Mal ein wenig Hintergrund:
Russlands Territorial-Hunger: Welche Staaten stehen noch auf Putins Speise-Karte?Russlands Präsident Wladimir Putin träumt von einer „Sowjetunion light“. Ist die Annexion der Krim der erste Schritt dorthin? Welche Gebiete hat der Kremlchef noch im Visier? Ostukraine, Moldawien, Weißrussland – FOCUS Online zeigt, welche Staaten Russlands Territorial-Hunger fürchten.
Russlands Präsident Putin hat die Krim "nach Hause" geholt: Am Dienstag unterzeichnete er den Vertrag über die Aufnahme der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Halbinsel in die Russische Föderation. Auch die Vertreter der prorussischen Krim-Führung setzten in Moskau ihre Unterschriften unter das Dokument. Der Nervenkrieg zwischen Kiew und Moskau geht weiter, die Einverleibung der Krim scheint erst der Anfang.
„Geopolitische größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts“Es scheint, als verfolge Putin das Ziel, das russische Imperium zu erneuern – über eine Hegemonie über den postsowjetischen Raum. Denn Russlands Präsident ist tief geprägt durch die Sowjetunion, wie Ostexperte Eberhard Schneider FOCUS Online sagt. Er könne sich nicht freimachen von ihr.
Den Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 nannte Russlands Präsident einst die „geopolitische größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts“, erklärt Schneider. Das zeige, wie sehr Putins russische Seele verletzt ist.Der Verlust des Einflusses im „verlorenen“ Raum und der damit verbundene Verlust des Status einer Supermacht sitzen tief. Putin vermochte diesen „Phantomschmerz“ bisher nicht zu heilen. Für die Russen sei dies schwer zu verkraften. „Sie haben ein Problem: Für sie gibt es keinen Nationalstolz ohne Imperium“, erklärt die Historikerin Julia Obertreis. Alle Hegemonieansprüche Russlands seien daraus abzuleiten – und fänden in der russischen Bevölkerung breite Unterstützung. Dies zeigten etwa die 120.000 Menschen, die sich auf dem Roten Platz in Moskau zu einem Konzert versammelten, um die „Heimkehr“ der Krim zu feiern.
In vielen früheren Sowjetstaaten wächst die Angst, dass Putin eine „Sowjetunion light“ anstrebt. FOCUS Online analysiert die Lage für die GUS-Staaten Ukraine, Moldawien, Armenien, Georgien sowie die abtrünnigen Kaukasus-Republiken Abachasien und Südossetien.UKRAINELage: Osteuropa; grenzt an Russland, Weißrussland, Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Moldawien - Einwohner: zirka 45 Millionen, davon 17,3 Prozent Russen
Eine russische Hegemonie ohne die Ukraine ist nahezu undenkbar und würde in einer „Sojetunion light“-Strategie eine zentrale Rolle spielen. Das zeigt sich besonders an Russlands Vergangenheitsbewältigung mit dem „abtrünnigen“ Nachbarn. „Historisch ist die Ukraine eng mit Russland verwoben. Eine eigene ukrainische nationalstaatliche Kultur gibt es nicht beziehungsweise wurde im Zarenreich und in der Sowjetunion unterdrückt“, erklärt Obertreis.
Nach Einschätzung Schneiders ist es wahrscheinlich, dass Russland als nächstes nach der Ost-Ukraine greift. Putin habe bis heute nicht akzeptiert, dass die Ukraine unabhängig ist. Er sei beleidigt, dass der „Maidan“ gesiegt hat.Stefan Meister, Ukraine-Experte beim European Council on Foreign Relations (ECFR), sieht das etwas anders. „Moskau hat Provokateure eingeschleust, um separatistische Bewegungen zu stärken und die Stimmung aufzuheizen", sagte er FOCUS Online. Allerdings gehe es ihm nicht um eine Annexion. Vielmehr wolle er die neue Regierung in Kiew destabilisieren, Unsicherheit erzeugen - und so letztlich Einfluss gewinnen. Putins Fernziel: eine Föderalisierung der Ukraine. Die regionalen Autoritäten sollen mehr Macht erhalten und die Ost-Ukraine der Zollunion mit Russland sowie der Eurasischen Wirtschaftsunion beitreten.
Andreas Umland, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Europaausschusses des ukrainischen Parlaments, glaubt, dass Putin eine Eskalation gelegen käme. „Das bringt ihm einen Vorwand einzugreifen. Im schlimmsten Fall könnte er wie damals in Georgien eine angeblich humanitäre Intervention der russischen Armee starten“, so der Experte.GEORGIENLage: Vorderasien; grenzt an Russland, Abchasien, Südossetien, Türkei, Armenien und Aserbaidschan - Einwohner: zirka 4,5 Millionen, davon 1,5 Prozent Russen
Auch Georgien fürchtet den langen Arm Russlands, betrachtet die aktuellen Entwicklungen mit Sorge. Denn schon einmal geriet das Land in eine Auseinandersetzung mit Russland. Moskau hat die zwei separatistischen Regionen Abchasien und Südossetien nach deren Abspaltung 1992 als unabhängige Staaten anerkannt – und eine selbst ernannte „Friedenstruppe“ stationiert.
