Nach längerer Überlegung ist mir noch klargeworden, dass man dieses Phänomen trotz allem unbedingt noch von einfachen Wissenslücken abgrenzen muss.
Im Fall des gehörnten Moses kann man ja eigentlich nicht von einem populären Irrtum sprechen, denn wie sollte dieser lauten: "Moses wurde niemals mit Hörnern dargestellt"?
Sinnvoller ist es hierbei zu sagen: Natürlich gibt es viele Menschen, die von der Tatsache noch nie gehört haben, dass Moses aufgrund eines Übersetzungsfehlers in der Kunst eine Zeitlang oft mit Hörnern dargestellt wurde:
Menschen mit generellem Desinteresse am Judentum/Christentum, aber auch protestantische Christ*innen, die niemals mit der lateinischen Textfassung zu tun hatten und sich nicht für Kunst interessieren, keine katholischen Kirchen besichtigen etc.
Dass eine große Menge von Menschen dieses "Nichtwissen" teilt, ist völlig klar und kein bisschen mysteriös.
Demgegenüber gibt es "Fachleute", bei denen man dieses Wissen voraussetzen darf:
studierte Theolog*innen, Kunsthistoriker*innen, Altphilolog*innen etc. - möglicherweise sogar relativ viele katholische Christ*innen, denn ich habe mittlerweile zufällig erfahren, dass in der kommentierten Einheitsübersetzung (EÜ = "katholische" Bibelübersetzung im Gegensatz zur "evangelischen" Lutherbibel), wie sie wahrscheinlich in vielen katholischen Haushalten vorhanden ist, in einer Fußnote zu Exodus 34 erklärt wird, warum Moses in der Kunst früher mit Hörnern dargestellt wurde.
@SawCleaver Das subjektive Gefühl, "sich mit einem Thema sehr gut auszukennen", kann trügerisch sein. Ich würde vermuten, dass du in Bezug auf Moses damals einfach nicht die Quellen konsultiert hast, in denen du diese Information hättest finden können.
Mein Fazit ist: Der gehörnte Moses ist kein Beispiel für den "Mandela-Effekt", sondern eine Wissenslücke, die dir schwerfällt zu akzeptieren.