Flüchtlinge und Migration allgemein
12.09.2015 um 01:54
Langsam wird es wirklich sehr prekär. Die Prognosen sagen voraus das wir am Wochenende 40000 - 50000 Flüchtlinge in München erwarten. Die Kapazitäten für Unterkünfte sind (bundesweit!) nach diesem Wochenende praktisch ausgeschöpft. Ab kommende Woche muss die Politik "kreativ" werden. Zelte, bislang ein Tabu, werden wohl nun kaum noch vermeidbar sein. Man wird, laut Tagesschau, auch darüber nachdenken Zwangsenteignung von leerstehende Wohnungen durchzuführen. Das dürfte wohl eine weitere Abkehr einiger Bürger von der aktuellen Politik bedeuten. Eine geordnete Registrierung der Flüchtlinge ist in München nicht mehr möglich, die Versorgung kann zwar zur Zeit aufrecht erhalten werden, aber auch diese ist gefährdet, da uns die Kapazitäten schlicht ausgehen. Vielerorts funktionieren die Unterkünfte nur noch, weil freiwillige Helfer den Staat kräftig unterstützen. Fallen diese weg, kann die Versorgung und die Organisation nicht mehr garantiert werden. Da die Flüchtlinge nicht mehr registriert werden, ist auch die Verteilung und Kommunikation mit den Kommunen schwieriger. De facto steht das System kurz vor dem Kollaps. Leider kann ich es anders nicht sagen. Und ich kann es so sagen, weil ich bis zum Semesterstart meiner Stadt aushelfe.
Mir tun diese Flüchtlinge, egal woher sie nun kommen leid. Es fehlt an allem: Wir bräuchten mehr Leute aus der arabischen und muslimischen Community die uns dolmetschen helfen, es geht zur Zeit gerade noch gut, aber Dolmetscher wären sehr hilfreich. Leider ist die Hilfsbereitschaft, ... hmm, naja... mäßig. Wir haben gerade 2 Leute mit entsprechenden Kenntnissen auftreiben können. Irgendwie hätte ich da mehr erwartet. Letztens ist eine Kollegin bei der Essensausgabe zusammengebrochen und da kam eine Afrikanerin zu ihr und hat sie in die Arme genommen und in gebrochenen Englisch zur ihr gemeint, dass alles gut wird. Das hat mich sehr gerührt. Übrigens ist die Stimmung trotz aller Umständen bislang gut. Die Kinder sind klasse, viele junge Flüchtlinge sind optimistisch und unglaublich nett und trotz ihrer Erlebnisse und der Sprachprobleme sehr offen. Persönlich habe ich keinen Überblick wer von wo kommt, aber das ist in dieser Situation absolut egal. Die Wohnräume sind beengt, aber noch einigermaßen hygienisch. Es ist gerade noch würdig.
Wir als Mitarbeiter stehen aber vor vielen Problemen. Ab Oktober wird die Lage für die Unterkunft sehr ernst, da ich und weitere Studenten gehen werden und ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr aushelfen kann. Zwar wurde nach weiteren Mitarbeiter angefragt, aber unsere Hoffnung schwindet. Die Essensausgabe wird dann noch länger dauern, es wird kaum noch Zeit für die Organisation bleiben. Und wir sollen trotzdem noch weitere Leuten aufnehmen, die Stadt stellt sich taub, obwohl die Unterkunft quasi voll belegt ist. Keine Ahnung wie es dann weitergehen wird. Wir bekommen von seitens der Stadt quasi 0 Infos. Die Mitarbeiter stehen sehr unter Strom. Für die ganze Unterkunft mit fast 500 Leute haben wir nur eine Sozialarbeiterin! Die zudem auch nur an 3 Tagen der Woche präsent ist.
Ich weiß aktuell nicht, was ich von der Politik halten soll. Einerseits bin ich froh das wir helfen, denn die Menschen sind klasse und die haben diese Hölle in Syrien nicht verdient, aber andererseits sind wir jetzt schon Kapazitätsende. Wir können an unserer Unterkunft ab Oktober die Versorgung nicht mehr garantieren. Wenn die Studenten aus der Küche gehen, dann müssen 2 Leute Essen für 500 zubereiten. Das klappt nie im Leben.. :-(. Und das schlimmste: Die Stadt weiß das.Wir brauchen nicht mehr Geld, sondern mehr Helfer man. Mich macht das so wütend, wo sind die ganzen Leute die immer im Fernsehen gezeigt werden und angeblich so hilfsbereit sind.
Ich bin unfassbar traurig über die Zustände aktuell. Und ich bete (obwohl ich Atheist bin) für einen milden Winter, ansonsten befürchte ich für die Flüchtlinge in Ungarn, aber auch teilweise in Deutschland eine humanitäre Katastrophe.
Mein Beitrag dazu.
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