@che71 war mir schon klar, aber wollen wir das mal neutral betrachten ohne selber zu hetzen? ich fang mal an mit interessanten Überlegungen die einige dinge gut erklären..
Sehr interessanter Blickwinkel:
Ich freue mich ja, dass nach meinem undifferenzierten Gebashe auch noch Geisteswissenschaftler hier mitlesen, und insbesondere, wenn mir dann jemand Grundlagen so erklärt, dass ich daraus einen Erkenntnisgewinn ziehen kann. Ich zitiere mal die Mail in Gänze und hebe den für mich wichtigsten Teil hervor:
Ausgrenzung ist in der Verhandlung von Beziehungen jeglicher Art ein völlig normaler Vorgang. Man spricht in der Soziologie und Ethnologie davon, dass wir Identifikationen verhandeln. Man sagt deshalb "Identifikationen" statt "Identitäten", weil die dem aktuellen Stand der Forschung nach nichts essentielles oder festes sind, sondern in jeder Interaktion mit anderen Menschen, egal auf welche Art und in welchem Medium, verhandelt werden. Verhandelt heisst dabei, dass einer eine bestimmte Identität "performiert", also quasi ausspielt, und der gegenüber darauf auf alle möglichen Weisen reagiert - von unhinterfragter Akzeptanz oder enthusiastischer Bestätigung bis zu Verweigerung der Akzeptanz bis hin zu körperlicher Gewalt.
Dadurch, wie vom eigenen Umfeld auf bestimmte Identifikationen reagiert wird, werden diese entweder geschwächt (vor allem durch stillschweigendes Hinnehmen oder Suggestion der Irrelevanz) oder verstärkt - und das geschieht vor allem dadurch, dass die Identifikation enthusiastische Zustimmung findet, ODER durch starke Opposition. Man spricht dabei ja gerne von Radikalisierung, aber ganz wertneutral betrachtet ist es einfach so, dass wir unsere Bemühungen vor allem darauf konzentrieren, wofür wir am meisten Aufmerksamkeit bekommen, ganz egal ob das positive oder negative Aufmerksamkeit ist. Kennt man ja vielleicht auch von Kindern ;-)
Aus einer etwas weiter gefassten Perspektive könnte man das auch so beschreiben:
Die vielfältigen möglichen Identifikationen unterliegen einem diskursivem Wettstreit - als Beispiel zum Verständnis, Nazi zu sein ist allgemein ziemlich uncool, außer unter Nazis. Sich als Linker zu identifizieren kommt bei Konservativen generell auch nicht gut an, usw.
Welche Identifikation man in einer jeden Situation performt, wird generell strategisch (mehr oder weniger bewusst) von Situation zu Situation entschieden. Zum Beispiel wäre es der eigenen körperlichen Unversehrtheit nicht sehr zuträglich, mitten im aufgepeitschten schwarzen Block sich durch's Anstimmen von rechten Parolen plötzlich eine Nazi-Identifikation zu performen. Aber wir tun das auch generell auf ganz kleinerem Niveau, z.B. wenn wir gegenüber unseren Freunden betonen oder bestätigen, dass wir die gleichen Dinge mögen wie sie auch.Aus der Perspektive kann ich mich dem Tenor der letzten Tage bei dir im Blog voll und ganz anschließen: Nazis sind nicht Nazis weil sie schlechte Menschen sind, sondern weil es in ihrer sozialen und kulturellen Umgebung ganz rational gute Gründe dafür gab, sich als Nazi zu identifizieren.
Vielleich nochmal kurz zusammengefasst: "Identitäten" von Menschen sind nichts festes, sondern werden kontextuell und strategisch verwendet um innerhalb eines Umfelds Akzeptanz zu finden.
Wo es jetzt interessant wird ist da wo diese beiden Mechanismen sich berühren - einerseits die strategische Gruppenidentifikation und andererseits die Verhandlung von Identifikationen. Damit zweiteres überhaupt stattfinden kann, muss man natürlich überhaupt erstmal in einen Dialog treten können - und in einer Gesellschaft, die eher zur Ausgrenzung neigt und nicht offen ist, ist das sehr stark erschwert. Das führt meiner Ansicht nach nur dazu, dass sich abgrenzende Gruppen sich aufgrund der erfahrenen Opposition gegen ihre (gruppenintern strategisch sinnvolle!) Identifikation nur noch weiter radikalisieren und vom Rest der Gesellschaft abkapseln. Und dann hat man viel schlechtere Chancen, mit denen in einen Dialog zu treten, und ihre aberranten Identifikationen durch geschickte Verhandlungstaktik abzuschwächen.
Hoffe das gibt ein bisschen food for thought! Eine Patentantwort dafür, wie man mit Nazis umgehen soll, habe ich auch nicht, aber auf Basis des oben geschilderten halte ich mich grundsätzlich daran, erstmal mit denen zu reden. Am besten auch noch charmant sein dabei, so dass sie nicht anders können als einem gefallen zu wollen. (Das ist wie beim flirten - jaja, ein Herz für Nazis?) Und dann fängt man subtil an, deren radikale Identifikationen zu relativieren. Wenn nur ein einziger Nazi danach denkt, "Och, sind ja doch nicht alle linken Hippies total scheiße" dann ist das doch schon ein Gewinn.http://blog.fefe.de/?css=fefe.css