GUTEN MORGEN AN ALLE
Für die, die das auch noch nicht mitbekommen haben: DIE ANHÖRUNG WIRD BIS ZU ZWEI WOCHEN DAUERN???
Der Ruf ist längst ruiniert
Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 04.01.2011
Justiz Vor einem Gericht in Los Angeles beginnt heute die Anhörung im Fall von Michael Jacksons Leibarzt Conrad Murray. Schon die Anklage wegen Mordes ist eine Vorverurteilung. Von Sebastian Moll
Eine vorläufige Anhörung im Vorfeld eines Strafprozesses ist in den USA gewöhnlich eine unspektakuläre Angelegenheit: Der ermittelnde Polizeibeamte tritt vor den Richter und trägt ihm die Fakten des Falles vor. Dann wird entschieden, ob ausreichend Material für eine Verhandlung vorliegt. Eine Vorverurteilung soll ein solcher Entscheid auf keinen Fall bereits sein. Deshalb beschränkt man sich darauf, nur die Grundfakten darzulegen.
Wenn am heutigen Dienstag der Los Angeles Superior Court über die Mordanklage gegen Dr. Conrad Murray befindet, wird es allerdings wesentlich turbulenter zugehen. Nicht weniger als 35 Zeugen sollen vorgeladen werden, bis zu zwei Wochen soll die Anhörung dauern. Entgegen der Intention des Prozessrechtes ist für Murray schon die Anklage eine Vorverurteilung.
Zur Entscheidung steht die Frage, ob Murray im Juni 2009 den Popmegastar Michael Jackson ermordet hat oder nicht. Zur Erinnerung: Murray, Jacksons Leibarzt, gab nach dessen Tod zu, seinem Arbeitgeber das Mittel Propofol injiziert zu haben. Später wurde festgestellt, dass Jackson an einer Überdosis Propofol gestorben ist. Propofol ist ein Betäubungsmittel, das gewöhnlich zur Vorbereitung von Vollnarkosen vor Operationen verwendet wird. Insoweit scheinen die Fakten klar zu sein. Auch die Tatsache, dass Michael Jackson wegen seiner quälenden Schlafbeschwerden Murray um das Mittel angebettelt hat, entlastet den Arzt nicht. Er hätte es seinem prominenten Patienten trotzdem vorenthalten müssen. Auch dass Murray laut mehrerer Zeugenaussagen mehr als eine Stunde gewartet hat, bis er den Notarzt rief, nachdem Jacksons Zustand sich bedenklich verschlimmert hatte, spricht nicht eben für Murray. Wahrscheinlich versuchte er verzweifelt, seinen medizinischen Fehltritt noch zu vertuschen.
Dennoch wird Conrad Murrays Verteidigung heute argumentieren, dass Jackson Selbstmord begangen hat. Man wird versuchen nachzuweisen, dass die Dosis, die Murray Jackson verabreichte, nicht tödlich war und dass Jackson sich den Todesschuss selbst gesetzt hat, während sein Arzt gar nicht im Raum war.
Das erscheint bei Betrachtung mit gesundem Menschenverstand nur wenig plausibel. Dennoch muss man Murray wohl eher als einen Erfüllungsgehilfen denn als einen Mörder sehen - auch wenn er den Todesschuss gesetzt haben sollte. Als Michael Jackson Murray für ein Salär von 150 000 Dollar im Monat anheuerte, war der Arzt hochverschuldet. Er kam mit den Unterhaltszahlungen für seine sieben Kinder, die sechs verschiedene Frauen ihm geboren hatten, nicht mehr nach. Jackson rettete wohl seine Existenz. Der Herzspezialist aus Las Vegas war dem Popstar hörig. Murray hatte also viel Grund dazu, seine Loyalität gegenüber Michael Jackson nicht zu gefährden und seiner ärztlichen Sorgfaltspflicht zu genügen.
Beihilfe zum Selbstmord ist deshalb wohl die korrekte Bezeichnung für das, was Conrad Murray anzulasten ist. Im Juristenamerikanisch heißt das "unfreiwilliger Totschlag". Die globale Fangemeinde von Michael Jackson wird ein solches Urteil allerdings wohl kaum befriedigen. Gleich, wie der Schuldspruch von Los Angeles letztlich lauten wird: den Ruf als der Mann, der Michael Jackson umbrachte, wird Murray wohl nie mehr los werden.
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2765861_0_5623_-der-ruf-ist-laengst-ruiniert.html