alexm schrieb:Aber wie gesagt es ist auch seltsam dass sich keinerlei Informationen zu den Toten ihren Weg bahnen trotz des Pressekodex. Es geht mir nicht darum wie das ethisch zu bewerten ist, sondern warum es entgegen aller üblicher Mechanismen nicht stattfindet.
Die Medien standen ob ihrer (teilweise schamlosen) Berichterstattung stark in der Kritik seitens Politik, Behörden und Bürger.
Dieser ganze Zirkus verselbstständigte sich. Einer hat Flöhe husten hören und sofort eine Meldung rausgehämmert, andere haben es abgeschrieben. Recherche kommt in dem Geschäft, in dem es um Minuten geht, unter die Räder. Es gab massig Falschmeldungen, Gerüchte usw (wurden hier ja alle penibel mitgeschrieben).
Der andere Punkt ist der, dass Terror die Öffentlichkeit sucht. Das sind keine Diebesbanden, die sich nur bei starkem Nebel aus der Kanalisation wagen. Terror heißt übersetzt Schrecken.
Der zwanghafte Impuls in Hoffnung auf die große Story jeden Stein umzudrehen und nach Möglichkeit alles ans Tageslicht zu zerren spielt dem Terror in die Karten.
Auf diese Weise ist es eben nicht nur die Tat an sich, die Schrecken verbreitet, die mediale Aufbauschung verstärkt diesen Effekt noch (Stichwort induzierte kognitive Verzerrung).
Kleines Beispiel gefällig?
Wir haben pro Jahr etwa 7000 (angezeigte) Fälle von Vergewaltigung und knapp 50000 (behördenbekannte) sexuelle Straftaten (Nötigung und dergleichen). Kaum jemand nahm über all die Jahre davon Notiz. Die Zeitungen schrieben einen Leitartikel pro Jahr und damit hatte es. Straftaten dieser Art von Flüchtlingen/Migranten/irgendwie Auswärtsaussehende werden jedoch in geradezu penetranter Weise breitgetreten. Das sind (ich weiß nicht genau, verprügel mich halt) ein paar hundert (sagen wir im niedrigen Tausenderbereich) sexuelle Straftaten und ein paar Dutzend Vergewaltigungen pro Jahr. Angesichts der jährlichen Fallzahlen ist das hinsichtlich dem öffentlichem Interesse kaum der Rede wert (für die Opfer ist das anders - das gilt allerdings für jeden einzelnen Fall!).
Plötzlich hört man allerorts: man (also vorwiegend die Frau) ist sich seiner Haut nicht mehr sicher.
Das ist albern. Die Gefährenlage hat sich nur geringfügig verändert. Statistisch gesehen ist es heute kaum wahrscheinlicher Opfer einer solchen Tat zu werden als vor 2015.
Geändert hat sich aber die Wahrnehmung. Wenn dir jeden Tag so eine Meldung die Birne aufweicht (mit der Meldung ist es ja nicht getan, es folgen Meinungen, Kommentare, Polizei-PKs u.dgl), dann wird man langsam allmählich paranoid. Dann vermutet man hinter jeder Ecke die Schmierlappen.
Verändert hat sich die subjektive Gefahrenlage.
Zurück zum Terror
Die Kriegsführung (wenn man das mal so nennen möchte) hat sich mit den Jahren verändert. Die Älteren von uns können sich vielleicht noch an die RAF erinnern - oder auch nicht - nicht so richtig, denn man hat eigentlich relativ wenig von denen mitbekommen - außer wenn sie mal wieder zugeschlagen haben. Es gab aber keine Videopropaganda, kein Twitter und kein Fratzenbuch, keine Forenuser die sich gegenseitig hochschaukeln... Die Bevölkerung hatte die nicht richtig aufm Zettel.
Der heutige Terror ist überall. Auf der yt-Knotenkopfunität, in den Kommentarbereich der Zeitungen, bei den sog. Alternativen gibts sowieso kein Halten, hier, im TV uswusf. Niggemeier bezeichnet das als Terror-Porno.
Der IS sucht die Öffentlichkeit - wenn du so willst, aus den gleichen Gründen wie das auch Unternehmen tun: Imagepflege (+Kundengewinnung auf der einen Kämpfergewinnung auf der anderen Seite)
Für die Medienhäuser ergibt sich daraus ein Dilemma. Einerseits wollen, sollen und müssen sie berichten. Dafür sind sie da, dafür zahlt der Kunde. Andererseits macht man sich unfreiwillig zum Helferlein indem vorhersehbare Reflexe deren PR-Arbeit fortsetzt. Nicht wenige Kritiker sprachen hierbei von einer Symbiose.
Zudem steigt mit zunehmender Berichterstattung die Gefahr von Trittbrettfahrer. Psychisch labile können sich dadurch ermuntert fühlen. Schwachköpfe (von denen stehen jeden Morgen welche auf, wenn du es nicht glaubst, ich kann dir welche nennen) sehen plötzlich eine Chance auf Unsterblichkeit indem man sich tief in das kollektive Gedächtnis eines Volkes eingräbt und somit Teil der Geschichte wird.
Große Häuser gingen ob dieser Zwickmühle Anfang/Mitte verg Jahres in Revision und hinterfragten sich und ihr Tun. Bei Zwickmühlen solcher Art kann es niemals zur völlig befriedigenden Lösung kommen, deshalb -und das ist jetzt meine Schlussfolgerung- war es für viele wohl am naheliegendsten, dass man sich einerseits möglichst wenig selbst einschränkt und gleichzeitig zumindest die wesentlichsten ethischen Standards einhält.