Die 737 MAX und ihre Probleme - Boeing geht über Leichen
15.03.2019 um 15:31Ich bin überrascht, dass ich noch keinen Thread zu diesem Thema hier gefunden habe.
Am 10. März 2019 sollte der Ethiopian-Airlines-Flug 302 vom Flughafen Addis Abeba in Äthiopien zum Flughafen Jomo Kenyatta International in Nairobi aufbrechen, kam dort jedoch nie an. Die Boeing 737 MAX 8 mit dem Kennzeichen ET-AVJ hatte nach 6 Minuten Flugzeit nur eine Höhe von 400m erreicht und stürtzte anschließend östlich der Stadt Bishoftu bei dem Dorf Boccan ab. 157 Menschen starben. Der Passagier-Jet war brandneu und hatte im Oktober 2018 seinen Erstflug. Nach ersten Auswertungen der Flight Recorder wurde bekanntgegeben, dass der verantwortliche Pilot direkt nach dem Start der Flugaufsicht massive Schwierigkeiten gemeldet hatte und um sofortige Notlandung bat. Die Flugaufsicht beobachtete außerdem eine äußerst merkwürdige Steigflugphase. So schwankte die in dieser Situation relevante vertikale Geschwindigkeit mehrmals zwischen einer Steigrate von 6 m/s und einer Sinkrate von 10m/s.
Der Fall besitzt große Parallelen zum Lion-Air-Flug 610, welcher vor vier Monaten ebenfalls mit einer Boeing 737 MAX 8 im gleichen Desaster endete. Dabei starben 189 Menschen, als das Flugzeug ins Meer vor die Insel Java stürzte. Auch hier gab es Unregelmäßigkeiten kurz nach dem Start. Die Maschine ging innerhalb von 6 Minuten abwechselnd in mehrere steile Sink- und Steilflüge über, der letzte Sinkflug endete dann im Absturz.
Das Baumuster der 737 MAX 8 wurde im Jahr 2017 erstmals in Dienst gestellt. Nach etwas mehr als einem Jahr sind damit schon zwei Totalverluste zu verzeichnen, eine ähnliche Situation ist in der Geschichte der zivilen Luftfahrt nicht bekannt. Aufgrund der großen Übereinstimmungen der zwei Abstürze haben sich dann auch nach und nach immer mehr nationale Flugaufsichtsbehörden dazu entschlossen, das Baumuster der 737 MAX 8 (und der baugleichen MAX 9) zu grounden bzw. einen Überflug im Luftraum zu verbieten.
Allein in Nordamerika hat sich die Situation zunächst anders gestaltet. Während die Maschinen weltweit am Boden waren durften sie in den USA und Kanada noch munter weiterfliegen. Verantwortlich dafür dürfte ein Telefon vom BOEING Chef Muilenberg mit Trump gewesen sein, in dem der Boeing Chef darum bat ein Flugverbot für seine Flugzeuge zu verhindern.
Im Anbetracht der Tatsache, dass mittlerweile stark davon ausgegangen wird, dass die Abstürze auf systembedingte Fehler in den Boeing Maschinen zurückzuführen sind, halte ich diese Bitte des Boeing Chefs für skandalös. Aber Hauptsache der Rubel rollt $$ ...
Die äthiopische Fluggesellschaft und Flugaufsichtsbehöre hat dann explizit die Forderung gestellt, dass der Flugunfall und die Flightrecorder durch europäische Behörden untersucht werden sollen. Bei der Vetternwirtschaft und Vertuscherei in den Staaten ist diese Forderung aber auch nicht weiter verwunderlich. Dort wäre man vermutlich auf den Schluss gekommen, dass die Besatzung aus dem "Shitholecountry" (Zitat Trump) Äthiopien schlicht zu schlecht ausgebildet war und das Unglück auf einen Pilotenfehler zurückzuführen ist. Aus diesem Aspekt gesehen bin ich wirklich froh, dass die Untersuchung jetzt federführend durch die französische Flugaufsichtsbehörde BEA durchgeführt wird.
Am interessantesten ist aber, wie es zu dieser Situation überhaupt kommen konnte. Der Markt in dem Segment der Kurz- und Mittelstreckenmaschinen ist hart umkämpft. Hier werden mit Abstand die höchsten Stückzahlen an neuen Passagiermaschinen verkauft und die entsprechenden Flugzeugmodelle sind sozusagen die Arbeitspferde, die die Flugzeugbauer am Leben halten. Airbus hat in diesem Segment 2010 mit der Renovierung der A320 Familie und allen voran mit dem A320neo massiv vorgelegt. Durch den Einsatz neuer Triebwerksgenerationen hat Airbus eine beachtliche Reduzierung an Kerosinverbrauch und CO2 Emissionen erreicht, was die Betriebskosten für die Fluggesellschaften entsprechend senkt. Die Nachfrage ist dementsprechend groß und so hat Airbus in den letzten Jahren hier einige Marktanteile von Boeing abgraben können.
