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Aktuelle Unruhen in der Türkei

3.857 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Türkei, Proteste, Polizeigewalt ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Aktuelle Unruhen in der Türkei

24.06.2013 um 00:00
@Lightstorm

Aus dem Wiki-Artikel
Sie wurde zu einem aktiven Sprachrohr der Oppositionsbewegung gegen Slobodan Milošević in Serbien.
Was ist daran nun schlecht?
Zitat von LightstormLightstorm schrieb:Und deren Finanziers überwiegend US-Behörden sind.
Es sind nicht überwiegend Behörden (steht auch im Wiki-Artikel).

Ebenfalls steht im Wiki-Artikel deutlich

Wikipedia: Otpor#Otpor-Aktivit.C3.A4ten in verschiedenen Staaten

dass die Organisation in verschiedenen Staaten nur unterstützend (!!) tätig war, und zwar für bereits vorhandene dortige Bewegungen / Organisationen.

Hier finde ich auch nichts Schlimmes!
zeigen sich auch hier die typischen Elemente einer direkt oder indirekt durch Otpor angeregten 'friedlichen' Revolution im Nachgang einer angezweifelten Wahl.
Und bedrohlich sind sie auch nicht
Otpor scheiterte mit 1,6 Prozent der Stimmen bei der Parlamentswahl 2003 an der 5 Prozent-Hürde und trat daraufhin in Serbien 2004 offiziell der Partei Demokratska Stranka bei.



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Aktuelle Unruhen in der Türkei

24.06.2013 um 00:50
@CurtisNewton
Zitat von CurtisNewtonCurtisNewton schrieb:Was ist daran nun schlecht?
Ein türkischer Muslim könnte auch fragen was an Organisationen/Behörden wie DITIP oder Mili Görüs schlecht sei, sie seien fromme Leute die sich für fromme Ideen einsetzen. Oder was ist an salafistischen Vereinen in D mit saudischen Finanziers schlecht? Für ein Muslim machen die doch gute Arbeit für eine gute Sache und sind grundsätzlich friedlich in ihren Methoden. Und bekommen auch nicht ausschließlich Geld von Politik und Eliten sondern auch von normalen Leuten, Spenden...

So fragst du was an einer Organisation wie Otpor! schlecht sein soll, Leute die sich für Demokratie einsetzen bzw. Bewegungen und Leute unterstützen die Demokratie anstreben.
Schlecht an solchen vermeintlich unbedenklichen Institutionen ist, dass der politische Einfluss von hinten, diese Organisationen für politische Zwecke instrumentalisiert.
Zitat von CurtisNewtonCurtisNewton schrieb:dass die Organisation in verschiedenen Staaten nur unterstützend (!!) tätig war, und zwar für bereits vorhandene dortige Bewegungen / Organisationen.
In jedem Land gibt es Unterdrücker/Konservative und Freiheitskämpfer/Liberale.
Mit genug Ressourcen und Macht könnte man auch Deutschland ins Chaos stürzen und letztendlich den Nazis wieder an die Macht verhelfen. Alles eine Frage der Macht, der Samen verschiedener Ideologien existiert fast überall.
Und es ist natürlich besonders einfach, Freiheitsbewegungen weiter anzufeuern, gegen Regime die man vorher manchmal selber gefördert hat.

Mein Fazit lautet das wir ein gesundes Misstrauen benötigen.

Ich behaupte nicht das hinter den Unruhen in der Türkei eine gezielte Operation/Förderung steckt. Ich weiß es nicht.
Ich sage das diese Möglichkeit nicht lächerlich ist, weil es der Politik sowieso zuzutrauen ist, weil es schon solche Fälle in der Geschichte nachweislich gab und weil es heute Indizien darauf gibt, dass immer noch solche Einflussnahme existiert.

Wenn also jemand Verschwörung schreit und der andere es als typische Verschwörungstheorie abtut, gibt es hoffentlich jemanden, der nüchtern die Informationen versucht zu prüfen, um Tatsachen von Übertreibung zu trennen.


