Unruhen in der Ukraine
03.06.2014 um 23:24
Ost-Ukraine Angesichts der grausamen Vernichtungsaktion, die derzeit im Donbas gegen die Separatisten durchgeführt wird, bleibt nur die Hoffnung auf eine russische Intervention.
Die westlichen Regierungen rufen nach einer Entschärfung der Lage in der Ostukraine durch Russland. Der Ruf nach Putin ist berechtigt. Allerdings anders als gedacht. Der Zeitpunkt für eine militärische Intervention durch Russland in der Ukraine ist längst überfällig. Die westlichen Berater in Kiew scheinen die Regierung eher zu weiterem Blutvergießen im Osten aufzufordern.
Es sind unvorstellbare Grausamkeiten, die über den Krieg gegen die Separatisten im Osten der Ukraine berichtet werden. Dabei unterscheiden sich offizielle Medien und die sozialen Netzwerke lediglich in der Intensität der Berichterstattung. Inhaltlich berichten beide von etlichen Toten, Angst und Chaos im Donbas.
Unsere Freundin Natascha berichtet, dass niemand mehr seine Kinder zur Schule schickt, seit Tagen schon. Die Lage in Lugansk ist zu gefährlich, zu gefährlich einzukaufen, die Geschäfte sind leer.
Auch in den anderen Städten des Ostens sieht es nicht besser aus. Die Leute fahren, wenn sie zur Arbeit fahren, möglichst nicht mehr mit dem eigenen Auto. Das Passieren von Kontrollpunkten der Kiewer Truppen ist dabei gefährlicher, als es die Kontrollpunkte der Separatisten sind. Für die Regierungstruppen ist auch jeder Zivilist ein möglicher Terrorist. Die Bewaffneten Kiews, die man meist nicht der regulären Armee zurechnen kann, verlieren schnell die Nerven. Ein bekanntes Video zeigte kürzlich, wie ein Lada Niva, dessen Fahrer einen Kontrollpunkt in der Region passieren wollte, ohne anzuhalten, regelrecht zusammengeschossen wurde.
Die Separatisten scheinen hunderte von Kämpfern verloren zu haben, aber in den Leichenhallen finden sich auch Zivilisten. Fehlende Gliedmaßen weisen auf schweren Beschuss hin, keine automatischen Waffen, sondern Granaten und Bomben. Auf einem Feld bei Slovjansk wollen Einheimische hunderte von Toten gesehen haben, von denen manche regelrecht aufgeschnitten waren. Vermutungen, dass ihnen Organe entnommen wurden geistern durch die sozialen Netzwerke.
Poroschenko, der frisch gewählte Präsident, will das Land befrieden, aber erst nachdem alle „Terroristen“ von ukrainischem Territorium verschwunden sind. Verschwunden?
Das ist mehr als eine Kampfansage, wenn man bedenkt, dass viele derer, die dort bewaffneten Widerstand gegen die Regierung in Kiew leisten, Ukrainer sind. Sollen die verschwinden? Wohin?
Es ist der Zeitpunkt, wo man anfangen darf, nach Massengräbern zu suchen.
Gräber auch von Soldaten der ukrainischen Armee, die übergelaufen sind und dann von der Nationalgarde und Söldnern getötet werden. Heute sehen wir in den Newstickern Bilder von einem LKW, der komplett zerschossen wurde und buchstäblich mit platten Reifen in einer Blutlache steht. Die Opfer waren Separatisten.
Die Medien bei uns beziehen keine Stellung zu dem Morden, zu einer Strafaktion der westlichen Regierung, die auch die Bevölkerung trifft und tötet. In jedem anderen Land würde man nach einer Blauhelm-Mission rufen, würde die Regierung dringend auffordern, das Töten zu beenden und endlich Verhandlungen aufzunehmen. In der Ukraine hört man sich seelenruhig die Vernichtungsdrohungen des neu gewählten Präsidenten an. Unkommentiert. Kaum empört.
Es gibt für viele dort im Donbas nur eine realistische Hoffnung, das Blutvergießen zu beenden. Das ist eine Intervention der russischen Armee.
Inzwischen darf man von den westlichen Beratern, die in Kiew ein und ausgehen kaum noch eine Änderung der Situation erwarten. Verhandelt wird mit der Bevölkerung im Osten genauso wenig, wie mit den Separatisten. Alle Diplomaten des Westens scheinen diese Prämisse zu teilen. Nicht zu verhandeln aber, bedeutet weiter zu töten, solange bis auch der letzte „Terrorist“ verschwunden ist.
Verschwunden!
Der Westen hat ein äußerst blutiges Konzept, die Ukraine an Europa zu binden. Territorium ist plötzlich ganze Ströme von Blut wert. Die Regierung in Kiew und ihre Berater scheinen sich da einig zu sein.
Unter diesen Bedingungen ist eine militärische Bereinigung der Lage und die Vertreibung der Kiewer Militärs und Paramilitärs aus der Ostukraine durch die russische Armee vermutlich noch die humanste Lösung.
Wir wissen aus Syrien, wie schnell und ungerührt die westlichen Regierungen tausende von zivilen Opfern akzeptieren, damit sie ihr Freund-Feind-Schema aufrecht erhalten können. In solchen Bürgerkriegen, die oft sogar von westlichen NGOs angezettelt wurden, wie man inzwischen aus dem arabischen Frühling weiß, ist der Westen weder willens noch in der Lage einen klaren Schnitt zu machen.
Sowohl Amerika, als auch die EU sind zwar in der Lage Länder und Landstriche anzuzünden, versagen aber als Feuerwehr kläglich.
Im Irak sieht man seit Jahren, wie man dort verfeindete Bevölkerungsgruppen blutig gegeneinander anrennen lässt, nachdem Amerika das Land von einem Diktator befreit hat. So viele Tote hätte Hussein nicht einmal mit allen fantasierten biologischen und chemischen Waffen verursachen können, wie es die Nato mit ihrer Militärintervention und der anschließenden Zerstörung des Landes geschafft hat.
Der Irak ist heute immer noch ein Schlachtfeld. Syrien ist der derzeitig aktuelle Kandidat für eine solche Entwicklung und in der Ukraine bahnt sich derzeit dasselbe Szenario an.
An dieser Stelle kann man zu Putin stehen wie man möchte.
Ich persönlich hoffe, dass er durch eine schnelle und übermächtige Militärintervention im Osten der Ukraine das Morden beendet. Mein Glaube an die friedliche Kraft unserer „Demokratien“ hat sich erledigt.
http://www.freitag.de/autoren/soenke-paulsen/nur-russland-kann-helfen