Boeing hatte in diesem Segment lediglich die in die Jahre gekommene 737 entgegenzusetzen. Deren Erstflug fand im Jahre 1967 statt, ist damit schon einige Jahrzehnte her und das Flugzeug hat seitdem nur einige Updates bekommen. Da eine Neuentwicklung Kosten bis in zweistellige Milliardenbeträge mit sich bringt, hat man sich dann wieder dafür entschieden, das alte Modell mit einer weiteren Anpassung noch länger am Leben zu halten. Das Ergebnis sind die jetzt in den Medien ständig zu hörenden MAX Versionen der 737. Hauptunterschied sind die inzwischen deutlich effizienteren Triebwerke, die aber auch einen deutlich größeren Durchmesser aufweisen. Für diese ist das sonstige Design der 737 aber nicht ausgelegt und die Triebwerke haben schlichtweg nicht am bisherigen Platz unter die Tragflächen gepasst. Deswegen hat man sie weiter nach innen Richtung Rumpf und weitere vorne am Flügel befestigt.
Dadurch hat sich aber natürlich auch der komplette Schwerpunkt der Maschine verschoben, weshalb eine solch nachträgliche Anpassung als kritisch angesehen werden kann. In bestimmten Flugsituationen, bei denen die Trimmung der Klappen hohe Werte erreicht, weist die 737 MAX 8/9 deswegen ein instabiles Flugverhalten auf, was bei einer Passagiermaschine nicht toleriert werden kann und auch ansonsten nur bei sehr wenigen sehr hochentwickelten Militärjets vorzufinden ist. Und so kommt man jetzt zum Kern des ganzen Problems, dem MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System), mit dem Boeing versucht, das instabile Flugverhalten zu kaschieren.
Das System soll die unerwünschten Nebeneffekte des neuen Systems automatisch und ohne Zutun der Piloten ausgleichen. Wenn ein Sensor einen zu hohen Anstellwinkel registriert, übernimmt das System automatisch die Kontrolle über die Höhenruder des Flugzeugs und drückt somit die Nase der Maschine nach unten. Damit besitzt das MCAS System die Fähigkeit, massiv in die Flugsteuerung einzugreifen. Kritisch wird es dann, wenn die Piloten nicht einschätzen können, ob das MCAS aktiviert oder deaktiviert ist bzw. ob der Sensor für den Anstellwinkel eine Fehlfunktion aufweist. Und genau darin vermutet man die Ursache der zwei bisherigen Abstürze.
Hier ist das MCAS ganz gut beschrieben:
https://www.srf.ch/news/international/absturz-von-boeing-737-max-8-infografik-sicherheitssystem-als-sicherheitsrisiko
Obwohl das MCAS in den MAX Versionen der 737 eine solch elementare Rolle übernimmt hatte Boeing die Existenz des MCAS-Systems – und dessen mögliche Fehlfunktionen – aber bewusst verschwiegen. So sollte die Umschulung der Piloten vom bisherigen Modell auf die MAX-Baureihen vereinfacht werden. Nach Angaben von Piloten wurde MCAS nicht einmal in den Handbüchern erwähnt.
https://www.seattletimes.com/business/boeing-aerospace/u-s-pilots-flying-737-max-werent-told-about-new-automatic-systems-change-linked-to-lion-air-crash/
Das alles hat gewisse Parallelen zum Betrugsskandal von VW. Aber wenn die Vermutungen hier zutreffen, dann übersteigt das meiner Meinung nach die Dreistigkeit von Volkswagen nochmal um einiges. Getrieben durch die Konkurrenz braucht Boeing ein neues Produkt, ist aber gleichzeitig zu geizig ein komplett neues Modell zu entwickeln. Also nimmt man das bisherige Modell, passt das entsprechend günstig an und die daraus resultierenden Nebenwirkungen sollen einfach per Software Update kaschiert werden. Allerdings hat man diesen Wahnsinn auf Kosten der Sicherheit betrieben, was in diesem Fall bereits 346 Menschen das Leben gekostet hat.
Was haltet ihr davon?
