Objektivität und die sprachphilosophische Wende
28.09.2020 um 22:00Da ich immer wieder in Diskussionen gerate, die sich auf die Objektivität beziehen und es müßig ist die gleiche Diskussion mehrfach zu führen und es auch den eigentlichen Themen schadet, hier mal Thread der das bündeln soll. Und auf den ich dann bequem verweisen kann ohne jedes mal einen Krampf in der Hand zu bekommen vom Tippen.
Der Streit ob es eine objektive, tatsächliche, wahre oder/und ideale Wirklichkeit gibt ist so alt wie die Philosophie. Man kann das bereits zwischen Platon und Aristoteles finden. Dahinter steckt ein erkenntnistheoretisches Grundproblem.
Nutzen wir das beliebteste Beispiel der Philosophie: den Tisch.
Vor uns mag ein Tisch stehen, wir nehmen nun an dieser Tisch existiert wirklich, dass heißt unabhängig von jeder Beobachtung. Auch wenn ihn niemand sieht ist der Tisch noch da. Es gibt einen wahren Tisch unabhängig von menschlicher Beobachtung. Gäbe es ihn nicht, wäre die Beobachtung des Tisches nicht möglich oder eben Einbildung, Halluzination.
Alles was wir über den Tisch in Erfahrung bringen können ist aber subjektiv, das heißt durch unsere Sinne vermittelt. Die Farbe, Form, wo er steht und alle weiteren Eigenschaften erfahren wir nur mittels Betrachtung. Und wir können uns immer irren wie schon Descartes feststellte. Die Beschreibung des Tisches durch subjektive Eindrücke wird immer genau das sein - eine Beschreibung. Es ist nicht der objektive, wahre Tisch, unabhängig von aller Erfahrung, es bezieht sich nur auf ihn. Und diese Bezüge können dann wahr sein oder falsch. Bei manchen Eigenschaften können wir recht schnell feststellen, dass sie falsch sind. Andere Eigenschaften stellen sich erst sehr viel später als falsch heraus. Etwa das der Tisch völlig solide wäre, das er keine Lücken hat. Mittlerweile wissen wir, dass der Tisch aus Atomen besteht und die Atome größten Teils aus leerem Raum, so solide wie in antiken Vorstellungen ist er nicht. Die Idee oder Eigenschaft "solide, durchgehend" hat sich als falsch herausgestellt.
Und ob eine Eigenschaft "wahr" ist werden wir - um es sehr kurz zu fassen - nie wissen. Es wird immer die Möglichkeit geben, dass wir irgendwann widerlegt werden, dass sich unsere Sicht als haltlos und unsinnig erweist.
Also - was wissen wir dann überhaupt mit Sicherheit über den "wahren, objektiven" Tisch? Nichts. Naja, wir wissen was er nicht ist, aber auch das nicht erschöpfend. Trotzdem müssen wir ja annehmen, dass der Tisch wirklich und wahrhaftig existiert, sonst könnten wir ja überhaupt nicht über den Tisch reden, es gäbe kein wahr oder unwahr, kein richtig und kein falsch. Oder?
Bis hierhin ist es nur eine sehr, sehr, sehr verkürzte Darstellung eines erkenntnistheoretischen Problems, die Diskussion geht nun schon über Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende. Es gibt auf das Problem jedoch eine moderne Antwort, die ich bisher ausgeklammert habe.
Wenn wir uns nicht mehr damit herumschlagen wollen, ob Aussagen über den Tisch wahr oder unwahr sind, im Sinne einer objektiven Wirklichkeit, können wir uns auch einfach nur mit den Aussagen beschäftigen. Ein Konzept, dass übrigens gerade in einem Forum äußerst sinnvoll erscheint. Dadurch rutschen wir nicht zwangsläufig in völlige Beliebigkeit, die Aussagenlogik gilt weiterhin. Und wir brauchen ein neues Konzept, wann wir eine Aussage über Sachverhalte für "mit der Wirklichkeit übereinstimmend" halten, ohne gleich eine ganze objektive Wirklichkeit postulieren zu müssen. Geht das? Ja, so:
Aussagen sind für einen selbst nur so weit sinnvoll, wie man weiß, was der Fall sein soll, wenn sie wahr sein sollen. Um Aussagen zu produzieren, benötigt man damit durchaus keine Empirie.. (Wittgenstein, Wikipedia).
Aussage: Der Tisch ist braun.
Ist dann wahr, wenn: Wir einen Tisch sehen, der eine braune Farbe hat.
Wir wissen, was der Fall sein soll, damit die Aussage wahr ist. Unabhängig ob wir gerade einen Tisch sehen oder nicht.