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

24.06.2013 um 01:56
moin, interessante diskussion hier


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

24.06.2013 um 02:51
@Lightstorm

Von otpor habe auch ich zum ersten mal im zusammenhang mit den unruhen in der Türkei gehört und nach dem Video, hab ich mich einerseits gerfreut... ich hab mir vor zwei Jahren gesagt, die Unruhen und Umstürze in Nordafrika mußten von außen geplant und unterstützt worden sein (zwei Jahre,wie dem Video zu entnehmen ist) und nicht spontan entstanden, wie Westerwelle vor den Kameras berichtet hat... andererseits sag ich mir, wem nützt denn das ganze ? mal abgesehen von der Legitimation: Wir stürzen einen Diktator!
Denn mit welcher Macht, sollte sich das unterdrückte Volk gegen den Übermächtigen Diktator wehren ?
Und ich bin mir sicher, daß die das nicht gemacht haben, weil sie "gutmenschen" sind und dem armen Volk helfen wollten, die wirklich unter einer Diktatur jahrzehnte leben mussten...

Entweder waren die Diktaroren nicht mehr in der Laune, mit den "mächtigen" dieser Welt mitzuspielen oder die Interessen der "mächtigen" hatte sich geändert... und es mussten neue spieler her!?
durch otpor hatte man also ein cooles und erprobtes tool, relativ kostengünstig und ohne kriegswaffeneinsatz die vorhandenen machtverhältnisse in dem gewünschten Land zu ändern

Aber was wird dazu benötigt ? Ein Massenaufstand ! Es werden die angriffspunkte/missstände der Bevolkerung als ausgangspunkt genommen, verstärkt zu einer vorerst kleineren Demo und dann durch "geschicktes handeln" zu einer größeren Demo und schließlich zur gewünschten Massenbewegung gebracht, die die kritische Masse erreicht. Eigentlich ganz einfach.
Wenn man dazu beitragen kann, daß möglichst viele betroffene Menschen möglichst viele emotionen aufladen können, die man dann auf die Straße bekommt. Die geschulten Anführer suchen sich natürlich die Lokation aus, die am wirksamsten für die öffentlichkeit ist. Mit FB, Twitter, TV und Medien kann man da heute ja sehr viele Menschen sehr schnell mobilisieren. Fertig ist der Umsturz :-)


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

24.06.2013 um 15:04
Spiegel-Online

Gül contra Erdogan


http://www.spiegel.de/politik/ausland/regierungskrise-in-der-tuerkei-bruderkampf-in-ankara-a-907200.html


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 06:28
“Da wurde viel Öl ins Feuer gegossen”

Die Medien, deutsche wie türkische, haben sich mit Ihrer Berichterstattung über die Unruhen am Taksim Platz in Istanbul und über Erdoğan nicht mit Ruhm bekleckert, sagt Journalist und Buchautor Eren Güvercin im Gespräch mit MiGAZIN. Aber auch die Türkeistämmigen in Deutschland hätten Schwarz-Weiß-Bilder vermittelt.

MiGAZIN: Seit Beginn der Unruhen am Taksim Platz in Istanbul vor etwa vier Wochen, beobachten Sie als Journalist die Ereignisse mit großer Aufmerksamkeit. Über welche Quellen haben Sie sich informiert?


Eren Güvercin: Ich informiere mich über verschiedene Quellen. In erster Linie natürlich wie jeder andere über die üblichen Medien, sowohl türkischsprachige als auch deutschsprachige. Aber da die Medienberichterstattung über die Proteste eher dürftig waren, habe ich natürlich Twitter genutzt, um mich über die Entwicklungen auf dem laufenden zu halten. Ich habe auch viele Freunde in Istanbul. Das war ganz spannend mich mit ihnen auszutauschen, weil sie aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten und Milieus kommen, und somit die Dinge auch ganz anders sehen. Da wurden mir die verschiedenen Blickwinkeln der Menschen vor Ort noch einmal bewusst.

Welchen Eindruck hinterlassen die Medienberichte bei Ihnen?

Güvercin: Es war ein Armutszeugnis, dass fast alle türkischen Medien in den ersten Tagen die Proteste einfach vollkommen ignoriert haben. Und zu Recht wurde dies durch westliche Beobachter kritisiert. Diese fehlende Berichterstattung hat auch dazu geführt, dass Akteure – egal ob von Regierungsseite oder Regierungsgegner – Falschinformationen in Umlauf gebracht haben. Es kursierten etwa Bilder von Verletzten mit angeblichen Kopfschüssen, aber schnell hat sich herausgestellt, dass dies Bilder von den Kämpfen in Syrien und dem Irak stammten. Oder es wurden Bilder in Umlauf gebracht, die angeblich einen Protestzug auf der Bosporusbrücke zeigten, aber in Wahrheit waren das Bilder vom Istanbuler Marathon. Leider sind ganz schnell Trittbrettfahrer in Erscheinung getreten, die gezielt die Proteste für ihre politischen Zwecke instrumentalisieren wollten und dies auch ein Stück weit geschafft haben. Da wurde viel Öl ins Feuer gegossen.