Nach der Abspaltung bekamen die meisten Abchasen und Südosseten russische Pässe. 2008 kam es sogar zu einem kurzen Krieg zwischen Georgien und Russland. Damals hatte Russland – ähnlich wie bei der Krim-Intervention – sein Eingreifen gegen Georgien damit begründet, es müsse seine Staatsbürger schützen.ABCHASIEN, SÜDOSSETIEN, ARMENIENLage: Vorderasien, Kaukasus - Einwohner gesamt: zirka 3,6 Millionen Einwohner, davon 11,9 Prozent Russen
In Abchasien und Südossetien leben zwar nur wenige ethnische Russen, dafür viele russische Staatsbürger: Wie in den vergangenen Monaten in der Ukraine wurden hier schon vor Jahren großzügig russische Pässe verteilt. Abchasien war im Georgien-Krieg dankbar über russische Hilfe, will aber unabhängig bleiben. Südossetien könnte mittelfristig anpeilen, sich mit Nordossetien zusammenzuschließen und der Russischen Föderation beizutreten. Das wäre nach Ansicht von Russland-Experte Mangott aber nicht im Interesse Russlands.
In Armenien hat Putin im September 2013 erreicht, dass ein Assoziationsabkommen mit der EU nicht zustande kam. Stattdessen entschied der armenische Präsident Sersch Sargsjan, der von Russland angeführten Zollunion beizutreten. Die Gründe: vor allem wirtschaftliche. Putin sieht Russland als wichtigsten Handelspartner für das Land - und „größten Investor der armenischen Wirtschaft“.
Sogar Sonderpreise auf russisches Gas wurden dem Land zugesichert. Zugleich profitiert Armenien von der militärischen Unterstützung Russlands.
MOLDAWIENLage: Südosteuropa; grenzt an Rumänien und die Ukraine - Einwohner: zirka 10 Millionen, davon zwischen 6 und 10 Prozent Russen
Moldawien ist nach dem Vorgehen Putins auf der Krim in Alarmbereitschaft versetzt, denn es gibt Parallelen zur Ukraine: Die Regierung arbeitet an einem Assoziierungsabkommen mit der EU. Moskau drohte im Gegenzug mit einem Handelskrieg und der Drosselung der Gaszufuhr. Es senkte den Weinimport und gängelte Gastarbeiter bei der Einreise nach Russland. Außerdem bietet das abtrünnige Transnistrien Russland einen Hebel, um die Republik unter Druck zu setzen - dort lebt eine russische Minderheit, die etwa ein Drittel der Bevölkerung ausmacht. Nachdem sich russisch geprägte Transnistrien 1992 von Moldawien losgesagt hatte, kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Russland stationierte in der Folge "Friedenstruppen". Weiter ist Moskau mit einem großen Munitionsdepot in der Region präsent. Nun möchte die Führung in Transnistrien dem Beispiel der Krim folgen: Das Parlament schrieb ein Beitrittsgesuch an die Duma und erinnerte daran, dass bereits 2006 in einem Referendum 97,2 Prozent für eine Angliederung an Russland gestimmt hätten.
Frank Umbach, Associate Director des European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS) am King‘s College, London, glaubt allerdings nicht, dass Russland dem Gesuch stattgeben wird. „In der aktuellen Situation hat Putin kein Interesse daran, da er schärfere EU-Sanktionen fürchtet und kein weiteres Konfliktfeld in der Region und gegenüber dem Westen aufbauen will.“ Gerhard Mangott, Politikprofessor an der Universität Innsbruck, sieht das ähnlich: „Transnistrien hat nicht den Stellenwert und die historische Bedeutung für Russland wie die Krim.“ Angesichts der geographischen Lage wäre es für Russland außerdem sehr schwierig, die Exklave zu versorgen: Es gibt keine direkte Landverbindung zwischen Russland und Transnistrien.
Wie wahrscheinlich ist die Annexion weiterer Gebiete?„Putin will die russische Einflusszone stabilisieren“, sagt Ukraine-Experte Meister und fügt an: „Er probiert aus, wie lange es gehen kann, bis ihm der Westen einen Riegel vorschiebt.“
Letztlich werde er es aber nicht wagen, dem Westen Anlass für wirklich schmerzhafte wirtschaftliche Sanktionen zu geben.Einen weiteren Aspekt führt Russland-Kenner Mangott an: Sollte Putin nach einem weiteren GUS-Staaten greifen, würde er auch Länder alarmieren, die zu den Verbündeten Russlands zählen "Das würde Weißrussland und Kasachstan beunruhigen", erklärt Mangott mit Verweis auf die dort lebende russische Minderheit. Mit beiden Staaten strebe Russland aber eine tiefere Integration an: Sie bilden gemeinsam eine Zollunion, die zur Eurasischen Wirtschaftsunion ausgebaut werden soll - als Gegenpol zur EU. „Russland hat kein Interesse daran, Ängste in den Ländern zu schüren.“
Quelle:
http://www.focus.de/politik/ausland/russische-hegemoniebestrebungen-hunger-auf-land_id_3700503.htmlWie war das hier mit, wer schon mal geklaut hat? Wie mit der Glaubwürdigkeit? Wie seltsam es doch ist, dass Putin seine großes Herz nur dann entdeckt, wenn Gebiete nach Russland "wollen" und nicht, wenn sie aus Russland wollen und ihre Unabhängigkeit.
Egal wer da wo auch immer lebt, Putin wird nie freiwillig zulassen, dass sich da wer von Russland abspaltet, egal welche Ethnie dort auch minder- oder mehrheitlich lebt.