Theater
22.03.2005 um 03:31
"Möchte mal wissen ,was ihr so vom Theaterbetrieb im allgemeinen haltet, und was ihr über die Subventionen denkt, die die Theater erhalten. Also, aus meiner Sicht ist diese ganze Theaterlandschaft einfach nur noch eine dekadente Spielwiese für selbstverliebte Exzentriker, die auf Teufel komm raus die Öffentlichkeit provozieren wollen. Und überhaupt, wer besucht denn überhaupt noch Theaterstücke, also ich denke mal nicht, daß das bei jüngeren Menschen noch ein Thema ist. Theater ist im Grunde nur ein Angebot für eine Minderheit, da ist es aus meiner Sicht nicht einzusehen, daß die Theater sich nicht dem Wettbewerb zu stellen brauchen wie andere Anbieter von Unterhaltung.
Wieso finanziert die Öffentlichkeit die Theatermacher überhaupt noch in Zeiten knapper Kassen? Damit diese die Möglichkeit haben , uns immer wieder aufs neue schockieren zu können -oder was diese Leute eben für schockierend halten -und jedes Tabu willkürlich zu brechen ,daß ihnen unter die Finger kommt?
Also, aus meiner Sicht macht das Ganze keinen Sinn mehr, vor allem weil die Öffentlichkeit schon längst schockresistent ist, und die Eskapaden der Theaterregisseure nur mit einem müden Lächeln vom Rande aus betrachtet."
Mal wieder was zum Thema. Neurotiker war schon lang nimmer da.
Was lesen wir in seinem Eingangspost? Eine Menge willfähriger Verallgemeinerungen wie, "dekadente Spielwiese für selbstverliebte Exzentriker", "also ich denke mal nicht, daß das bei jüngeren Menschen noch ein Thema ist.", "Theater ist im Grunde nur ein Angebot für eine Minderheit,".....
Soso, Theater ist also nichts für junge Leute und alte sollten sich auch besser fern halten, weil das kostet nur Geld. Minderheiten...gehören weggesperrt....Aha! Woher kennen wir diese Argumentationstaktik? Ist ein Neurotiker persönlich gebeutelt durch das Theater? Nimmt das Theater diesem seine Essensmarken weg? Muss jener persönlich hungern und dürsten, weils das Theater gibt? Ist der Mensch Neurotiker in seiner Würde eingeschränkt, weils Theater gibt? Ist der Mensch Neurotiker in seiner Freiheit eingeschränkt, weils das Theater gibt? Bringt das Theater den Menschen Neurotiker um seine Gesundheit?
Ich denke, mit Einschränkungen, ja. Das Thater an sich bringt den Menschen Neurotiker um seine geistige Gesundheit. Es stellt für ihn eine Bedrohung dar! Es, das Theater, behindert ihn. Warum? Das mag er uns in seiner vielfältigen Einfalt selbst mitteilen. Demnächst in diesem Theater.
Was können wir Theaterliebhaber für einen so vehement argumentierenden "Theaterkritiker" tun? Ihm eine Dauerkarte schenken? Möglicherweise.
Zuforderst hier ein mögliches Stück zur Befreiung des Geistest sämtlicher neurotischen "Theaterkritiker", die sich aufs gemeinwohlwollende "kritische" Argumentieren verschanzt haben:
Der Mann von La Mancha
Staatstheater am Gärtnerplatz, München
Besprechung der Premiere vom 27. Juni 04
Fast vierzig Jahre alt ist das Musical „Der Mann von La Mancha“, ein alter Schinken in der relativ jungen, oftmals kurzlebigen, Musicalwelt. Allem bühnentechnischem Hokuspokus neuerer Musicals zum Trotz, behauptet es sich als schlichter Musicalklassiker und wird immer wieder gerne in den Spielplan der Theater aufgenommen. Ist doch die auf dem Musical beruhende Geschichte des spanischen Dichters Miguel de Cervantes Saavedra von Don Quixote, dem „Ritter von der traurigen Gestalt“ ein Stück Weltliteratur, ein Monument menschlicher Gescheitheit und Narrheit.