Nicht wenige Türkeistämmige kritisieren auch die hiesigen Medien.

Güvercin: Das ist ein wichtiger Punkt. Kritik an türkischen Medien, alles schön und gut. Aber unsere Medien hier in Deutschland haben sich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Bei allem Respekt, es ist kein Anzeichen von seriösem Journalismus, wenn man mit dem Finger auf die anderen zeigt und bei denen mangelnde Berichterstattung kritisiert, aber nicht vor der eigenen Haustür kehrt. Die Medienberichterstattung hier in Deutschland war sehr tendenziös und hat bei vielen hier lebenden Türken den Eindruck vermittelt, dass die Medien einer bestimmten Agenda folgen.

In den letzten Jahren herrschte eine hohe Inflation an sogenannten Islamexperten, in den letzten Wochen hatten wir eine Explosion, was die sogenannten Türkeiexperten angeht. Und durchgehend konnte man beobachten, dass diese angeblichen Türkeiexperten eine Version der Ereignisse und deren Hintergründe vermittelt haben. Wenn wir uns diese Experten genauer anschauen, sind diese oft türkeistämmige Linke oder Kemalisten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein sehr großer Teil der in Deutschland tätigen türkischstämmigen Journalisten dem linken oder kemalistischen Lager angehören. Andersdenkende Journalisten haben kaum Möglichkeiten Fuß in diesen Redaktionen zu fassen. Da dominiert die Ideologie, dementsprechend werden mögliche Redakteure und Mitarbeiter ausselektiert. Man braucht nur ihre Beiträge der letzten Jahre sich anzuschauen.

Es gibt natürlich auch in den Redaktionsstuben hier bei uns die seltsame Vorstellung, dass alles, was in der Türkei mit dem Islam zu tun hat, erst einmal negativ betrachtet wird, und im Gegensatz dazu alles Säkulare positiv gesehen wird. Das führte dazu, dass eben diese Stimmen ausschließlich zu Wort kamen. Es gibt nicht nur die Positionen Pro-Erdoğan oder Anti-Erdoğan, sondern es gibt viele Stimmen innerhalb der türkisch-muslimischen Community hier in Deutschland aber auch in der Türkei, die die Hintergründe dieser Proteste jenseits einer ideologischen Zugehörigkeit differenziert betrachten. Die deutschen Medien haben genauso wie die türkischen Medien versagt. Das muss ich ganz offen sagen.

Wie bei der „Islamdebatte“ herrscht in den deutschen Medien anlässlich der Unruhen in der Türkei eine Selektion, wenn es um „Experten“ geht, die die Entwicklungen in der Türkei analysieren sollen. Alternative Sichtweisen, die die Dinge jenseits der politischen Lager beurteilen, sind kaum bis gar nicht vorhanden. Wenn wir uns die Rhetorik und Panikmache dieser Türkeiexperten uns anschauen, unterscheiden sie sich nicht sehr von PI-Leuten oder anderen islamfeindlichen Gruppen hier in Europa. Seit 30-40 Jahren reden diese Kreise von einer Islamisierung und einer Einführung der Scharia in der Türkei, ohne auch nur annähernd erklären zu können, was eigentlich die Scharia ist. Diese Panikmacher angelehnt an Patrick Bahners gleichnamigem Buch gibt es also nicht nur hier bei uns in Deutschland, sondern die gab es schon viel vorher in der Türkei.