Am 10. März 2019 sollte der Ethiopian-Airlines-Flug 302 vom Flughafen Addis Abeba in Äthiopien zum Flughafen Jomo Kenyatta International in Nairobi aufbrechen, kam dort jedoch nie an. Die Boeing 737 MAX 8 mit dem Kennzeichen ET-AVJ hatte nach 6 Minuten Flugzeit nur eine Höhe von 400m erreicht und stürtzte anschließend östlich der Stadt Bishoftu bei dem Dorf Boccan ab. 157 Menschen starben. Der Passagier-Jet war brandneu und hatte im Oktober 2018 seinen Erstflug. Nach ersten Auswertungen der Flight Recorder wurde bekanntgegeben, dass der verantwortliche Pilot direkt nach dem Start der Flugaufsicht massive Schwierigkeiten gemeldet hatte und um sofortige Notlandung bat. Die Flugaufsicht beobachtete außerdem eine äußerst merkwürdige Steigflugphase. So schwankte die in dieser Situation relevante vertikale Geschwindigkeit mehrmals zwischen einer Steigrate von 6 m/s und einer Sinkrate von 10m/s.
Der Fall besitzt große Parallelen zum Lion-Air-Flug 610, welcher vor vier Monaten ebenfalls mit einer Boeing 737 MAX 8 im gleichen Desaster endete. Dabei starben 189 Menschen, als das Flugzeug ins Meer vor die Insel Java stürzte. Auch hier gab es Unregelmäßigkeiten kurz nach dem Start. Die Maschine ging innerhalb von 6 Minuten abwechselnd in mehrere steile Sink- und Steilflüge über, der letzte Sinkflug endete dann im Absturz.
Das Baumuster der 737 MAX 8 wurde im Jahr 2017 erstmals in Dienst gestellt. Nach etwas mehr als einem Jahr sind damit schon zwei Totalverluste zu verzeichnen, eine ähnliche Situation ist in der Geschichte der zivilen Luftfahrt nicht bekannt. Aufgrund der großen Übereinstimmungen der zwei Abstürze haben sich dann auch nach und nach immer mehr nationale Flugaufsichtsbehörden dazu entschlossen, das Baumuster der 737 MAX 8 (und der baugleichen MAX 9) zu grounden bzw. einen Überflug im Luftraum zu verbieten.
Allein in Nordamerika hat sich die Situation zunächst anders gestaltet. Während die Maschinen weltweit am Boden waren durften sie in den USA und Kanada noch munter weiterfliegen. Verantwortlich dafür dürfte ein Telefon vom BOEING Chef Muilenberg mit Trump gewesen sein, in dem der Boeing Chef darum bat ein Flugverbot für seine Flugzeuge zu verhindern.
Anders als in vielen anderen Ländern darf die Boeing 737 Max 8 in Amerika weiter fliegen. Boeing-Chef Muilenburg soll deswegen mit Präsident Trump telefoniert haben. Die erste Fluglinie fordert derweil Schadenersatz.https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/flugverbote-boeing-chef-soll-mit-donald-trump-telefoniert-haben-16086168.html
Im Anbetracht der Tatsache, dass mittlerweile stark davon ausgegangen wird, dass die Abstürze auf systembedingte Fehler in den Boeing Maschinen zurückzuführen sind, halte ich diese Bitte des Boeing Chefs für skandalös. Aber Hauptsache der Rubel rollt $$ ...
Die äthiopische Fluggesellschaft und Flugaufsichtsbehöre hat dann explizit die Forderung gestellt, dass der Flugunfall und die Flightrecorder durch europäische Behörden untersucht werden sollen. Bei der Vetternwirtschaft und Vertuscherei in den Staaten ist diese Forderung aber auch nicht weiter verwunderlich. Dort wäre man vermutlich auf den Schluss gekommen, dass die Besatzung aus dem "Shitholecountry" (Zitat Trump) Äthiopien schlicht zu schlecht ausgebildet war und das Unglück auf einen Pilotenfehler zurückzuführen ist. Aus diesem Aspekt gesehen bin ich wirklich froh, dass die Untersuchung jetzt federführend durch die französische Flugaufsichtsbehörde BEA durchgeführt wird.
