@Becky Doch, deine Situation ist speziell, auch wenn es viele alleinerziehende Menschen mit behinderten Kindern gibt, denn diese Gruppe macht einen vergleichsweise geringen Teil der ALG II-Bezieher aus.
In Fällen wie deinem hat der Sozialstaat wohl fraglos noch zu lernen, wie man das vernünftig regelt.
kilats schrieb:@Origami82 steile these, dass man mit vernünftig einkaufen, genug geld zu verfügung hätte.
deshalb geht rentner, kinder, hartz4 ja auch zur tafel.
ach ja, tun sie ja nur, weil sie dann genug geld für drogen haben...
man kann von 400 nicht gesund und teilhabend an gängigen freitzeit betätigungen (ja, mal in den zoo gehen) leben, trotz dieser festgelegten angeblichen sozialen marktwirtschaft.
und zur sozialen marktwirtschaft gehört, dass die, welche arbeit haben, denen ohne arbeit helfen.
Es ist nicht nur eine steile These, das man mit einem solchen Geldbetrag vernünftig einkaufen kann, damit auch am Ende des Monats noch was im Kühlschrank ist. Vielmehr ist es eine Tatsache.
Gerade der Bezug zu Rentnern ist in der Situation schwierig, denn Rentner haben eine Eigenschaft: Sie sind alt. Mit dem Alter kommen Gebrechen. Mit Gebrechen kommen höhere Ausgaben für Medikamente.
Die Tafeln sind ein Hilfsangebot, die die Einkaufsberechtigten finanziell entlasten soll. Und warum gerade viele Rentner dort hin gehen? Ganz einfach: Die sind in einer Generation aufgewachsen in der man noch gelernt hat, das es nicht schlimm ist, wenn der Apfel ein paar braune Stellen hat. Die sind sich dafür nicht zu fein. Einkaufsberechtigte mittleren Alters - die Turnhosenträger - findet man da eher selten bis gar nicht. Ich habe in den 5 Jahren, in denen ich ehrenamtlich bei der örtlichen Tafel gearbeitet habe, höchstens eine Handvoll davon gesehen.
Die Frage, ob du irgendwas ehrenamtlich für die armen Rentner oder armen Familien mit Kindern machst, spare ich mir an dieser Stelle, bei 99,5% der Menschen kommt eh immer dieselbe Antwort.
Es ist richtig zu sagen: In einem Sozialen Staat sollten die, die arbeiten gehen denen helfen, die es nicht mehr/noch nicht tun (können). Wird nur blöd, wenn immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Arbeitslose mit durchschleifen müssen. Dann funktioniert das nämlich nicht mehr.
Als arbeitender Mensch möchte ich mir auch etwas leisten können und mir einen gewissen Lebensstandard schaffen. Ich sehe dann nicht ein, das ich mir weniger leisten können soll, damit nicht arbeitende Menschen sich mehr leisten können.
Wir wohnen in einem freistehenden 2-Familien-Haus. Erdgeschoss. Terrasse. Knapp 100m² Wohnfläche. Nicht in der allerbesten Gegend, aber die Nachbarn grüßen alle freundlich, und Deutsch ist die vorherrschende Sprache in der Gegend. Die Nachbarn im selben Haus sind Roma, beide ALG II-Bezieher. Die Wohnung ist wesentlich kleiner, früher war das quasi mal die Schlafebene, als das noch ein reines 1-Familien-Haus war. Die haben auch ein Auto vor der Tür stehen, und machen ein Mal die Woche einen Großeinkauf. Wie die sich das leisten können? Nun, ich mutmaße mal anhand der wenigen Fakten, die mir bekannt sind:
Beide haben Handys. Nicht die allerneusten Modelle, und beide mit Prepaidkarten. Die telefonieren damit auch nur, außer zuhause, da haben sie Wlan. Dazu stinknormaler Festnetzanschluss und Internetzugang. Der Fernseher ist schon etwas älter, aber hängt an der Wand. Er geht manchmal arbeiten, immer über irgendwelche Monatsverträge, alles brav angemeldet. Er ist Raucher, sie hält nichts davon. Nur aktive Kippen, keine gedrehten. Die Einkäufe, die die beiden so anschleppen, können sich sehen lassen: Kein Fertigfraß, viel Obst und Gemüse. Unmengen von Mineralwasser, ab und zu mal Saft.
