, deren böswillige trotzige Auflehnung ihr fürchtet, ...
Das Verb tachafu (fürchten) bedeutet auch wissen, d.h. man muß sich über die böswillige Auflehnung sicher sein. Es gibt eine Regel im Fiqh (Rechtswissenschaft) die besagt, daß auf Spekulation keine Sanktionen folgen können.
Wir kommen nun zu dem Punkt, warum das Schlagen der Frauen verboten ist. In der Aya wird die Erlaubnis gegeben, die Frau (leicht!) zu schlagen, wenn eine bestimmte Ausnahmesituation eingetreten ist, nämlich die unrechtmäßige, böswillige Auflehnung der Frau, die zudem trotz der vor dem Schlagen vorgeschriebenen Maßnahmen bestehen bleibt. Die Fiqh-Regel, die hier zur Anwendung gebracht wird ist mafhum al-muchalafa, dies ist eine Art Umkehrschluß. Die Bedeutung davon ist folgende: Weil das Schlagen der Frau in der Ausnahmesituation erlaubt ist, heißt dies, das es in allen anderen Fällen verboten ist!
Im Kontext dieser Aya, die das Schlagen als eine letzte Möglichkeit zur Rettung der Ehe erlaubt, geht es um ein familiäres Problem. Dieses Problem ist die Ausnahme, nicht die Regel. Das Leben einer Familie soll im Normalfall harmonisch verlaufen und eine Familie, bei der es ständig schwerwiegende Probleme gibt, ist keine normale Familie.
Die Auflehnung der Frau (nuschuz) wurde von den Korankommentatoren noch genauer beschrieben. Nach Ibn Abbas handelt es sich um nuschuz, wenn die Frau die Sexualität als Waffe einsetzt, wenn sie sich also dem Mann verweigert, um etwas zu erreichen oder um ihn zu kränken. Andere Kommentatoren waren der Meinung, nuschuz sei, wenn die Frau ihren Mann in der Öffentlichkeit bloßstelle und verachte. Man sieht in jedem Fall, daß nuschuz nicht einfach bedeutet, daß die Frau manchmal nicht kocht oder andere nebensächliche Dinge, die für manche Männer schon ausreichen, um ihre Frau zu schlagen.
Es gibt für diese Aya auch einen Offenbarungsanlaß: Eine Frau kam zum Propheten (s.a.s.) und beklagte sich bei ihm, weil ihr Mann sie geschlagen hatte. Der Prophet (s.a.s.) ließ daraufhin den Mann holen und ordnete Wiedervergeltung an, d.h. er forderte die Frau auf, ihren Mann zurückzuschlagen. Hierauf wurde die o.g. Aya offenbart, woraufhin der Prophet (s.a.s.) sagte: "Ich wollte etwas, aber Allah wollte etwas anderes."
Das Zurückschlagen wurde zum Schutz der Frau verboten, weil es die Situation noch verschlimmern könnte. Ein Mann, der bereits zornig ist, seine Frau schlägt und dann von ihr zurückgeschlagen wird, könnte vollständig die Kontrolle über sich verlieren und der Frau möglicherweise eine schlimme Verletzung zufügen. Trotzdem bleibt die Wiedervergeltung möglich, denn das Schlagen der Frau darf weder Spuren hinterlassen noch einen empfindlichen Körperteil betreffen. Das Schlagen ins Gesicht ist nach allen Gelehrten haram (verboten). Tut ein Mann dies trotzdem oder fügt er seiner Frau eine Körperverletzung zu, ist diese berechtigt, ihren Mann anzuzeigen, und dann ist es der Richter, der die Wiedervergeltung anordnet, und der Mann wird wissen, was er getan hat.
Der Prophet selbst (s.a.s) hat wie gesagt niemals eine seiner Frauen geschlagen, und zum Schlagen sagte er einmal, als sein Diener ihn verärgerte: "Wenn ich nicht wüßte, daß es im Jenseits Vergeltung gibt, hätte ich dich mit diesem siwak geschlagen." Der siwak ist ein kleines Ästchen, das wegen seiner Fasern zum Zähneputzen verwendet wird. Man sieht also, was sich der Prophet (s.a.s.) unter Schlagen vorgestellt hat. Aus diesem Grund wird das Veb daraba (schlagen) mit "einen (leichten) Klaps geben" übersetzt.
Die Gelehrten bezeichnen dieses "Schlagen" als eine Art des "Wachrüttelns": Der Frau, die trotz Ermahnung und Meidung im Ehebett ihren Fehler nicht einsehen will, soll dadurch "aufgeweckt" werden und realisieren, daß sie tatsächlich ihre Ehe aufs Spiel setzt. Die Gelehrten raten auch davon ab, dieses letzte Mittel einzusetzen, wenn keine Aussicht auf Erfolg besteht, und stattdessen die Scheidung auszusprechen.
