Gwyddion schrieb:Ich meine... das die Schulklassen viel zu groß sind, das es zu wenig Lehrer gibt ( Stellen wurden abgebaut und Klassen vergrößert ), das die Motivation der heutigen Schülergeneration eher im übersichtlichen Bereich liegt. Überhaupt das unser Schulsystem im Vergleich zu anderen Ländern gewaltig hinterher hinkt.
Ich arbeite an einer Schule - das Problem ist das "problematische bildungsferne Klientel" - sehr überspitzt gesagt. Du kannst im Juli die Materialliste für das kommende Schuljahr ausgeben - im September bei Schulbeginn ist sie verschwunden (auch, wenn du sie per Email verschickst). Bis dann alle Hefte gekauft sind, ist es Oktober - wichtige Heftaufschriebe (z.B.Mathe), die ins Regelheft gehören, wurden so lange auf Fresszettel geschrieben und sind nicht mehr auffindbar. Überhaupt ist Schultasche packen etwas, was viele Schüler nicht mehr beherrschen.
Freizeitgestaltung ist auch so ein Stichwort: Wir haben viele deutsche Kinder, die ein Vokabular wie eine Streichholzschachtel haben und z.B. das Präteritum nicht bilden können, also "ruften" statt "riefen" sagen. Die kennen nur ihren Kiez und daheim nur die Playstation. Auch kostenfreie Bildungsangebote werden nicht wahrgenommen. Da du als Lehrer nicht alle zwei Minuten einen interessanten Impuls setzen kannst, verpennen die den Unterricht und können auch keine Verknüfungen herstellen.
Eltern: Viele Eltern führen ein distanziertes WG Leben, sehen die Kinder aufgrund des Schichtdienstes nur unregelmäßig oder leben in ihrer eigenen Welt. Bei Hartz 4 Eltern ist es oft so, dass sie Berufsausbildungen schlecht reden, vermutlich auch, weil sie Angst haben, dass das Kind das schafft, an dem sie gescheitert sind. Oder sie haben sich im Hartz 4 eingefunden und finden einen Beruf wirklich unnötig.
Selbstüberschätzung. Wir haben Schüler, die nur 4er haben, aber als Berufswunsch Arzt oder Unternehmensberater haben. Wird ihnen eine Lehre vorgeschlagen (und darauf hingewiesen, dass die Noten eine solche eigentlich ausschließen) glauben sie das nicht - bis sie als Einzelhandelskaufmann in der Gemüseabteilung von Kaufland landen und dort lernen, eine Gurke von Petersilie zu unterscheiden "alles grün". Oft brechen sie die Lehren wieder ab. "Voll krass stressig, Alta".
Fehlzeiten: Wir haben Klassen, da fehlen am Tag 3-5 Schüler - fadenscheinig entschuldigt. Bei Mathematikklassenarbeiten auch mal 10 oder 12. Der verpasste Stoff wird nie nachgeholt. Oder man kommt morgens einfach gewohnheitsmäßig zu spät - wenn der Bus so doof fährt. Man fehlt wegen jedem Husten eine Woche. Oder einem ist ständig schlecht, weil man fast nichts isst (Hit bei den Mädchen).
Elternabende: Hier kommen mitunter fünf Eltern von 30 Schülern. Und das sind die Eltern der 1er und 2er Schüler um sich Probleme anzuhören, die ihre Kinder gar nicht betreffen. Wenn du auf einer mehrtägigen Klassenfahrt warst, dann bedanken sich vielleicht noch drei von 30 Eltern und hören, ob es Probleme gab. Der Rest motzt dich an, warum die Klasse ins Museum musste, obwohl der tolle Primark daneben war oder der Großteil kann seelenruhig drei Meter entfernt das Kind abholen - da gibt es keinen Gruß oder überhaupt Augenkontakt.
Fristen: Egal, wie oft das Arbeitsamt durch die Klassen oder die (schlecht besuchten) Elternabende geht - es gibt immer Schüler, die die Bewerbungsfrist für die weiterführende Schule verschnarchen oder sich nur fürs Gymnasium anmelden, obwohl die Noten nur für die Berufsschule reichen. Dann schaut man doof, wenn einem klar wird, dass man das nicht hinbekommen hat.
Motivation: Bei meiner 10. Klasse (Prüfung in sechs Wochen) macht nur die Hälfte die Hausaufgaben.
Gwyddion schrieb:Ich habe meinen Weg sogar mit Hauptschulabschluß im Leben gemacht ( höhere Schulen waren Krankheitsbedingt nicht möglich ).
Ich habe viele Freunde, die den Weg gingen - ich wage mal zu behaupten, dass das Niveau in allen drei Schularten dramatisch gesunken ist ... Es verschiebt sich alles ... Der Hauptschulabschluss ist auch deshalb so wenig wert, weil die Anforderungen so weit gesunken sind, dass wir schon Schüler hatten, die den unvorbereitet mit Bestnoten bestanden haben.
Nun aber noch zum Fachkräftemangel - meine eigene Tochter ist dieses Jahr mit der Schule fertig (schon im Juni), wird zwar eine weiterführende Schule besuchen, versucht aber gerade Praktika zu organisieren, damit sie nicht drei Monate tatenlos daheim herumsitzt ... dazu schreibt sie die Ausbildungsbetriebe an, die sie sich so überlegt hat ... von 10 Bewerbungen gab es nun acht Absagen, da man kein Praktikum anbietet, weil sie ja weiterhin Schule macht und der Horizont "möchte Ausbildung 2020 beginnen" zu groß ist ... da wäre doch (meiner Meinung nach) die Chance, sich einen Lehrling zu angeln und an den Betrieb zu binden.
Ihre Freundin war nicht sicher, ob sie in die Altenpflege oder die Krankenpflege möchte. Da sollte man meinen, rennt sie offene Türen ein. Sie war eine Woche im Altersheim (das Mädel ist 15) und ihr erster Job am ersten Tag war, die Hand einer sterbenden Frau zu halten. Klar sterben Leute im Altersheim, aber jemanden das unvorbereitet machen zu lassen ... sie ging dann nicht mehr hin, weil sie das Erlebnis entsetzlich abgeschreckt hat. Dann ging es ins Krankenhaus. Sie bekam eine Woche auf der Urologie (sie ist 15, hatte noch nie einen nackten Mann gesehen), weil sich die Station entsetzlich verkrachte und ein Mediator ran musste, kam sie die restliche Woche auf der Inneren unter ... und hat nun beschlossen, dass Krankenpflege so gar nichts für sie ist. Man kann sich interessierte Leute auch bewusst vergraulen.