Am interessantesten ist aber, wie es zu dieser Situation überhaupt kommen konnte. Der Markt in dem Segment der Kurz- und Mittelstreckenmaschinen ist hart umkämpft. Hier werden mit Abstand die höchsten Stückzahlen an neuen Passagiermaschinen verkauft und die entsprechenden Flugzeugmodelle sind sozusagen die Arbeitspferde, die die Flugzeugbauer am Leben halten. Airbus hat in diesem Segment 2010 mit der Renovierung der A320 Familie und allen voran mit dem A320neo massiv vorgelegt. Durch den Einsatz neuer Triebwerksgenerationen hat Airbus eine beachtliche Reduzierung an Kerosinverbrauch und CO2 Emissionen erreicht, was die Betriebskosten für die Fluggesellschaften entsprechend senkt. Die Nachfrage ist dementsprechend groß und so hat Airbus in den letzten Jahren hier einige Marktanteile von Boeing abgraben können.
Boeing hatte in diesem Segment lediglich die in die Jahre gekommene 737 entgegenzusetzen. Deren Erstflug fand im Jahre 1967 statt, ist damit schon einige Jahrzehnte her und das Flugzeug hat seitdem nur einige Updates bekommen. Da eine Neuentwicklung Kosten bis in zweistellige Milliardenbeträge mit sich bringt, hat man sich dann wieder dafür entschieden, das alte Modell mit einer weiteren Anpassung noch länger am Leben zu halten. Das Ergebnis sind die jetzt in den Medien ständig zu hörenden MAX Versionen der 737. Hauptunterschied sind die inzwischen deutlich effizienteren Triebwerke, die aber auch einen deutlich größeren Durchmesser aufweisen. Für diese ist das sonstige Design der 737 aber nicht ausgelegt und die Triebwerke haben schlichtweg nicht am bisherigen Platz unter die Tragflächen gepasst. Deswegen hat man sie weiter nach innen Richtung Rumpf und weitere vorne am Flügel befestigt.
Dadurch hat sich aber natürlich auch der komplette Schwerpunkt der Maschine verschoben, weshalb eine solch nachträgliche Anpassung als kritisch angesehen werden kann. In bestimmten Flugsituationen, bei denen die Trimmung der Klappen hohe Werte erreicht, weist die 737 MAX 8/9 deswegen ein instabiles Flugverhalten auf, was bei einer Passagiermaschine nicht toleriert werden kann und auch ansonsten nur bei sehr wenigen sehr hochentwickelten Militärjets vorzufinden ist. Und so kommt man jetzt zum Kern des ganzen Problems, dem MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System), mit dem Boeing versucht, das instabile Flugverhalten zu kaschieren.
Das System soll die unerwünschten Nebeneffekte des neuen Systems automatisch und ohne Zutun der Piloten ausgleichen. Wenn ein Sensor einen zu hohen Anstellwinkel registriert, übernimmt das System automatisch die Kontrolle über die Höhenruder des Flugzeugs und drückt somit die Nase der Maschine nach unten. Damit besitzt das MCAS System die Fähigkeit, massiv in die Flugsteuerung einzugreifen. Kritisch wird es dann, wenn die Piloten nicht einschätzen können, ob das MCAS aktiviert oder deaktiviert ist bzw. ob der Sensor für den Anstellwinkel eine Fehlfunktion aufweist. Und genau darin vermutet man die Ursache der zwei bisherigen Abstürze.
Hier ist das MCAS ganz gut beschrieben:
https://www.srf.ch/news/international/absturz-von-boeing-737-max-8-infografik-sicherheitssystem-als-sicherheitsrisiko
Obwohl das MCAS in den MAX Versionen der 737 eine solch elementare Rolle übernimmt hatte Boeing die Existenz des MCAS-Systems – und dessen mögliche Fehlfunktionen – aber bewusst verschwiegen. So sollte die Umschulung der Piloten vom bisherigen Modell auf die MAX-Baureihen vereinfacht werden. Nach Angaben von Piloten wurde MCAS nicht einmal in den Handbüchern erwähnt.
https://www.seattletimes.com/business/boeing-aerospace/u-s-pilots-flying-737-max-werent-told-about-new-automatic-systems-change-linked-to-lion-air-crash/
Das alles hat gewisse Parallelen zum Betrugsskandal von VW. Aber wenn die Vermutungen hier zutreffen, dann übersteigt das meiner Meinung nach die Dreistigkeit von Volkswagen nochmal um einiges. Getrieben durch die Konkurrenz braucht Boeing ein neues Produkt, ist aber gleichzeitig zu geizig ein komplett neues Modell zu entwickeln. Also nimmt man das bisherige Modell, passt das entsprechend günstig an und die daraus resultierenden Nebenwirkungen sollen einfach per Software Update kaschiert werden. Allerdings hat man diesen Wahnsinn auf Kosten der Sicherheit betrieben, was in diesem Fall bereits 346 Menschen das Leben gekostet hat.
Was haltet ihr davon?