Robert Lloyd Schellenberg
15.01.2019 um 19:16Hallo
ich würde an dieser Stelle gerne über den Fall Robert Lloyd Schellenberg diskutieren. Es handelt sich dabei eigentlich um einen Kriminalfall, der jedoch derzeit die politischen Beziehungen zwischen Kanada und China erheblich belastet und es spricht einiges dafür, dass die Behandlung des Falles auch eine wesentliche politische Komponente hat.
Schellenberg ist ein Kanadier, geboren 1982 in Abbotsford, British Columbia.
Zwischen 2001 und 2011 kam er wiederholt in Kanada mit dem Gesetz in Konflikt. Die Online Datenbank von British Columbia über Verurteilungen listet 13 Verurteilungen auf, 2001 startend mit einem Rotlichtverstoss und danach viermal wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis, 2009 dann einmal wegen Fahren unter Alkoholeinfluss, dann aber zwischen 2009 und 2011 auch vier Verurteilungen wegen Drogenhandel ("Possession for the purpose of trafficking "), 2 davon Haftstrafen. Noch in der Bewährungszeit nach der ersten Haftstrafe fiel er wieder auf, so wurde er für vier Fälle von Drogenhandel zu insgesamt 2 Jahren Haft verurteilt, wurde dann nach 16 Monaten etwa Mitte 2013 entlassen. Nach Aussage des damaligen Richters war Schellenberg zu diesem Zeitpunkt tablettenabhängig.
Im Anschluss arbeitete er einige Zeit auf einem Ölfeld, wo er auf legale Weise gutes Geld verdiente und sich davon Fernreisen, insbesondere nach Asien, leistete.
2014 reiste Schellenberg dann als Tourist nach China. Er hielt sich in Dalian auf. Dort soll er beteiligt gewesen sein daran, den Schmuggel von 227kg (!) Methamphetamin, versteckt in Plastikpellets in einem Container mit Reifen vorbereitet zu haben. Die Polizei bekam durch einen Informanten davon Wind. Zwei chinesische Komplizen wurden vor Ort festgenommen, Schellenberg versuchte zu flüchten und wurde einige Tage später bei dem Versuch, von Guangzhou auf dem Landweg nach Hongkong auszureisen festgenommen.
Einer der beiden festgenommenen Komplizen nahm dann eine Art "Kronzeugenregelung" in Anspruch, Xu Qing sagte umfassend aus und wurde daher nur zu lebenslänglich verurteilt, während der andere Komplize Todesstrafe auf Bewährung bekam (auf das Konzept komme ich weiter unten nochmal).
Nach 15 Monaten U-Haft begann dann der Prozess gegen Schellenberg. Dieser bestritt darin nicht grundsätzlich seine Beteiligung, bestritt jedoch die Rolle, die er laut Aussage von Xu Qing hatte, behauptete, Xu Qing habe ihn nur deshalb so schwer belastet, um dessen eigenen Beitrag weniger bedeutend aussehen zu lassen.
Schlussendlich wurde Schellenberg dann zu 15 Jahren Haft und 150.000 RMB Geldstrafe verurteilt.
Erstaunlicherweise (warum erstaunlich, darauf gehe ich weiter unten ein) ging Schellenberg gegen dieses Urteil in Berufung, während die Staatsanwaltschaft das Urteil akzeptierte. Nun gibt es in China kein "Verschlechterungsverbot", das Berufungsgericht würdigt den Sachverhalt unabhängig neu und kann dann zu einem milderen, aber auch zu einem schärferen Urteil kommen.
In diesem Fall nun kam das Gericht zu einem deutlich schärferen Urteil, nämlich zur Todesstrafe ohne (!) Bewährung.
Dazu sei erläutert, was Bewährung bei Todesstrafe bedeutet: in China wird bei einer Verurteilung zum Tode sehr oft gleichzeitig vom Gericht die Ausführung der Exekution für zwei Jahre ausgesetzt. Der Verurteilte kommt dann in den normalen Strafvollzug und nach zwei Jahren wird erneut geprüft. Bei guter Führung wird die Todesstrafe dann in lebenslängliche oder sogar zeitbegrenzte Haft umgewandelt. Gemäß Dui-Hua-Stiftung (eine amerikanische Stiftung, die sich für humanitäre Haftbedingungen in China einsetzt, also über den Verdacht des Beschönigens erhaben sein dürfte) werden rund 99% der entsprechenden Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt und ein signifikanter Anteil der Verurteilten kommt sogar noch wieder aus der Haft raus, im Durchschnitt nach 18 Jahren Haft.