Sie sind schon Großeltern, die Tochter wurde früh Mama. Für die Enkelkinder haben sie im Garten letzten Sommer eine Spieleecke eingerichtet. Mit Wasserspielplatz. Der Junge spielt gerne Fußball, deswegen steht auch ein kleines Tor im Garten. Wenn SIE kocht, könnte man meinen, gleich steht die ganze Nachbarschaft sabbernd vor der Tür, so sehr riecht das.
Ich war mal oben bei ihnen, um nach einem Wasserschaden beim Verlegen des neuen Laminats zu helfen. Eine Mikrowelle steht da nicht, da wird nur frisch gekocht, oder vom Vortag kurz auf dem Herd aufgewärmt. In Urlaub fahren sie auch. Zu Verwandten oder Freunden, je nach Lust und Laune, wir gießen in der Zeit immer ihre Armee von Blumen.
Klagen höre ich sie selten, wenn wir auf unserer Terrasse sitzen und grillen. Ja, das liebe Geld. Es könnte mehr sein. Aber man lebt, und andere sind schlimmer dran. Zu Weihnachten kriegt der Enkel eine Playstation, die wünscht er sich so sehr.
Die Gretchenfrage: Was machen die anders, als andere in der gleichen Situation, in ihrem 50m² Wohnklo im Elendsviertel der Stadt?
kingstons123 schrieb:Deutschland sollte Hartz 4 abschaffen und ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle und eine Bürgerversicherung einführen, Arbeitslose sollten dazu noch Wohngeld beantragen können. dazu den Mindestlohn auf 12-15 Euro erhöhen, mehr Sozial Wohnungen bauen, Schlaf Hallen für Obdachlose errichten, Gehalt für Pflegekräfte erhöhen und mehr Pflegekräfte aus Osteuropa ausbilden, Benzin und Dieselpreis erhöhen damit die Luftverschmutzung abnimmt, Mehrwertsteuer auf 21 Prozent erhöhen.
Einfache Frage, und ich möchte eine einfache Antwort:
Wenn ich heute 3.000 Euro brutto verdiene (Abiturient, berufsbegleitendes Studium, selbstfinanzierte Lehrgänge zur Zertifizierung für verschiedene Bereiche) - wieviel muss ich verdienen, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gibt?
Und jetzt mal ohne Bezug auf irgendeinen bestimmten Beitrag in diesem Thread:
Was mich bei solchen Diskussionen regelmäßig auf die Palme bringt, sind immer diese Totschlag-Argumente wie "Es gibt auch Menschen die nicht arbeiten gehen
können!" und dergleichen. Die findet man immer und überall. In den sozialen Medien, in Foren, beim Stammtisch. Man könnte meinen, in Deutschland gibt es nur noch bedauernswerte Einzelfälle.
Die andere Seite der Medaille, die will nie jemand sehen. Die passt ja auch nicht so hübsch zur eigenen Argumentation.
Unsere Firma würde liebend gerne ca. 20 neue Mitarbeiter einstellen. Inzwischen ist sogar eine Kopfprämie ausgelobt: wer jemanden kennt und zum Vorstellungsgespräch anschleppt, bekommt bei Vertragsabschluss 500 Euro auf die Hand.
Seit Januar 2018 wurde genau ein Mitarbeiter eingestellt.
Und jetzt kommt der Teil, bei dem ich immer lachen muss: Einstellungsvoraussetzungen? Führerschein, Deutsch in Wort und Schrift, und technisches Interesse.
Keine Zeitarbeit, die Leute werden direkt in der Firma angestellt. Unbefristeter Arbeitsvertrag. Firmenwagen, den man mit nach Hause nehmen darf (keine Privatnutzung), dazu natürlich eine Tankkarte. Ist die Karre mal hinüber, gibts eine Flottenkarte für die Werkstatt und ggf. einen Ersatzwagen. 1.800 Euro Einstiegsgehalt, unabhängig von der Qualifikation. Ausbildung Nebensache. Bei höherer Qualifikation ist das Gehalt Verhandlungssache. Zusatz-Versicherung für medizinische Leistungen wie Zahnersatz oder Brille (auch für Partner, Ehepartner, Kinder), ein Goodie, das wir seit letztem Jahr bekommen. Wohnort Nebensache. Wohnt man zu weit weg, kümmert sich die Firma um ein Hotel. Der Hotelstandard ist im Arbeitsvertrag geregelt, keiner muss in irgendeine Billigabsteige mit altem Röhrenfernseher und Etagenklo. Dementsprechend natürlich auch Spesen. Stinknormale 40h-Woche. Natürlich, manchmal werden es auch 45 Stunden pro Woche. In anderen Wochen verbringt man den Freitag daheim, lässt das Firmenhandy (darf privat genutzt werden) an und freut sich auf das Wochenende. Kein Klinkenputzen, keine "dreckige" Arbeit.
