@Thorgrim Ich habe mich früher auch brennend für linke Ideologien interessiert. Ob Stalin, Hoxha, Mao, Kim il Sung oder Ho Chi Minh, ich hab mir alles mögliche durchgelesen, was sich nur im Internet dazu fand.
Ich sah in diesen Ideologien, auch bei Stalin, Mao und Juche, auch gute Alternativen zum herrschenden Kapitalismus, und wollte unbedingt die Revolution noch erleben.
Ich weiß nicht mehr genau wie das alles anfing, aber vielleicht schon zur Bundestagswahl 2002, als ich anfing mich für die DKP zu interessieren, die ja noch vergleichsweise moderat im Vergleich zu anderen kommunistischen Glaubenssysteme ausfiel.
So ab 2004/5 ging es dann richtig los und ich wurde zum unverbesserlichen Stalinisten. Stalins gesammelte Werke und Texte waren für mich wunderbar zum lesen - das war so ein ganz anderer Stalin als der, den man sich so vorstellte. Aber auch Kim il-Sung und Ho Chi Minh haben sich nicht schlecht gelesen. Und eben auch dieser Hoxha, von dem hier die Rede ist, war nicht von schlechten Eltern. Mao war hingegen etwas komplizierter und da kann man nicht so wirklich verstehen, was er genau wollte. Dass diese ganzen politischen Führer dann natürlich nicht immer das machten was sie sagten, das konnte ich damals noch nicht so wissen.
Nachdem mir dann die DKP zu wenig radikal erschien (und ich war zu der Zeit kein wirklicher Kommunist, sondern hegte höchstens Sympathien dafür), begann ich mich für die MLPD, die KPD und andere stalinistische Truppen zu interessieren. Aber die große Zerstrittenheit in diesem Lager fiel schon auf: die MLPD verteidige Stalin nicht entschlossen genug, sondern läuft eher dem Verräter Mao hinterher, war da zu lesen und und und. Das wurde mir dann allmählich zu blöd.
Auch herrschte in diesem Lager eine weite Uneinigkeit darüber, bis wann denn die Sowjetunion oder die DDR nun sozialistisch waren und ob sie das überhaupt jemals waren. Die einen sagten, bis zu Stalins Tod, die anderen bis zu Chruschtschows Geheimrede, manche sagten China war nie sozialistisch, andere hoben Albanien als das beste Beispiel für einen gelungenen Sozialismus hervor, und manche sagten die DDR war immerhin bis 1971 noch sozialistisch, während andere das bis 1989 meinten und allein diese Meinungsverschiedenheit als Grund galt, sich nicht in einer Partei zusammentun zu können.
Diese heutigen linksradikalen Parteien, die auch zusammengenommen nur einen sehr geringen Anteil an der Bevölkerung stellen, sind also praktisch genauso zerstritten wie früher die kommunistischen Staaten, wo China ein Block mit Albanien bildete und schließlich Albanien fallen gelassen wurde, wo Breschnew Ulbricht stürzte, Nordkorea allen anderen Ländern Imperialismus bescheinigte und in Rumänien ein paranoider Diktator mit allen anderen nichts zu tun haben wollte.
Man sieht dass diese Spaltung in verschiedene Lager wohl die typische Ureigenschaft der Linken ist, und niemals überwunden werden kann weil jeder sein eigenes Utopia verfolgt, und es deshalb kein Wunder ist, dass in besagten Ländern fast durchweg blutige Diktaturen herrschten, um alle anderen auf Linie zu bringen, weil das Chaos und Durcheinander sonst zu groß würde.
Dann war es aber eben schnell mit dem Utopia vorbei, der Traum wurde zerstört und musste platz machen für "knallharte Realpolitik". So wurde unter einem Stalin oder Ulbricht zwar zeitweise eine recht erfolgreiche Wirtschaftspolitik gemacht, aber ihre Politik war eben weit entfernt von dem, was linke Träumer sich so vorstellen mögen. Weder fand das Gleichheitsideal sonderliche Beachtung noch wurde besondere Rücksicht auf politische Gegner oder Andersdenkende genommen, bzw. auf die welche sich einen anderen Sozialismus vorstellten.