Und wir fischen nicht im Trüben der objektiven Wirklichkeit. Aber nehmen wir mit "der Fall" nicht wieder eine objektive Wirklichkeit an? Nein, denn was der Fall ist, ergibt sich auch wieder nur aus Aussagen. Ob es einen wirklich, wahren Tisch gibt ist für die Frage ob es sinnvoll ist "Der Tisch ist braun" zu sagen irrelevant. Auch ist es irrelevant für die Sinnhaftigkeit der Aussage: "Ich sehe einen braunen Tisch". Und das reicht um festzustellen: Es ist der Fall, der Tisch ist braun. Wir benötigen dieses riesige metaphysische Konstrukt einer objektiven Welt jenseits aller Erfahrung und Sinneswahrnehmung nicht mehr.
In diesem Sinne sind: "Der Tisch ist braun" "Der Tisch ist braun und das ist wahr" "Es ist Fakt das der Tisch braun ist" "Der Tisch ist objektiv braun" alles Aussagen mit dem gleichen Inhalt.
Aber "Ich sehe einen braunen Tisch" reicht doch nicht aus. Was wäre wenn der Mensch halluziniert? Was wäre wenn das Licht uns einen Streich spielt?
Ja! Richtig. Je nach Situation in der wir uns befinden, je nach notwendiger Schärfe werden wir deutlich härtere, konkretere, ausgefeilte Aussagen brauchen, um zu wissen, dass "Der Tisch ist braun" wahr ist. Im Alltag mag uns ein Blick ausreichen, in der Esoterik mag ein gehauchter Gedanke ausreichen, in der Wissenschaft brauchen wir ein komplexes Gerüst verschiedenster Aussagen um sagen zu können: Das ist der Fall. Aber auch hier wieder nur: Aussagen.
Der Sinn der Wissenschaft erschöpft sich dann nämlich nicht mehr darin "ewig gültige, objektiv wahre Aussagen" zu produzieren (was Wissenschaft nie sonderlich gut gelungen ist, weil sie sich ständig selbst widerlegt, was ich übrigens sehr sympathisch finde), sondern Aussagen die funktionieren. Die nützlich sind und uns einen Vorteil bringen. Ob sie objektiv usw. sind wird irrelevant, siehe auch evolutionäre Erkenntnistheorie.
Wenn mir jedoch irgendjemand sagen kann, was der Fall sein muss damit ich weiß die Aussage: "Es gibt eine objektive Wirklichkeit." ist wahr, bin ich gerne bereit meine Position zu revidieren. Denn hier kann ich es tatsächlich nicht, womit die es für mich eine sinnlose Aussage bleibt.
Der Streit ob es eine objektive, tatsächliche, wahre oder/und ideale Wirklichkeit gibt ist so alt wie die Philosophie. Man kann das bereits zwischen Platon und Aristoteles finden. Dahinter steckt ein erkenntnistheoretisches Grundproblem.
Nutzen wir das beliebteste Beispiel der Philosophie: den Tisch.
Vor uns mag ein Tisch stehen, wir nehmen nun an dieser Tisch existiert wirklich, dass heißt unabhängig von jeder Beobachtung. Auch wenn ihn niemand sieht ist der Tisch noch da. Es gibt einen wahren Tisch unabhängig von menschlicher Beobachtung. Gäbe es ihn nicht, wäre die Beobachtung des Tisches nicht möglich oder eben Einbildung, Halluzination.
Alles was wir über den Tisch in Erfahrung bringen können ist aber subjektiv, das heißt durch unsere Sinne vermittelt. Die Farbe, Form, wo er steht und alle weiteren Eigenschaften erfahren wir nur mittels Betrachtung. Und wir können uns immer irren wie schon Descartes feststellte. Die Beschreibung des Tisches durch subjektive Eindrücke wird immer genau das sein - eine Beschreibung. Es ist nicht der objektive, wahre Tisch, unabhängig von aller Erfahrung, es bezieht sich nur auf ihn. Und diese Bezüge können dann wahr sein oder falsch. Bei manchen Eigenschaften können wir recht schnell feststellen, dass sie falsch sind. Andere Eigenschaften stellen sich erst sehr viel später als falsch heraus. Etwa das der Tisch völlig solide wäre, das er keine Lücken hat. Mittlerweile wissen wir, dass der Tisch aus Atomen besteht und die Atome größten Teils aus leerem Raum, so solide wie in antiken Vorstellungen ist er nicht. Die Idee oder Eigenschaft "solide, durchgehend" hat sich als falsch herausgestellt.
Und ob eine Eigenschaft "wahr" ist werden wir - um es sehr kurz zu fassen - nie wissen. Es wird immer die Möglichkeit geben, dass wir irgendwann widerlegt werden, dass sich unsere Sicht als haltlos und unsinnig erweist.