Der Spiegel hat heute ihre Titelstory zu den Protesten auch in türkischer Sprache gedruckt…

Güvercin: Ach ja, der Spiegel… Das wird sicher ein wichtiger Beitrag für den deutsch-türkischen Kulturaustauch werden. Der Spiegel engagiert sich ja sehr auf diesem Gebiet, exemplarisch ist da etwa der großzügige Vorabdruck von Sarrazins Werk „Deutschland schafft sich ab“ zu nennen und die zahlreichen netten Titelseiten, die sich u.a. den türkischstämmigen Mitbürgern und den Muslimen widmeten. Vielleicht bedankt sich die türkische Presse mit einem Sonderteil in deutscher Sprache, was sich mit dem NSU-Komplex beschäftigt. Der Spiegel und die deutsche Medienlandschaft kann sicher noch das eine oder andere lernen, was den Umgang mit Phänomenen eines „tiefen Staates“ angeht. Die Sonderausgabe ist schön gemacht, liefert aber die übliche einheitliche Soße, die uns von den Medien seit zwei Wochen vorgesetzt werden. Geglänzt hat der Spiegel für mich jetzt damit nicht.

Was glauben Sie ist der Grund dafür, dass zumindest Teile der Demonstranten in Deutschland kaum hinterfragt wurden?

Güvercin: Wenn sie ehrlichen Journalismus bei diesem Thema betreiben wollen, stehen sie vor einem Dilemma. Versucht man differenziert die Lage zu beurteilen, besteht die Gefahr von Erdoğan-Anhängern als Vaterlandsverräter abgestempelt zu werden, aber gleichzeitig wird man von Erdoğan-Kritikern, die schon von einer Diktatur sprechen, als ein Undercover-Journalist bezeichnet, der PR-Arbeit für Erdoğan macht. Sie können es also niemanden recht machen. Aber das ist ehrlich gesagt auch nicht mein Anliegen als Journalist. Ich pfeife darauf, ein paar Gummibärchen von irgendjemandem zu bekommen.

Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Als ich einmal erwähnt habe, dass man die Besetzung eines öffentlichen Parks über mehrere Tage nicht mehr als Demonstration bezeichnen kann, und dass in jedem Land, auch bei uns in Deutschland, die Polizei früher oder später diese Aktion auflösen würde, hat man mir sofort unterstellt, die Erdoğan-Regierung zu verteidigen.

Bei allen Emotionen muss man sich aber einmal klarmachen, dass die ehrlichen Demonstranten von extremistischen Randgruppen instrumentalisiert wurden. Das Atatürk Kulturzentrum am Taksimplatz etwa war regelrecht mit riesengroßen Fahnen von Terrororganisationen tapeziert, die sogar in Europa auf den Terrorlisten gelistet sind. Stellen Sie sich einmal eine Demonstration in Berlin vor, die von RAF-Terroristen gekapert werden würde, mit RAF-Fahnen etc.? Wie würden die deutsche Polizei und das Innenministerium reagieren? Wir können es erahnen, wenn wir uns anschauen wir brutal die deutsche Polizei gegen Occupy-Demonstranten in Frankfurt erst vor wenigen Tagen vorging.

Fakt ist, das Vorgehen der türkischen Polizei ist inakzeptabel gewesen. Fakt ist aber auch, dass diese Proteste vonseiten der Demonstranten auch keine Kuschelveranstaltung war. Schwarz-Weiß-Bilder, Freund-Feind-Schematas sind vielleicht sehr einfach zu übermitteln, aber die Realität ist eine andere. Und ich erwarte von Journalisten, dass sie ihre wie auch immer aussehende ideologischen-geistigen Hintergrund mal beiseite lassen und die Komplexität der Wirklichkeit versuchen zu vermitteln.

Obama war vor einigen Tagen in Berlin und wurde jubelnd von den Menschen und vor allem von den Medien empfangen. Wie hätte man wohl Erdoğan in Berlin empfangen, wenn er mit Drohnen Ziele am anderen Ende der Welt angegriffen hätte und Menschen in einem Lager gefangen halten würde, die nie vor einem Gericht standen?

Die deutschen Parteien waren auch sehr engagiert, insbesondere die Grünen und die Linkspartei.

Güvercin: Die türkischstämmigen Wähler beobachten das sehr genau. Bei den Wahlen wird das die eine oder andere Partei zu spüren bekommen. So ist das bei demokratischen Wahlen. Es grenzt an Heuchelei, wenn ein Volker Beck sagt, dass es für Erdoğan keinen Rabatt gibt bei den Bürgerrechten. Sein Einsatz ist sehr lobenswert, aber anscheinend gab es für das kemalistische Regime eine Rabattaktion, als noch vor wenigen Jahren kopftuchtragende Studentinnen brutal niederknüppelt wurden, als sie vor den Universitäten für ihr Recht auf Bildung demonstriert haben. Denn sie wurden lange Jahre aus den Universitäten verbannt. Und für Obama gibt es wohl auch einen Rabatt, auch wenn regelmäßig friedliche Demonstranten dort niederknüppelt werden und systematisch überwacht werden.