Zu den "Pragmatikern" würde ich also Stalin und Ulbricht zählen, während die historische Leistung Stalins ja eigentlich hauptsächlich im gewonnenen Krieg besteht der uns von Hitler befreit hat. Allein deshalb aber auch heute noch Kommunist zu sein, weil der Kommunismus einen Krieg gewann und eine Industrialisierung voranbrachte, halte ich nicht für besonders sinnvoll.
Schließlich gab es noch Abenteurer wie Trotzki, Mao, Pol Pot, Ceaucescu oder Kim. Dass diese dann irgendwann mit anderen nichts mehr zu tun haben wollten, versteht sich eigentlich von selbst, weil alle die für eine gemäßigtere Politik standen plötzlich Imperialistenschweine oder Hochverräter waren. Ein solches Land isolierte sich dann recht schnell und baute den entsprechenden Mann zum absoluten Diktator auf, um "vor Gefahren von außen" zu schützen. Gut war diese Zerstrittenheit, und zwar für den Kapitalismus. Denn alle sozialistischen Staaten scheiterten so recht schnell und endlich fielen diese Gebiete wieder an den Kapitalismus.
Schließlich wusste ich also nicht mehr was ich glauben sollte und so begann ich so im Jahr 2008 mich allmählich vom Kommunismus zu verabschieden und ausgerechnet während der Finanzkrise wurde ich zum "Kapitalisten", weil ja nach kommunistischen Paradigmen das die Endkrise des Systems sein sollte. Und tatsächlich war der Absturz an den Börsen und in der Wirtschaft am Anfang so groß, dass man sich absolut an die Weltwirtschaftskrise 1930 erinnert hat, als ja Hitler an die Macht kam. Also demzufolge hätte diese Krise einen ähnlichen Charakter haben müssen: Massenverarmung, politische Unruhen, Inflation, Radikalisierung in linkes und rechtes Lager, die Nazis quasi als Speerspitzen des Kapitals, die die wiedererstarkende Rotfront bekämpfen sollten.
Das alles dürften nicht wenige Kommunisten bei dieser Finanzkrise erwartet haben. Aber wir durften alle erleben, dass es nicht so kam und alles schön ruhig blieb. Deshalb wurde ich in dieser Zeit ziemlich schnell zum "Neoliberalen" und fand das Programm der FDP zur Bundestagswahl 2009 ganz gut, sie hatten Steuersenkungen inmitten der Krise versprochen, das schien mir ein schöner Ansatz zu sein, die Krise mit mehr Netto lösen zu wollen, statt mit Unruhen, Streiks oder der Rotfront. Auch wenn ich schließlich die FDP nicht wählte und die FDP auch nicht alles umgesetzt hat, was sie versprochen hat.
Aber ich denke, auch wenn vielen die FDP zu kapitalistisch ist und viele die GroKo überhaupt nicht gut finden, so können wir doch froh sein, dass wir nicht in einem sozialistischen Land leben. Man stelle sich mal vor man müsste heute noch in der DDR leben, oder Nordkorea, oder Kambodscha.
Ich denke jeder H4-Empfänger muss froh sein, dass er hier in Deutschland und nicht in einem kommunistischen Land lebt. Denn auch wenn er dort arbeiten würde hätte er am Ende weniger als wenn er hier nicht arbeitet, und wenn er dort nicht arbeiten würde, müsste der Staat schon was "für ihn finden", und wie das dann manchmal aussieht im Sozialismus das will ich mir gar nicht vorstellen. Und seine Meinungsfreiheit, die ihm ja hier am wichtigsten ist, hätte er dort auch nicht. Deshalb ist es vielleicht gerade für die Ärmsten in unserer Gesellschaft von einem unschätzbaren Vorteil, nicht in einem totalitären Staat leben zu müssen.