Also - was wissen wir dann überhaupt mit Sicherheit über den "wahren, objektiven" Tisch? Nichts. Naja, wir wissen was er nicht ist, aber auch das nicht erschöpfend. Trotzdem müssen wir ja annehmen, dass der Tisch wirklich und wahrhaftig existiert, sonst könnten wir ja überhaupt nicht über den Tisch reden, es gäbe kein wahr oder unwahr, kein richtig und kein falsch. Oder?
Bis hierhin ist es nur eine sehr, sehr, sehr verkürzte Darstellung eines erkenntnistheoretischen Problems, die Diskussion geht nun schon über Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende. Es gibt auf das Problem jedoch eine moderne Antwort, die ich bisher ausgeklammert habe.
Wenn wir uns nicht mehr damit herumschlagen wollen, ob Aussagen über den Tisch wahr oder unwahr sind, im Sinne einer objektiven Wirklichkeit, können wir uns auch einfach nur mit den Aussagen beschäftigen. Ein Konzept, dass übrigens gerade in einem Forum äußerst sinnvoll erscheint. Dadurch rutschen wir nicht zwangsläufig in völlige Beliebigkeit, die Aussagenlogik gilt weiterhin. Und wir brauchen ein neues Konzept, wann wir eine Aussage über Sachverhalte für "mit der Wirklichkeit übereinstimmend" halten, ohne gleich eine ganze objektive Wirklichkeit postulieren zu müssen. Geht das? Ja, so:
Aussagen sind für einen selbst nur so weit sinnvoll, wie man weiß, was der Fall sein soll, wenn sie wahr sein sollen. Um Aussagen zu produzieren, benötigt man damit durchaus keine Empirie.. (Wittgenstein, Wikipedia).
Aussage: Der Tisch ist braun.
Ist dann wahr, wenn: Wir einen Tisch sehen, der eine braune Farbe hat.
Wir wissen, was der Fall sein soll, damit die Aussage wahr ist. Unabhängig ob wir gerade einen Tisch sehen oder nicht.
Und wir fischen nicht im Trüben der objektiven Wirklichkeit. Aber nehmen wir mit "der Fall" nicht wieder eine objektive Wirklichkeit an? Nein, denn was der Fall ist, ergibt sich auch wieder nur aus Aussagen. Ob es einen wirklich, wahren Tisch gibt ist für die Frage ob es sinnvoll ist "Der Tisch ist braun" zu sagen irrelevant. Auch ist es irrelevant für die Sinnhaftigkeit der Aussage: "Ich sehe einen braunen Tisch". Und das reicht um festzustellen: Es ist der Fall, der Tisch ist braun. Wir benötigen dieses riesige metaphysische Konstrukt einer objektiven Welt jenseits aller Erfahrung und Sinneswahrnehmung nicht mehr.
In diesem Sinne sind: "Der Tisch ist braun" "Der Tisch ist braun und das ist wahr" "Es ist Fakt das der Tisch braun ist" "Der Tisch ist objektiv braun" alles Aussagen mit dem gleichen Inhalt.
Aber "Ich sehe einen braunen Tisch" reicht doch nicht aus. Was wäre wenn der Mensch halluziniert? Was wäre wenn das Licht uns einen Streich spielt?
Ja! Richtig. Je nach Situation in der wir uns befinden, je nach notwendiger Schärfe werden wir deutlich härtere, konkretere, ausgefeilte Aussagen brauchen, um zu wissen, dass "Der Tisch ist braun" wahr ist. Im Alltag mag uns ein Blick ausreichen, in der Esoterik mag ein gehauchter Gedanke ausreichen, in der Wissenschaft brauchen wir ein komplexes Gerüst verschiedenster Aussagen um sagen zu können: Das ist der Fall. Aber auch hier wieder nur: Aussagen.
Der Sinn der Wissenschaft erschöpft sich dann nämlich nicht mehr darin "ewig gültige, objektiv wahre Aussagen" zu produzieren (was Wissenschaft nie sonderlich gut gelungen ist, weil sie sich ständig selbst widerlegt, was ich übrigens sehr sympathisch finde), sondern Aussagen die funktionieren. Die nützlich sind und uns einen Vorteil bringen. Ob sie objektiv usw. sind wird irrelevant, siehe auch evolutionäre Erkenntnistheorie.
Wenn mir jedoch irgendjemand sagen kann, was der Fall sein muss damit ich weiß die Aussage: "Es gibt eine objektive Wirklichkeit." ist wahr, bin ich gerne bereit meine Position zu revidieren. Denn hier kann ich es tatsächlich nicht, womit die es für mich eine sinnlose Aussage bleibt.