Um noch mal zurück auf die Türkei zu kommen, Ministerpräsident Erdoğan wirkt immer mehr autoritär. Manch einer bezeichnet ihn als Sultan.

Güvercin: Man merkt eine gewisse Machttrunkenheit, wenn man sich die letzten 2-3 Jahre anschaut. Das kritisiere ich genauso wie viele andere. Ich sehe zum Beispiel die neoliberale Wirtschaftspolitik der Erdoğan-Regierung sehr kritisch. Aber in ökonomischer Richtung hat der politische Islam in der muslimischen Welt bisher immer nur das übliche globale Modell kopiert. Daniel Bax in der TAZ hat es zutreffend als „Turbokapitalismus mit islamischen Antlitz“ bezeichnet.

Die Polizeigewalt war natürlich brutal, und da ist die Regierung in der Pflicht, diese Vorfälle lückenlos aufzuklären. Aber diese Vergleiche oder Bezeichnungen Erdoğan sei jetzt ein Sultan, Diktator, manch einer sprach sogar von einem Terrorregime, dies alles zeugt entweder von fahrlässigem Unwissen, oder aber diese Türkeiexperten verfolgen hier eine Agenda.

Ich frage mich, wo diese tollen Experten und Menschrechtsaktivisten, denen Türkei so am Herzen liegt, waren, als in den 90er Jahren noch massenweise junge Frauen, die wegen ihrem Kopftuch nicht an den Universitäten studieren durften, von Polizisten niedergeknüppelt wurden? Ich muss mal eins offen ansprechen: Diese kemalistischen Türkeiexperten, die jetzt von Sender zu Sender hüpfen, ich kaufe diesen Opportunisten einfach nicht ab, dass ihnen die Demokratie in der Türkei wirklich am Herzen liegt. Das kemalistische Establishment hat in etwa so viel mit Demokratie und Meinungsfreiheit zu tun, wie Kim Jong-Un in Nordkorea. Sie sind getrieben und angepeitscht von islamfeindlichen Einstellungen und Ressentiments. Ich weiß, dass wird der eine oder andere in den falschen Hals kriegen. Eine Trophäe werde ich dadurch auch nicht gewinnen. Aber es ist eine Frechheit, wie diese Steinzeitideologen sich bei öffentlich-rechtlichen Sendern hinstellen und etwa davon faseln, dass Erdoğan in der Türkei ein „Koransystem“ eingeführt habe. Was bitte schön soll ein Koransystem sein? Das sind Signalwörter, die bewusst von diesen Leuten eingesetzt werden, weil sie ganz genau wissen, was das bei den Zuschauern auslöst. Die Türkei war nie ein Iran und wird es auch nicht sein. Aber die Ewiggestrigen, die Atatürk als Heiligen verehren, können es nicht aushalten, dass die Muslime nun endlich offen und selbstbewusst ihren Glauben leben können, ohne Angst vom Militär verfolgt, gefoltert oder unterdrückt zu werden. Diese Zeit liegt nicht so weit in der Vergangenheit. Jeder weiß, in was für einem Unterdrückungsregime die Muslime in der Türkei gelebt haben.

Eine dumme Frage an die europäischen Beobachter hätte ich noch: War Atatürk ein Demokrat? Oder warum hörte man vom Westen recht wenig in den letzten Jahrzehnten, als das türkische Militär, die sich als Verteidiger des Kemalismus sah (bzw. sieht), die demokratischen Rechte der kurdischen, alevitischen und muslimischen Bevölkerung unterdrückte?

Leute wie Kenan Kolat und die TGD sind gern gesehene Erfüllungsgehilfen, indem sie Erdoğan Faschismus vorwerfen. Obwohl jeder Kegelklubverein mehr Mitglieder hat und im Gegensatz zur TGD demokratisch legitimiert ist, wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, die TGD und Kolat würden für die Türken in Deutschland sprechen. Kolat verfolgt eine politische Agenda, und es ist eine Frechheit, dass so jemand überhaupt in der Deutschen Islamkonferenz sitzt. Da fände ich es besser, wenn die ADAC dort sitzen würde. Die haben sicherlich mehr muslimische Mitglieder.

