DerThorag schrieb:Ich komme aus dem eher ländlichen Bereich und wenn sich jemand nirgends repräsentiert fühlt, sind das Ostdeutsche im ländlichen Raum.
Wie schon an anderer Stelle hier geschrieben, ist es für mich eher ein Stadt-Land-Problem als ein Ost-West-Problem. Es ist auffällig, dass die AfD gerade in ländlich geprägten Wahlkreisen am stärksten ist, wovon der Osten nun mal recht große Gebiete hat. Aber auch Inseln der Glückseligkeit wie Jena, Erfurt und Leipzig wackeln allmählich.
Und dennoch erhielt die AfD in den alten Bundesländern 70 % der Stimmen, was zwar daran liegt, dass dort deutlich mehr Menschen wohnen, aber die Zuwächse dennoch nicht wegzureden sind.
Für mich liegt's insb. am Wahlkampf. Ich kenne engagierte Kommunalpolitiker, die sich vor Ort mit den Sorgen der Menschen beschäftigen - mit der Folge, dass trotz hoher Zustimmungswerte für die jeweilige Landes- bzw. die Bundes-AfD die Partei selbst nur wenige Bürgermeister- und Landratsposten holt.
Aber statt großflächig auch finanziell im Wahlkampf von der Mutterpartei unterstützt zu werden, fällt die Beachtung eher mau aus. Schon 2019 wurde das kritisiert, 2025 las ich Ähnliches.
Aus Berlin hat sich schon lange keiner mehr im Erzgebirge blicken lassen. Sigmar Gabriel sei 2014 im Wahlkampf vorbeigekommen, das ist fünf Jahre her. "Ich schreibe mir die Finger wund", sagt Lang. Die Antwort sei immer ausweichend. Natürlich, gerade einmal 260 SPD-Mitglieder im gesamten großen Wahlkreis sind nichts, mit dem man Parteipromis leicht zur Anreise locken könnte. Aber Simone Lang findet, dass ein solcher Besuch auch "Wertschätzung" wäre für politisches Engagement auf schwierigem Gebiet.
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-04/ostdeutschland-spd-wahlkampf-afd-sachsen/seite-3Man überlässt den ländlichen Raum der AfD, Wahlkampf findet meist nur noch richtig in der (Groß-)Stadt statt.
DerThorag schrieb:Der MDR (!) ziehen während den Wahlen Experten von der CSU aus Bayern und irgend einen Heini aus Hessen den hiesigen Politikern vor.
Das fand ich auch seltsam damals. Man stelle sich vor, Bodo Ramelow kommentiert bei einer Runde im BR die Ergebnisse der CSU in der bayrischen Landtagswahl. Weird.
DerThorag schrieb:Dazu kommt noch der ländliche Aspekt. Auf dem Land kennt man Hinz und Kunz und Hinz und Kunz unterhalten sich auch über Politik. Diese einfachen Lösungen finden schneller Anklang.
Da kann ich mir auch an die eigene Nase fassen: Ich habe immer meine ehemaligen Mitschüler (wovon viele nicht AfD wählen) belächelt, die auf dem Dorf geblieben sind. Aber wenn die auch (wie ich) die Segel streichen würden, sähe es noch düsterer aus. Die dürfen sich jeden Tag mit kruden Diskussionen und Meinungen auseinandersetzen, während ich in meiner Blase eher meinen Blutdruck schone.
Ansonsten ist das eine komplexe Fragestellung, warum die AfD anteilig im Osten besser abschneidet. Für mich ist das nach wie vor ein Bildungsproblem, einhergehend damit, dass politische Strukturen und Prozesse nicht verstanden werden bzw. die Welt zunehmend komplexer wird. Ob da das Mittel der Wahl einfache Lösungen sind, finde ich aber auch fraglich. Was aber hilft: Reden, die Sache erklären. Ob da ein Philosophenkanzler wie Habeck, den ich von allen Kandidaten noch am sympathischsten fand, mit seiner Schachtelsatz-Argumentation die beste Wahl ist, sei jedoch dahingestellt.
Meine Generation (30-44 Jahre) sind mittlerweile die Hauptwähler der AfD, obwohl wir selbst die DDR nicht miterlebt haben, weshalb ich diesen DDR-Kitsch auch nicht nachvollziehen kann. Aber auch hier wäre Bildung in Form eines entsprechenden Geschichtsunterrichts wichtig gewesen. Das Thema spielte bei mir damals 3 Monate eine Rolle und das war's.
Es gab in meinem Elternhaus nie einen Zweifel daran, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Vielleicht würde ich auch anders denken, wenn meine Sozialisierung anders gelaufen würde. Aber dennoch kann man das Thema nicht auf "Ach die Ossis" reduzieren.