Nur leider findet die Firma keine Leute. Woran liegt das? Klar, die meisten schreien "Bääääh, so wenig Gehalt beim Einstieg!". Den unschätzbaren Vorteil, sich keine Gedanken machen zu müssen wie man zur Arbeit kommt, man kann sich das eigene Auto sparen... das kann man natürlich ignorieren. Man kann natürlich auch ignorieren dass das ein Gehalt für eine nicht körperlich anstrengende Arbeit ist, und eine Ausbildung im technischen Bereich von Vorteil, aber keine Voraussetzung sind.
Aber vermutlich will mir dann jemand erzählen, dass das alles nur die armen Einzelfälle sind, die das Angebot nicht annehmen können weil wegen "Isso!". Wer da jammert es sei zu wenig Geld um sich etwas zu "leisten", dem rechne ich haarklein ein Haushaltsbuch vor. Ja, da bleiben keine 400 Euro zum "Feiern" über, da muss man halt mal etwas sparen. Für die Konsole, Kippen und Handyvertrag bleibt trotzdem genug übrig, keine Sorge.
Wir können einfach auch mal ganz geschmeidig diesen ganzen Einzelfall-Mist beiseite lassen und die Augen öffnen. Die Mehrheit, also mehr als die Hälfte
will einfach nicht. Und das halte ich nicht einmal für verwunderlich. Hat man vor 15 Jahren ein Auto für 60.000 Mark gekauft wurde man belächelt und für verblödet gehalten. Heute ist ein Auto für 50.000 Euro gefühlt nur Mittelklasse. Die Playstation für 400 Euro kauft man "einfach so", nicht als angespartes Geburtstagsgeschenk. Samsung Galaxy S6 ist alt, das will man nicht. Und warum überhaupt Samsung, wenn man ein Iphone für 800 Euro haben kann?
In unserer Stadt gibt es eine recht große Facebookgruppe deren Zahl der Mitglieder gut 1/3 der Stadtbevölkerung ausmacht. Karteileichen und Doppelaccounts natürlich inklusive. Da tummelte sich unter anderem eine "Selbsthilfegruppe Hartz IV". Diese Gruppe hat einer Dame Rückendeckung gegeben, die sich ausgekotzt hat über das JobCenter, das ihrem 20jährigen Sohn kein Auto zur Verfügung stellen wollte. Damit er zur potentiellen Arbeitsstelle fahren kann. Deswegen konnte er die Stelle nicht antreten.
So weit, so gut. Die Familie wohnt nicht in der Innenstadt. Von deren Stadtteil aus sind es ca. 25 Minuten mit dem Fahrrad zur Stadtmitte, wo die Stelle gewesen wäre.
Tja, der arme Bengel. Hätte er doch nur ein Auto bekommen, dann könnte er arbeiten gehen. Stattdessen sitzt er immer noch zuhause, und das nur wegen dem bösen JobCenter.
Das ist natürlich auch nur ein bedauerlicher Einzelfall, oder wie? Und das ist nur ein Fall von vielen dieser Art. Wer etwa anderes behauptet, lügt sich selbst etwas vor, denn fast jeder von uns hat solche Fälle im Familien- oder Freundeskreis. Den Menschen, der 10 Jahre kerngesund ist, und ausgerechnet am Tag des Vorstellungsgesprächs die tibetanischen DarmfiebergroßerzehKopfhautmasern hatte. Und der auch immer zu Unrecht vom JobCenter sanktioniert wird.
Wenn ich da den Sohn eines Bekannten betrachte... der ist gerade 18 geworden, hat den Führerschein bestanden. Der geht seit zwei Jahren jedes Wochenende einem Schülerjob nach in einem nahe gelegenen Event-Park, verdient sich zwischendurch was mit Rasenmähen und derlei Arbeiten, und fährt im nächsten Sommer in seinen ersten, selbst bezahlten Urlaub. Und Papa ist kein Großverdiener, der was dabei tun kann.
Was will man
dem guten Gewissens erzählen, warum andere, die sich nicht soviel Mühe geben, nach mehr Geld krähen?