Das Münchener Staatstheater am Gärtnerplatz hat für die Neuinszenierung dieses Klassikers den Kabarettisten Bruno Jonas für die Regie verpflichtet. Jonas spielt zugleich die Hauptrolle des Cervantes/Don Quijote.
Herausgekommen ist eine erfrischende, spaßige und natürlich deutlich kabarettistisch gefärbte Aufführung. Beispielsweise wenn gleich am Anfang Cervantes über eine hohe rote Treppe unten im Gefangenenlager angekommen ist und fragt, ob der Ackermann auch hier sei. Oder ob hier jemand wegen Parteienfinanzierung säße. Auch Yoda, Luke Starwalker, Obi Baumarkt und Klosterfrau Melissengeist, Ossis und Viagra aus der Flasche u.v.m. sind Begriffe, die geschickt eingearbeitet wurden und stets gut passen. Das selbst das Musical nicht so ernst genommen wird, zeigt sich auch im Dulcinea Lied, wenn plötzlich kurzfristig die Maria aus der West Side Story angebetet wird, oder später Kant zitiert wird, der doch noch gar nicht lebte. Derartige Einlagen gibt es fortlaufend, so daß das Zuhören zum wahren Genuß wird.
Mit der Mehrfachvergewaltigung Dulcineas (im Schattenspiel) hält ein tragischer Moment Einzug und bei der Sterbeszene schließlich ist im Zuschauerraum großes Schluchzen angesagt, so ergreifend wird das Spiel im Spiel erlebt.
Ein dickes Lob an Bruno Jonas, der dem Musical eine noch lustigere, unterhaltsamere Note gegeben hat und von der sonst schweren Last befreit hat. Der Musicalbesucher dankt es ihm, auch wenn Jonas sich von der Intension des Originals entfernt, das Thema Wirklichkeit und Traum sowie Don Quijote´s Phantasien nicht so sehr in den Mittelpunkt stellt. Als Schauspieler bleibt er sich selbst treu, sein kabarettistisches Ich legt er zu keiner Zeit ab. Gesanglich schlägt er sich wacker, mehr wird von ihm hier auch nicht erwartet.
An seiner Seite als getreuer Diener / Gefährte Sancho Pansa mit stets einem Spruch parat, Gunter Sonneson. Die gebürtige Dänin Marianne Larsen gibt die Magd Aldonza / Dulcinea zunächst als energisches, rauhes und wildes Weibsbild, das die Männer heiß macht, später dann verletzt, zerbrochen und stets mit großartigem Gesang. Dazu ein großes Ensemble, das Orchester spielt unter der musikalischen Leitung von Andreas Kowalewitz.
Ein großer Gewinn für die Aufführung sind zudem die tanzenden Maultiertreiber, die unter der Choreographie von Ramses Sigl viel Pep und Schwung in die Aufführung hinein bringen.
Das Einheitsbühnenbild von Heinz Hauser zeigt einen bühnengroßen, leeren Raum: stets das Gefangenenlager, in dem die Abenteuer Don Quijotes stattfinden. Die in die Freiheit führende überdimensionale rote Treppe wird während der Spiel im Spiel-Handlung nach oben gefahren und schwebt gleichsam der ständigen Präsenz der Aufseher, ständig über dem Raum. Nur für die Gefängnisaufseher wird sie herabgelassen. Eine gute Lösung, um die beiden Handlungsebenen deutlich voneinander zu unterscheiden.
Wechselnde Hintergrundbilder, zum Teil Schattenspiele sorgen mit dem dezenten Licht von Georg Boeshenz für eine stimmungsvolle, dunkel gefärbte Atmosphäre, die jedoch nicht in die Düsterheit führt. Die an den Originalstoff angelehnten Kostüme stammen von Zwinki Jeannée.
Für Don Quijote ist es Wahnsinn, das Leben so zu sehen, wie es ist. Mut zum Träumen ist also angesagt, denn Träume geben dem Leben Leben.
Wer ein besseres Stück findet, was zur "Volksgesundheit" von besagten Neurotikern beiträgt, immer her damit. Es kann nicht genug Medikamente gegen diese besondere Spezies der Verherrlichung von Selbstverstümmelung geben.
Gruß
Die Reihenfolge ist:
Regnerisch kühl, Schaufensterbummel, Hundekot.