Im Gegensatz dazu bedeutet Todesstrafe ohne Bewährung, dass das Urteil jederzeit vollstreckt werden kann.
In der kanadischen Politik hat dieses Urteil Protest hervorgerufen. Prime Minister Justin Trudeau verurteilte dies und verstieg sich gar zur Behauptung, "that China has chosen to begin to arbitrarily apply the death penalty", also dass China die Todesstrafe "willkürlich" anwende.
Dies wiederum rief Protest aus China hervor, die Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums Hua Chunying warf Kanada "double-standards" vor, wenn Kanada von China erwarte, für Ausländer mildere Urteile zu sprechen, als sie das chinesische Recht im Allgemeinen vorsehe.
Das ganze spielt sich natürlich vor dem Hintergrund der Festnahme der Huawei Managerin und Tochter des Huawei Gründers Meng Wanzhou auf Veranlassung der USA in Vancouver am 1. Dezember letzten Jahres ab, sie befindet sich seither unter Hausarrest, bis über eine Auslieferung an die USA oder eine Freilassung entschieden ist. Dies hatte bereits zu gegenseitigen Beschuldigungen und Drohungen zwischen Kanada und China geführt.
Kanada wirft China nun natürlich vor, hier ein politisches Urteil gefällt zu haben, um Kanada unter Druck zu setzen, Meng Wanzhou nicht an die USA auszuliefern.
Noch ein paar weiterführende Links:
https://www.bbc.com/news/world-asia-china-46875807
https://www.bbc.com/news/world-asia-china-46874922
https://www.tagesspiegel.de/politik/todesurteil-gegen-kanadier-in-china-diplomatie-mit-geiseln/23864864.html
CSO Liste Verurteilungen von Schellenberg kann man hier finden https://justice.gov.bc.ca/cso/criminal/searchAccusedResult.do?serviceId=50881517
Soweit erstmal der Sachverhalt, meine eigene Einschätzung trenne ich mal ab und schreibe in einen zweiten Beitrag.
ich würde an dieser Stelle gerne über den Fall Robert Lloyd Schellenberg diskutieren. Es handelt sich dabei eigentlich um einen Kriminalfall, der jedoch derzeit die politischen Beziehungen zwischen Kanada und China erheblich belastet und es spricht einiges dafür, dass die Behandlung des Falles auch eine wesentliche politische Komponente hat.
Schellenberg ist ein Kanadier, geboren 1982 in Abbotsford, British Columbia.
Zwischen 2001 und 2011 kam er wiederholt in Kanada mit dem Gesetz in Konflikt. Die Online Datenbank von British Columbia über Verurteilungen listet 13 Verurteilungen auf, 2001 startend mit einem Rotlichtverstoss und danach viermal wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis, 2009 dann einmal wegen Fahren unter Alkoholeinfluss, dann aber zwischen 2009 und 2011 auch vier Verurteilungen wegen Drogenhandel ("Possession for the purpose of trafficking "), 2 davon Haftstrafen. Noch in der Bewährungszeit nach der ersten Haftstrafe fiel er wieder auf, so wurde er für vier Fälle von Drogenhandel zu insgesamt 2 Jahren Haft verurteilt, wurde dann nach 16 Monaten etwa Mitte 2013 entlassen. Nach Aussage des damaligen Richters war Schellenberg zu diesem Zeitpunkt tablettenabhängig.
Im Anschluss arbeitete er einige Zeit auf einem Ölfeld, wo er auf legale Weise gutes Geld verdiente und sich davon Fernreisen, insbesondere nach Asien, leistete.
2014 reiste Schellenberg dann als Tourist nach China. Er hielt sich in Dalian auf. Dort soll er beteiligt gewesen sein daran, den Schmuggel von 227kg (!) Methamphetamin, versteckt in Plastikpellets in einem Container mit Reifen vorbereitet zu haben. Die Polizei bekam durch einen Informanten davon Wind. Zwei chinesische Komplizen wurden vor Ort festgenommen, Schellenberg versuchte zu flüchten und wurde einige Tage später bei dem Versuch, von Guangzhou auf dem Landweg nach Hongkong auszureisen festgenommen.