Man kann sich die Frage stellen, warum der Koran über dieses Thema überhaupt spricht. Der Grund liegt darin, daß dieses Phänomen zur Natur des Menschen (bzw. des Mannes) gehört, und wenn darüber nicht gesprochen wird, wird dem Schlagen nicht Einhalt geboten. Das Thema zu umgehen, wäre deshalb realitätsfremd.
Nach der Offenbarung dieser Aya dachten manche der muslimischen Männer, sie könnten ihre Frauen schlagen. Als der Prophet (s.a.s.) dies erfuhr sagte er: "Die Guten unter euch schlagen ihre Frauen nicht."
Eine Schwester unter den SeminarteilnehmerInnen stellte die Frage, wie sich eine Frau verhalten solle, die von ihrem Mann geschlagen wird. Die Antwort des Bruders Amir war, daß die Frau sich in einem solchen Fall zunächst an vertrauenswürdige Bekannte der Familie wenden soll, damit diese mit dem Mann reden. Wenn dies keinen Erfolg hat, kann sie ihren Mann wegen Körperverletzung anzeigen. Falls das Problem bestehen bleibt, sollte sie sich übelegen, ob sie diese Ehe wirklich fortsetzen will.
Eine neue und ausführliche Definition der Aya 4:34 (Word)
Die Stellung der Frau als Tochter
Zu diesem Punkt gibt es nicht zu viel zu sagen, denn eine Tochter soll genauso behandelt werden wie ein Sohn. Alle Geschenke, Taschengeld und ähnliches müssen Söhnen und Töchten gleichermaßen gegeben werden, niemand darf bevorzugt werden. Einmal kam ein Mann zum Propheten (s.a.s.) und bat darum, daß der Prophet (s.a.s.) Zeuge für eine Schenkung an seinen Sohn sein solle. Als der Prophete (s.a.s.) erfuhr, daß der Mann seinen übrigen Kindern nicht das gleiche schenken wollte, lehnte er die Zeugenschaft ab.
Die Sitten, die in manchen muslimischen Familien verbreitet sind, daß nämlich die Tochter den Sohn bedienen muß und ähnliche Dinge, haben mit dem Islam nichts zu tun.
Da sich viele Menschen über einen Sohn mehr freuen als über eine Tochter (der Sohn wird später Geld verdienen, er trägt unseren Namen, die Tochter heiratet später usw.), bezeichnet der Islam die Erziehung der Töchter als besonders verdienstvoll. Nach einem Hadith kann jemand, der drei Töchter gewissenhaft erzieht, sich auf den Lohn des Paradieses freuen. Der Prophet (s.a.s.) wurde daraufhin gefragt, ob dies auch für zwei Töchter gelte, was er bejahte. Auch die Frage, ob dies auch für eine Tochter gelte, wurde bejaht.
Pause (Mittag-Gebet, Essen)
2. Teil (ca. 13:30 - 14:30)
Die Frage nach der Gleichberechtigung/Gleichstellung
Wie bereits erwähnt, sind Männer und Frauen in ihrer Menschlichkeit absolut gleich. Ebenso sind sie gleich in ihrer Fähigkeit, Verpflichtung zu tragen und Rechte zu gewähren.
Die Unterscheidung, die in bestimmten Verpflichtungen getroffen wird, richtet sich nach der Eignung. Es wird danach gefragt, in welchen Bereichen die Frau und in welchen Bereichen der Mann mehr Eignung hat, Verantwortung zu übernehmen.
Die Zeugenschaft von Mann und Frau
Ein Vorwurf, der dem Islam oft gemacht wird, ist, daß die Zeugenaussage eines Mannes doppelt so viel zähle wie die einer Frau, und die Frau deshalb nur halb so viel wert sei wie der Mann.
Dazu muß folgendes gesagt werden:
Die Vorschrift, daß bei der Zeugenaussage einer Frau eine weitere Frau hinzugezogen werden soll, die die erste erinnern soll, findet sich im Koran im Zusammenhang mit der Zeugenschaft für Kaufverträge. Der Grund dafür liegt darin, daß die Frauen im allgemeinen in geschäftlichen Dingen weniger Erfahrungen haben als Männer (was nicht heißt, das es keine Ausnahmen gibt, aber man richtet sich nach dem Normalfall). Um die Frau vor einer Falschaussage zu schützen, soll ihre Aussage von einer zweiten abgesichert werden.
Auf den Einwand einer Schwester, daß heutzutage auch viele Frauen geschäftlich aktiv sind, entgegnete Amir Zaidan, daß trotz allem geschäftlich versierte Fraue eher die Ausnahme als die Regel darstellen. Einer muslimischen Frau ist es aber nicht verboten, ihren eigenen Geschäften nachzugehen. Die Frau hat im Islam seit 1400 Jahren die alleinige Verfügungsgewalt über ihr Vermögen und kann selbständig ihren Geschäften nachgehen, ein Recht, daß sich die Frauen in den westlichen Gesellschaften erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erstritten.