Besonders unter den alevitischen Türken ist aber großer Unmut zu spüren gegenüber der Erdoğan-Regierung. Sind diese vollkommen unbegründet?

Güvercin: Die Aleviten machen etwa 15 % der türkischen Bevölkerung aus. In der Vergangenheit haben die Aleviten sehr unter dem herrschenden System in der Türkei gelitten. Und was die Minderheitenrechte angeht, hat die Türkei noch sehr viel nachzuholen. Aber vermeintliche Lobbyorganisationen der Aleviten wie etwa die AABF betreiben gezielt Stimmungsmache. Sie versuchen die Ängste der alevitischen Bevölkerung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und nehmen alle Aleviten in Sippenhaft. Bei allen Problemen, die nach wie vor vorhanden sind, darf man aber auch nicht vergessen, dass Erdoğan der erste türkische Ministerpräsident war, der sich für das Massaker an den Aleviten 1937 entschuldigt hat. Übrigens war nicht etwa ein „islamistisches“ Regime für dieses Massaker verantwortlich, sondern Atatürk und seine damals regierende CHP. Diese Partei hat sich bisher immer noch nicht dafür entschuldigt. Es gibt aber noch viel zu tun, die Regierung sollte den Unmut und die Ängste der Aleviten in der Türkei ernst nehmen. Aber es ist bezeichnend, wenn ich sehe, wie die AABF die CHP-Linie unterstützt. Anscheinend geht es nicht um eine Interessensvertretung der alevitischen Bürger, sondern um andere Dinge. Das wäre vergleichsweise so, wie wenn ein Türke sich bei der NPD engagieren würde, aber die Interessen der NSU-Opfer vertreten wollte.

Was ist Ihre Einschätzung zum Geschehen? Werden die Demonstrationen etwas Positives bewirken oder blicken Sie eher negativ in die Zukunft?

Güvercin: Wir haben jetzt natürlich viele, die sich Untergangsszenarien ausmalen, aber ich halte nicht so viel von solchen Panikmachern. Ich finde es sehr gut, dass das, was anscheinend schon seit Längerem unter der Oberfläche brodelte, jetzt zum Vorschein gekommen ist. Und ich finde es positiv, dass besonders junge Menschen jetzt eine Bewegung in Gang gesetzt haben, was auf die Zukunft der Türkei hoffentlich einen sehr positiven Einfluss haben wird. Ich hoffe, dass die Regierung ihre Lehren daraus zieht und merkt, dass sie kurz davor steht, eben in jenen Zustand zu verfallen, was die AKP anfangs selber kritisiert hat an den Kemalisten, nämlich die Abdrängung Andersdenkender an den gesellschaftlichen Rand.

Die Regierung muss lernen für alle Menschen in der Türkei da zu sein, egal was für einen Stimmanteil man hat. Für die türkische Zivilgesellschaft werden diese Proteste vom Vorteil sein, weil dadurch immer mehr Menschen noch bewusster sein wird, wie vielfältig die Türkei eigentlich ist. Die jungen Menschen protestieren, weil sie in den Oppositionsparteien keine Alternative sehen. Die Opposition ist ein einziges Desaster. Das ist eines der Grundprobleme in der politischen Landschaft der Türkei.

http://www.migazin.de/2013/06/24/da-wurde-viel-oel-ins-feuer-gegossen/2/


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 07:18
@Ayyub

Danke dafür, Respekt an Eren Güvercin. Ist wirklich das beste was ich bisher zum Thema gelesen habe.
Ich wünsche mir viel mehr Besonnenheit bei dem Thema, so wie es von Güvercin ausgeht.

Den Diskussionsverlauf in diesem Thread empfinde ich zum Großteil als extrem provokativ und frustrierend. Genau so läuft es leider viel zu oft auch in den Medien (türkische und deutsche).
Die Menschen werden weniger informiert, sondern weiter aufgestachelt, gestresst und in Feindseligkeiten fokussiert. Das ist jedenfalls auch mein empfinden, ich bin mittlerweile ziemlich gestresst von diesem Thema muss ich sagen, es weckt fast nur noch negative Emotionen.
Kann mir vorstellen, dass es eine ähnliche Wirkung der kritisierten Medien auf die Bevölkerung gibt. Provoziert und stresst man die Leute lange genug, fangen sie an ihre sachliche Sicht der Dinge zu verlieren, weil immer mehr Aggression die Beurteilung dominiert. Ein starkes Zeichen dafür das Propaganda betrieben wurde. Objektive Berichterstattung erzürnt Menschen nicht so sehr.


