Völkermord: Herero und Nama verklagen Deutschland
09.01.2017 um 17:25Philipp schrieb:Soviel zu der Behauptung "die Kolonie hätte sich eh nicht gerechnet"... würde gerne wissen, woher diese Behauptung überhaupt stammt. Ist sicher viel Statistikschieberei nötig, um das guten Gewissens sagen zu können.Für das Deutsche Reich nicht.
Wirtschaftlich gesehen waren die deutschen Kolonien ein Verlustgeschäft. Lediglich die kleinsten und wirtschaftlich unbedeutendsten Kolonien Samoa und Togo erwirtschafteten in den letzten Jahren der deutschen Herrschaft einen geringen Überschuss.[85] Alle anderen Kolonien hatten gegenüber dem Reich eine passive Handelsbilanz, das heißt der Wert der Güter, die aus Deutschland in diese Kolonien geliefert wurden (Konsumgüter für die Deutschen in den Kolonien, Textilien, Metallwaren, Alkohol und Waffen zum Tauschhandel mit der indigenen Bevölkerung, Investitionsgüter zum Aufbau der Infrastruktur), überstieg den Wert der Lieferungen aus den Kolonien nach Deutschland zum Teil drastisch. Hinzu kam, dass sich die Kolonien finanziell nicht selber trugen. Im Allgemeinen bildete jede Kolonie ein abgeschlossenes Zollgebiet mit einem eigenen Zolltarif. Der weitaus größte Teil der Zolleinnahmen kam aus den Einfuhrzöllen. Nur in Deutsch-Südwestafrika gab es dank der Diamantenexporte mehr Einnahmen aus den Ausfuhrzöllen.[86] Weil die Steuer- und die Zolleinnahmen, die Deutschland mit den Kolonien erwirtschaftete, unter den Kosten für die Verwaltung und die Aufstandsbekämpfung blieben, waren die meisten deutschen Kolonien Zuschussprojekte der Reichskolonialverwaltung. Besonders teuer waren das aufstandsgeplagte Südwestafrika und das infrastrukturintensive Kiautschou. Ausnahmen waren wieder Togo und Samoa.[87]
Bahnlinie von Tanga nach Moschi um 1915 in Deutsch-Ostafrika
Mit dem Ende der Kolonialkriege und der neuen Kolonialpolitik seit 1907, dem allgemeinen Infrastrukturausbau und der Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivitäten in den Schutzgebieten, verbesserte sich die finanzielle Lage der Kolonien erheblich und entwickelte sich hin zu einem Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben. In den afrikanischen Kolonien betrug der Außenhandel 1904 an Einfuhren 40.672.000 Reichsmark und an Ausfuhren 20.821.000 Reichsmark. 1908 erreichten die Einfuhren 84.264.000 Reichsmark und die Ausfuhren 37.726.000 Reichsmark. 1912 führten die afrikanischen Schutzgebiete für 128.478.000 Reichsmark ein und für 103.748.000 Reichsmark aus. Die Entwicklung ist also deutlich absehbar.[88][89]
In der Gesamtbilanz des deutschen Außenhandels spielten die Kolonien eine vernachlässigbare Rolle: Der Handelsverkehr mit ihnen machte 1914 nicht einmal 2,5 % des gesamten deutschen Außenhandels aus. Eine Förderung des Kolonialhandels erfolgte nicht, die Kolonien wurden als zollpolitisches Ausland behandelt.[90] Der Import aus den Kolonien betrug nicht einmal ein halbes Prozent der gesamten deutschen Einfuhr.[91] Die Produkte, die man aus den Kolonien ins Deutsche Reich importierte, deckten meist nur einen sehr geringen Teil des Inlandsbedarfs. Sie konnten die Stellung des Deutschen Reiches auf dem Weltmarkt, abgesehen von Kupfer und Diamanten aus Deutsch-Südwestafrika, weder stärken noch nachhaltig verändern. Die Kolonien bildeten daher keine Konjunkturstütze. Privatwirtschaftlich konnten einzelne Investoren, etwa die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft, die die Kopraausfuhr aus Neuguinea kontrollierte, jedoch große Gewinne verzeichnen.[92]
Wikipedia: Deutsche Kolonien#.C3.96konomische Bilanz