Prinzipiell richtet sich die Beurteilung der Zeugnisfähigkeit nach der Eignung. Wenn z.B. ein Mann in einem Mordfall Zeuge sein soll, von ihm aber bekannt ist, daß er lügt, wird er als Zeuge nicht zugelassen.
In anderen Angelegenheiten, die besonders Frauen betreffen, werden Frauen als die Erfahreneren angesehen, und die Aussage einer einzigen Frau reicht aus.
Ein wichtiger Fall, der zeigt, daß im Islam nicht die Aussage eines Mannes mehr gilt, weil er ein Mann ist, ist der Verfluchungsschwur (li'an):
Wenn ein Mann seine Frau wegen Ehebruch anklagt, und dafür keine weiteren Zeugen anbringen kann, [7] hat er die Möglichkeit, viermal zu schwören, daß er den Ehebruch wirklich gesehen hat, worauf ein fünfter Schwur folgt, bei dem er den Fluch Allahs auf sich selbst herabschwört für den Fall, daß er lügen sollte. Die Frau kann dann in der gleichen Weise viermal schwören, daß sie keinen Ehebruch begangen hat, und beim fünften Schwur den Fluch Allahs auf sich herabschwören für den Fall, daß sie gelogen hat.
In diesem Fall steht Aussage gegen Aussage, keiner Aussage wird aufgrund des Geschlechts des/der Aussagenden mehr Gewicht gegeben. Mann und Frau sind absolut gleichwertig.
Die Frau als Richterin, Mufti oder Staatsoberhaupt?
Nach der hanafitischen Rechtsschule kann eine Frau auch Mufti sein, d.h. sie kann auch eine fatwa (Rechtsgutachten) geben. Ebenso ist es nach der hanafitischen Rechtsschule möglich, daß sie Richterin ist, allerdings sind Mordangelegenheiten davon ausgeschlossen. Nach den anderen Rechtsschulen ist dies nicht möglich.
Nach allen vier Rechtsschulen kann die Frau kein Staatsoberhaupt sein. Dies liegt daran, daß das Staatsoberhaupt nach islamischem Verständnis auch gleichzeit der Imam (Vorbeter) ist. Eine Frau kann jedoch nicht für Männer Imam sein, nur für Frauen. Außerdem wird die Frau aufgrund ihrer körperlichen Eigenschaften als ungeeignet angesehen (Schwangerschaft, Menstruation etc.). Wichtig ist hier wiederum, daß sich diese Einschätzung nach der Eignung richtet und nicht beinhaltet, daß Männer grundsätzlich besser wären als Frauen.
Abgesehen von der Eignung für bestimmte Bereiche haben Männer und Frauen prinzipiell die gleichen Rechte und Pflichten:
- in Bezug auf die Ibada (gottesdienstliche Handlungen): Gebet, Zakat, Fasten und Hadsch sind für Männer wie für Frauen gleichermaßen verpflichtend, es gibt lediglich für Frauen bestimmte Erleichterungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Menstruation.
- in Bezug auf das Streben nach Wissen: Der Prophet (s.a.s.) sagte: "Das Streben nach Wissen ist Pflicht für jeden Muslim und jede Muslima." Der Prophet selbst (s.a.s.) hat einen Tag in der Woche auschließlich für Frauen reserviert, um ihnen Untericht in der Religion zu geben. (An den anderen Tagen waren Frauen auch anwesend, aber dieser Tag war nur für Frauen.)
- In der Moschee (Gebet, Predigt, Versammlungen) waren Frauen und Männer gleichermaßen anwesend. Die Männer standen (saßen) in den vorderen Reihen, die Frauen in den hinteren, damit sie sich nicht gegenseitig ablenkten. Amir Zaidan wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, daß eine Abtrennung zwischen Männer- und Frauenteil in der Zeit des Propheten nicht vorhanden war.
- Die Frau ist im Islam rechtsfähig und wirtschaftlich unabhängig (s.o.). (Amir Zaidan wies in diesem Zusammenhang auf den interessanten Fakt hin, daß in Deutschland bis in die 60er Jahre eine Genehmigung des Ehemannes nötig war, wenn eine Frau ein Konto eröffnen wollte.)
- Die Frau kann nicht zur Ehe gezwungen werden. Eine Ehe, die unter Zwang zustande kommt, ist nicht rechtskräftig.
- Die Frau kann eine Scheidung verlangen, auch wenn von Seiten des Mannes kein Fehlverhalten vorliegt. Nach einem Fall zur Zeit des Propheten (s.a.s.) gibt die Frau in diesem Fall die mahr (Brautgabe) an den Mann zurück.
