Theater
06.04.2005 um 01:22Heute probten wir die Massenszene. Die recht zahlreiche Kleindarstellergruppe unseres Theaters, die während der vorigen Unterrichtsstunden artig auf den hinteren Bänken geses-sen hatte, rückte nach vorn. Sie waren wieder erstaunlich diszipliniert, heute jedoch verblüff-ten sie uns nicht nur, sondern rührten uns einfach durch ihre Einstellung zur Sache, ihren Ar-beitseifer und ihr Wissen. An diesen einfachen Mitarbeitern konnten wir Schauspieler uns eine Scheibe abschneiden. Wir sahen, wie sich Arkadi Nikolajewitsch über das leichte Arbei-ten mit ihnen freute. Sie wußten alles schon von selbst. Da brauchte ihr Regisseur und Lehrer nur noch auf abzustellende Fehler und Klischees aufmerksam zu machen, brauchte nur die guten Stellen hervorzuheben, die sie behalten sollten. Die Kleindarsteller arbeiten zu Hause, und das Getane bringen sie mit, um es überprüfen und bestätigen zu lassen. Wir aber bekom-men alles in der Unterrichtsstunde vorgesetzt, verlieren es jedoch wieder und behalten es nicht einmal bis zur nächsten Stunde. Arkadi Nikolajewitschs Übungen bestanden darin, daß er Fragen stellte, die einer der Kleindarsteller, den sie dazu ausgewählt hatten, beantwortete.
»Kennen Sie das Stück?« lautete Torzows erste Frage.
»Natürlich!« ging ihre militärisch anmutende Entgegnung durch den Zuschauerraum.
»Was haben Sie in der ersten Szene darzustellen und innerlich zu erleben?«
»Alarm und Verfolgungsjagd.«
»Kennen Sie die Eigenart dieser Handlungen und Zustände?«
»Ja!«
»Wir werden ja sehen. Aus welchen physischen und elementar-psychologischen Aufgaben und Handlungen setzen sich die Szenen des nächtlichen Alarms und der Verfolgungsjagd zu-sammen?«
»Noch schlaftrunken müssen wir erkennen, was geschehen ist. Müssen herausfinden, was niemand so recht weiß. Einander befragen, widersprechen, streiten, wenn uns die Antworten nicht befriedigen, eigene Ansichten von uns geben, Zustimmung äußern, Unbegründetes überprüfen oder zu beweisen suchen.
Konstantin Sergejewitsch Stanislawski, Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle, S. 215
qui tacet consentire videtur
»Kennen Sie das Stück?« lautete Torzows erste Frage.
»Natürlich!« ging ihre militärisch anmutende Entgegnung durch den Zuschauerraum.
»Was haben Sie in der ersten Szene darzustellen und innerlich zu erleben?«
»Alarm und Verfolgungsjagd.«
»Kennen Sie die Eigenart dieser Handlungen und Zustände?«
»Ja!«
»Wir werden ja sehen. Aus welchen physischen und elementar-psychologischen Aufgaben und Handlungen setzen sich die Szenen des nächtlichen Alarms und der Verfolgungsjagd zu-sammen?«
»Noch schlaftrunken müssen wir erkennen, was geschehen ist. Müssen herausfinden, was niemand so recht weiß. Einander befragen, widersprechen, streiten, wenn uns die Antworten nicht befriedigen, eigene Ansichten von uns geben, Zustimmung äußern, Unbegründetes überprüfen oder zu beweisen suchen.
Konstantin Sergejewitsch Stanislawski, Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle, S. 215
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