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 07:47
Streicht man im Interview die ganzen Nebenkriegsschauplätze und "Die Anderen haben doch auch-Ausflüge" bleibt eigentlich nur eines erwähnenswert
Zitat von AyyubAyyub schrieb:.... Wir haben jetzt natürlich viele, die sich Untergangsszenarien ausmalen, aber ich halte nicht so viel von solchen Panikmachern. Ich finde es sehr gut, dass das, was anscheinend schon seit Längerem unter der Oberfläche brodelte, jetzt zum Vorschein gekommen ist. Und ich finde es positiv, dass besonders junge Menschen jetzt eine Bewegung in Gang gesetzt haben, was auf die Zukunft der Türkei hoffentlich einen sehr positiven Einfluss haben wird. Ich hoffe, dass die Regierung ihre Lehren daraus zieht und merkt, dass sie kurz davor steht, eben in jenen Zustand zu verfallen, was die AKP anfangs selber kritisiert hat an den Kemalisten, nämlich die Abdrängung Andersdenkender an den gesellschaftlichen Rand.

Die Regierung muss lernen für alle Menschen in der Türkei da zu sein, egal was für einen Stimmanteil man hat. Für die türkische Zivilgesellschaft werden diese Proteste vom Vorteil sein, weil dadurch immer mehr Menschen noch bewusster sein wird, wie vielfältig die Türkei eigentlich ist. Die jungen Menschen protestieren, weil sie in den Oppositionsparteien keine Alternative sehen. Die Opposition ist ein einziges Desaster. Das ist eines der Grundprobleme in der politischen Landschaft der Türkei.
http://www.migazin.de/2013/06/24/da-wurde-viel-oel-ins-feuer-gegossen/2/
Das würde ich so unterschreiben.


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 08:08
@Heide_witzka


Was anderes hätte ich ohnehin nicht erwartet. Aber gut, deine Meinung sei dir gegönnt. Ich teile sie nicht ;)


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 09:48
@Ayyub
Was trägt denn von den ganzen Ausflügen noch etwas zum Thema bei?


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 10:19
Zitat von AyyubAyyub schrieb:Die jungen Menschen protestieren, weil sie in den Oppositionsparteien keine Alternative sehen. Die Opposition ist ein einziges Desaster. Das ist eines der Grundprobleme in der politischen Landschaft der Türkei.
Die Masse der echten Oppositionsparteien jeglicher Art werden heute doch nur durch die 10%-Hürde in der Türkei erschlagen!

Deswegen fangen auch die wenigsten an, sie überhaupt zu wählen wählen, weil ja logischerweise keine einzige Oppositionsgruppe in der Türkei die 100 Milliarden Lira aufbringen kann, mal eben 10% der Wähler hinter sich zu vereinen, nach gigantischen Werbekampagnen und massiver Unterstützung des Kapitals.

Das ist absolut sinnlos verschenkte Liebesmühe irgendwas neues in der Türkei zu wählen, wenn man nicht sofort mehr als 7 Millionen Menschen hinter der neuen Parteifahne organisieren kann. Das ist die taktische Verleitung der Wähler, für die man die Sperrklauseln auch erfunden hat!

Diese Land ist demokratisch tot, die AKP/CHP ein völlig unüberwindbarer Monoblock. Doch völlig verkalkte Machtstrukturen in denen überhaupt nichts neues mehr entstehen kann! :|


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 10:31
Deswegen ist die echte Opposition heute auch auf der Straße, doch nicht nur für ihre Ziele und unbedingt vereint, sondern doch vor allem erst mal nur für die, die nie die Chance erhalten haben, sich für ihre zu vereinigen!

Dafür geht heute jeder echte Demokrat auf die Straße und auch nicht mehr weg! :|


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 11:51
Ich frage mich nun seit etwas längerer Zeit, falls dies geschehen würde, wem ein sogenannter Bürgerkrieg in der Türkei nutzen würde... Vielleicht hat hier jemand ein paar sinnvolle Aussagen. Dieser Protest könnte sich in meinen Augen in diese Richtung zuspitzen...