- Eine Frau kann genau wie ein Mann Asyl gewähren. Das islamische Asylrecht unterscheidet sich vom deutschen darin, daß nicht der Staat, sondern die Einzelperson Asyl gewährt. Eine Frau zur Zeit des Propheten (s.a.s.) gewährte zwei Mekkanern Asyl, und war bereit, sie mit ihrem eigenen Leben vor Angriffen der Muslime zu schützen. Der Prophet (s.a.s.) bezeichnete ihre Handlungsweise ausdrücklich als richtig.
- Die Frau ist genau wie der Mann wahlberechigt. Als sich bei der Wahl des 3. Kalifen die Kandidaten auf niemanden einigen konnten, wurden alle Bewohner Medinas befragt, die Frauen ebenso wie die Männer.
Die Erbschaft
Ein weiterer "Beleg" dafür, daß die Frau im Islam "nur die Hälfte des Mannes wert ist", wird oft darin gesehen, daß die Frau nur halb so viel erbt wie der Mann.
Daß die Frau die Hälfte des Anteils des Mannes erbt, trifft jedoch nur in dem Fall zu, daß sie eine Tochter ist und (mindestens) einen Bruder hat. Es gibt andere Fälle, in denen die Frau genausoviel oder sogar mehr als der Mann erbt. So erben die Mutter und der Vater eines verstorbenen Sohnes oder einer verstorbenen Tochter gleich viel, dies ist auch der Fall, wenn es sich um Großmutter und Großvater handelt. Bei den Großeltern mütterlicherseits erbt die Großmutter, aber der Großvater nicht. Wenn jemand stirbt und Töchter hinterläßt, erbt auch seine Schwester, aber sein Bruder nicht.
Man sieht also, daß die Aussage "Die Frau erbt halb so viel wie der Mann" den Sachverhalt verkürzt.
Der Grund dafür, daß ein Sohn doppelt so viel erbt wie eine Tochter, liegt darin, daß er mehr finanzielle Verpflichtungen hat als seine Schwester. Was der Mann einnimmt muß er teilen - mit seiner Frau, seinen Kindern möglicherweise auch mit seinen Eltern, aber was die Frau einnimmt, gehört ihr allein. Sie hat keinerlei finanzielle Verpflichtungen.
Berichte über Frauen in der frühen Zeit des Islam
Zur Zeit des Propheten (s.a.s.) und der rechtgeleiteten Kalifen haben Frauen ihre Rechte eingeklagt, sie haben mitgeredet und am öffentlichen Leben teilgenommen. Dies zeigen verschiedene Hadithe. Drei Beispiele:
Einmal kam eine Frau zum Propheten (s.a.s.) und beklagte sich darüber, daß ihr Vater sie gegen ihren Willen mit ihrem Cousin verheiratet hatte. Der Prophet (s.a.s.) sagte ihr, daß sie die Ehe lösen könne, wenn sie dies wolle. Sie sagte daraufhin, daß sie mit der Wahl ihres Vaters einverstanden sei, aber sie wollte, daß die anderen Frauen sehen, daß sie nicht zur Ehe gezwungen werden können.
Während einer Ansprache in der Moschee trug der Kalif Umar (r.a.) ein Kleid, das aus Stoff gemacht war, der von einem Kriegszug als Beute mitgebracht worden war. Umar (r.a.) war sehr groß und der Stoff, der für sein Kleid benötigt wurde, war mehr als der Anteil, der jedem Muslim, der an dem Krieg teilgenommen hatte, zustand. Eine Frau sagte zu ihm: "Wir hören und gehorchen nicht, bis du uns sagst, wo du dieses Kleid her hast." Umar (r.a.) ließ daraufhin seinen Sohn holen und sagte zu ihm: "Berichte den Leuten!". Sein Sohn bestätigte, daß er seinen Anteil seinem Vater gegeben hatte, damit dieser sich ein Kleid daraus machen könne.
Als die Morgengabe (mahr) für die Braut zu einer Zeit immer höher wurde, so daß manche Männer es sich nicht leisten konnten zu heiraten, wollte der Kalif Umar (r.a.) die Höhe der mahr beschränken. Eine Frau aus dem Volk stand auf und sagte ihm, daß dies nicht sein Recht sei und zitierte einen entsprechenden Koranvers. Umar (r.a.) gab ihr Recht.
"Frieden!" - der Gruß eines barmherzigen Herrn.36:58
Nicht solch ein Ding ist die Welt, dass sie es wert wäre, sich um sie zu streiten. Frieden und Sicherheit beider Welten gewinnt man in der Auslegung zweier Worte: Mit seinen Freunden soll man in Freundlichkeit und Güte umgehen, seine Feinde aber mit der Bereitschaft behandeln, mit ihnen Frieden zu schließen.