Ich hätte nichts dagegen, wenn die Sanktionsparagraphen komplett abgeschafft würden. Das Problem sind aber weniger die Paragraphen, sondern die unsachgemäße Handhabe der Gesetze. Dazu reicht bereits ein Blick in die Rechtsfolgenbelehrung der Eingliederungsvereinbarung. Es wird dort angedroht, dass das Arbeitslosengeld komplett entfallen kann, bei wiederholten Regelverstößen. Ebenso wird der Verlust der Übernahme der Kosten der Krankenversicherung angedroht, die aber erhalten bleiben kann, wenn zusätzlich Sachleistungen beantragt werden. Desweiteren wird angedroht, dass zunächst vorhandenes Vermögen bzw. Einkommen eingesetzt werden muss, bevor diese Sachleistungen überhaupt bewilligt werden können. Das wäre nichts Besonderes, das sieht das Gesetz ja sowieso vor. Aber es gibt per Gesetz auch unantastbare Schonbeträge. Über diese setzt sich die Rechtsfolgenbelehrung komplett hinweg.
Hier der auszugsweise Originaltext der Rechtsfolgenbelehrung :
Führen die Leistungsminderungen dazu, dass gar kein Arbeitslosengeld II mehr gezahlt wird, werden auch keine Beträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt.
Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs können auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese sind grundsätzlich zu erbringen, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben. Beachten Sie aber, dass Sie vorrangig Ihr Einkommen und verwertbares Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einsetzen müssen. Bei einer Gewährung von Sachleistungen oder geldwerten Leistungen bleibt der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz bestehen.
und weiter
Wenn Sie erstmals gegen die mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen verstoßen (siehe Nr. 2. Bemühungen des Kunden), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30 Prozent des für Sie maßgebenden Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II gemindert.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass bei einem wiederholten Verstoß gegen die mit Ihnen vereinbarten Bemühungen das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 60 Prozent des für Sie maßgebenden Regelbedarfs gemindert wird. Bei weiteren wiederholten Pflichtverstößen entfällt Ihr Arbeitslosengeld II vollständig. Die Kosten der Unterkunft und Heizung werden dann in der Regel direkt an Ihren Vermieter oder einen sonstigen Empfangsberechtigten gezahlt.
Mit den Kosten der Unterkunft und Heizung haben die Jobcenter bzw. die Arbeitsagentur direkt gar nichts zu tun. Das regeln die Kommunen. Sanktionierbar ist, wenn überhaupt, nur der Regelsatz nach §20 SGB II. Sie können das Geld also lediglich verwalten, nicht aber streichen. Wenn man nach den Daten des Bundeshaushaltes geht, laufen die Gelder für ALG II (18,96 Mrd €) auch auf anderen Kanälen, als die Kosten der Unterkunft und Heizung (4,7 Mrd €). Siehe Daten des Bundeshaushaltes :
http://www.bundeshaushalt-info.de/startseite/#/2013/soll/ausgaben/einzelplan/1112.html (Archiv-Version vom 18.11.2013)Sowohl die Übernahme der Krankenkasse also auch die Mietkosten werden gegnüpft an die Auszahlung der Geldleistung des Regelsatzes. Allerdings wird das Gesetz hier, zu Ungunsten der Leistungsberechtigten ausgelegt, denn es ist lediglich von Leistung in §26 SGB II die Rede. Die Leistung des Jobcenters umfasst nach §4 aber mehr als nur Geldleistungen. Sämtliche Serviceleistungen bleiben ja auch im Sanktionsfall erhalten, andernfalls müsste das Jobcenter dem Kunden fristlos kündigen und das geht nicht, denn der Bedürftige bleibt weiterhin bedürftig.
Ein genaues Studium der Dienstanweisungen der Arbeitsagentur und ein Vergleich mit der Gesetzeslage lohnt sich :
https://www.arbeitsagentur.de/nn_166486/zentraler-Content/A01-Allgemein-Info/A015-Oeffentlichkeitsarbeit/Allgemein/IW-SGB-II-Fachliche-Hinweise.html (Archiv-Version vom 07.12.2013)Allerdings ist das nichts für schwache Nerven. Wie die mit dem Gesetz umgehen ist höchst zweifelhaft, um nicht zu sagen illegal. Und die Regierung tut nichts, weil es ein Instrument der Machtdemonstration ist und den Lobbyisten zugute kommt.