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 13:48
Zitat von AyyubAyyub schrieb:Bei allem Respekt, es ist kein Anzeichen von seriösem Journalismus, wenn man mit dem Finger auf die anderen zeigt und bei denen mangelnde Berichterstattung kritisiert, aber nicht vor der eigenen Haustür kehrt.
Mangelnde Berichterstattung kann man aber nicht gleichsetzen mit Presse-Einschränkung.


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 17:35
@Ayyub

Wer 130.000 Tränengasgranaten auf Demonstranten schießt, vor deren Haustür wird dann halt zurecht ein riesiger Haufen geschissen, denn er symbolisiert das Verhalten des Erdogan.


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

25.06.2013 um 19:23
@fumo
Ich bin uneingeschränkt für die Umsetzung und Durchsetzung der Menschenrechte; ohne Einschränkungen!

Mir ging es ausschließlich darum, einen möglichen Grund aufzuzeigen, warum manche Länder die Menschenrechte zwar ratifizieren, sie im Endeffekt jedoch nicht umsetzen.

In dem Moment, wo die Mehrheit einer Gesellschaft nicht von der Einhaltung dieser Rechte - oder Teile dieser Rechte - überzeugt ist, stoßen sie auf Ablehnung, egal wie viele Verträge zuvor auf politischer Ebene unterschrieben worden sind.

Aus diesem Grunde muss zunächst ein Umdenken in den Köpfen der Menschen stattfinden; eine Sensibilisierung.

Wenn diese Sensibilisierung nicht aus dem Volk selbst erwächst, trägt die Politik die Verantwortung, durch entsprechende Impulse die Weichen in die richtige Richtung zu stellen.
Schön gesagt! Es gibt auch unter Demokratie und fortschrittlichen Regierungen viele Missbräuche in Sachen Menschenrechte, da gibt es genug vor der eigenen Tür zu kehren!!

In Türkei kenne ich mich zuwenig aus, um mehr als Partei für friedliche Demonstrationen zu ergreifen.

@Ayyub
Zitat von AyyubAyyub schrieb:Wie bei der „Islamdebatte“ herrscht in den deutschen Medien anlässlich der Unruhen in der Türkei eine Selektion, wenn es um „Experten“ geht, die die Entwicklungen in der Türkei analysieren sollen.
Zitat von AyyubAyyub schrieb:Bei allen Emotionen muss man sich aber einmal klarmachen, dass die ehrlichen Demonstranten von extremistischen Randgruppen instrumentalisiert wurden.
Interessanter Artikel!


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

26.06.2013 um 18:34
Kennt ihr das Video hier schon?
https://www.youtube.com/watch?v=0daS16bs6jY
(vorsicht - extrem laut!)

Polizist erschießt Demonstrant? Ich kann zwar kein Türkisch, aber das is einfach zu offensichtlich um es nich auf Anhieb zu schnallen...
Ein Hoch auf die Sicherheitsapperate dieser schnöden Welt, wir würden alle störben wenn wir die nich hätten!!!(einseinself)


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

26.06.2013 um 18:41
@kurvenkrieger
Ich denke der Polizist schiesst in die Luft, ist blöde gemacht mit den Pausen dazwischen. Aber die Pistole zeigt unmittelbar vor dem Schuss nach oben.


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

26.06.2013 um 18:56
@JoschiX
Und warum liegt der Demonstrant dann reglos am Boden?
Wenn da wirklich jemand erschossen wurde müßte man dazu doch was rausfinden können?
Für mich sieht das jedenfalls schwer nach "finalem Rettungsschuß" aus.
Was für ne Taktik fahren die da eigentlich? Rambocops in die Menge schicken?!?
Scheint jedenfalls keine Ausnahme zu sein:
https://www.youtube.com/watch?v=c1JwEPpujuM


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Aktuelle Unruhen in der Türkei

26.06.2013 um 19:03
@kurvenkrieger
Zitat von kurvenkriegerkurvenkrieger schrieb:Und warum liegt der Demonstrant dann reglos am Boden?
Das kann ich dir nicht beantworten aber ich sehe keinen Zusammenhang mit dem Schuss in die Luft und dem Verletzten. Das Bildmaterial lässt für mich, nach nochmaligem anschauen, keine Verbindung zu.


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