Einer der beiden festgenommenen Komplizen nahm dann eine Art "Kronzeugenregelung" in Anspruch, Xu Qing sagte umfassend aus und wurde daher nur zu lebenslänglich verurteilt, während der andere Komplize Todesstrafe auf Bewährung bekam (auf das Konzept komme ich weiter unten nochmal).
Nach 15 Monaten U-Haft begann dann der Prozess gegen Schellenberg. Dieser bestritt darin nicht grundsätzlich seine Beteiligung, bestritt jedoch die Rolle, die er laut Aussage von Xu Qing hatte, behauptete, Xu Qing habe ihn nur deshalb so schwer belastet, um dessen eigenen Beitrag weniger bedeutend aussehen zu lassen.
Schlussendlich wurde Schellenberg dann zu 15 Jahren Haft und 150.000 RMB Geldstrafe verurteilt.
Erstaunlicherweise (warum erstaunlich, darauf gehe ich weiter unten ein) ging Schellenberg gegen dieses Urteil in Berufung, während die Staatsanwaltschaft das Urteil akzeptierte. Nun gibt es in China kein "Verschlechterungsverbot", das Berufungsgericht würdigt den Sachverhalt unabhängig neu und kann dann zu einem milderen, aber auch zu einem schärferen Urteil kommen.
In diesem Fall nun kam das Gericht zu einem deutlich schärferen Urteil, nämlich zur Todesstrafe ohne (!) Bewährung.
Dazu sei erläutert, was Bewährung bei Todesstrafe bedeutet: in China wird bei einer Verurteilung zum Tode sehr oft gleichzeitig vom Gericht die Ausführung der Exekution für zwei Jahre ausgesetzt. Der Verurteilte kommt dann in den normalen Strafvollzug und nach zwei Jahren wird erneut geprüft. Bei guter Führung wird die Todesstrafe dann in lebenslängliche oder sogar zeitbegrenzte Haft umgewandelt. Gemäß Dui-Hua-Stiftung (eine amerikanische Stiftung, die sich für humanitäre Haftbedingungen in China einsetzt, also über den Verdacht des Beschönigens erhaben sein dürfte) werden rund 99% der entsprechenden Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt und ein signifikanter Anteil der Verurteilten kommt sogar noch wieder aus der Haft raus, im Durchschnitt nach 18 Jahren Haft.
Im Gegensatz dazu bedeutet Todesstrafe ohne Bewährung, dass das Urteil jederzeit vollstreckt werden kann.
In der kanadischen Politik hat dieses Urteil Protest hervorgerufen. Prime Minister Justin Trudeau verurteilte dies und verstieg sich gar zur Behauptung, "that China has chosen to begin to arbitrarily apply the death penalty", also dass China die Todesstrafe "willkürlich" anwende.
Dies wiederum rief Protest aus China hervor, die Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums Hua Chunying warf Kanada "double-standards" vor, wenn Kanada von China erwarte, für Ausländer mildere Urteile zu sprechen, als sie das chinesische Recht im Allgemeinen vorsehe.
Das ganze spielt sich natürlich vor dem Hintergrund der Festnahme der Huawei Managerin und Tochter des Huawei Gründers Meng Wanzhou auf Veranlassung der USA in Vancouver am 1. Dezember letzten Jahres ab, sie befindet sich seither unter Hausarrest, bis über eine Auslieferung an die USA oder eine Freilassung entschieden ist. Dies hatte bereits zu gegenseitigen Beschuldigungen und Drohungen zwischen Kanada und China geführt.
Kanada wirft China nun natürlich vor, hier ein politisches Urteil gefällt zu haben, um Kanada unter Druck zu setzen, Meng Wanzhou nicht an die USA auszuliefern.
Noch ein paar weiterführende Links:
https://www.bbc.com/news/world-asia-china-46875807
https://www.bbc.com/news/world-asia-china-46874922
https://www.tagesspiegel.de/politik/todesurteil-gegen-kanadier-in-china-diplomatie-mit-geiseln/23864864.html
CSO Liste Verurteilungen von Schellenberg kann man hier finden https://justice.gov.bc.ca/cso/criminal/searchAccusedResult.do?serviceId=50881517
Soweit erstmal der Sachverhalt, meine eigene Einschätzung trenne ich mal ab und schreibe in einen zweiten Beitrag.