Cibola die Stadt aus Gold
24.10.2008 um 15:13Kolonialzeit
Nackt und verloren
Acht unglaublich schwere Jahre dauerte die Odyssee durch Nordamerika. Hunderte Männer starben, nur vier überlebten. Als der spanische Konquistador Álvar Núñez Cabeza de Vaca und seine Kameraden endlich gerettet wurden, waren die einst grausamen Eroberer geläutert.
Eine baumlose Hochebene in den Chisos Mountains von Texas: spärliches Buschwerk, dürres Gras und ein paar Palmlilien, die mannshoch in den wolkenlosen Himmel ragten. Fast grenzenlos schien der Blick von hier oben, in der trockenen, staubfreien Luft. Doch man sah nichts als graubraune Steppe ringsum. Und man hörte nichts als das schrille Singen der Zikaden.
Im Herbst des Jahres 1535, Jahrhunderte vor der Besiedlung durch Europäer, tauchten irgendwo da draußen vier bärtige Gestalten auf, barfuß, nackt und abgemagert: drei Spanier und ein dunkelhäutiger Nordafrikaner – raschen Schrittes unterwegs nach Westen. Die vier waren die letzten Überlebenden einer Expedition der Conquista, die die Terra incognita nördlich des Golfs von Mexiko für die spanische Krone erobern sollte. Und sie waren die ersten Menschen aus der Alten Welt, die – auf der Suche nach Rettung – den ganzen Subkontinent durchquerten, rund neuntausend Kilometer weit, vom heutigen Florida bis an die Pazifikküste Mexikos.
In »Abenteuer Archäologie« Heft 5/2007 berichtet Udo Zindel die achtjährige Odyssee. Cabeza de Vacas Tagebuch enthält eine der haarsträubendsten Reisebeschreibungen der Menschheitsgeschichte. Und es ist das früheste europäische Dokument über Nordamerika und seine Indianer, vor dem Völkermord der Weißen.
Am Ende überlebte von den hunderten von Männern nicht einmal eine Handvoll. Gebärdeten sie sich anfangs noch als grausame Conquistadoren, wandelte sich ihr Verhältnis zu den Ureinwohner im Laufe der Zeit. »Das Wissen um menschliches Leiden scheint Álvar Núñez Cabeza de Vacas Sicht des Lebens verändert zu haben«, vermutet der texanische Literaturwissenschaftler William Pilkington. »Es hat ihn gemäßigt, lehrte ihn Bescheidenheit und stärkte mit jedem Schritt sein spirituelles Bewusstsein.« Ausschlaggebend waren auch Erlebnisse wie diese:
Als die Männer am Anfang der Odyssee vor Galveston Island, im Osten des heutigen Texas kenterten, hatten die erschöpften Überlebenden kaum die Kraft, sich auf den Beinen zu halten. Indianern wäre es ein Leichtes gewesen, die unbewaffneten, dem Tode nahen Schiffbrüchigen zu töten. Stattdessen brachten sie ihnen Nahrung – und weinten mit ihnen um ihr Schicksal: »Sie begriffen das ganze Ausmaß unserer Not, setzten sich nieder und klagten eine halbe Stunde lang so laut, dass man sie von Weitem hätte hören können. Es war erstaunlich, diese unzivilisierten, ungebildeten Wilden wie Tiere heulen zu hören – aus Mitgefühl.«
Cabeza de Vacas engagierter Bericht beeinflusste Missionare, die an einer spirituellen Conquista mit friedlichen Mitteln statt mit Waffengewalt interessiert waren. Durchsetzen konnte sie sich im Alltag der Conquista aber nicht. »Gewaltsame Eroberungen wurden noch viele Jahre danach betrieben. In letzter Konsequenz spielte Cabeza vor allem als utopischer Vordenker für ein friedliches Zusammenleben mit den nordamerikanischen Indianern eine Rolle.«
Álvar Núñez Cabeza de Vaca starb etwa 1559 in seiner Heimatstadt Jérez de la Frontera, einen kurzen Ritt von dem Hafen entfernt, in dem er gut zwanzig Jahre zuvor nach Florida aufgebrochen war. Ein Mann, der im Lauf einer der unglaublichsten Expeditionen der Geschichte vom Eroberer zum Fürsprecher der Indianer wurde, wie William Pilkington meint: »Die große Ironie«, schreibt der texanische Literaturwissenschaftler, »ist, mit welcher Brutalität später gegen seine Einsicht verstoßen wurde.«
Quelle Abenteuer Archäologie
Nackt und verloren
Acht unglaublich schwere Jahre dauerte die Odyssee durch Nordamerika. Hunderte Männer starben, nur vier überlebten. Als der spanische Konquistador Álvar Núñez Cabeza de Vaca und seine Kameraden endlich gerettet wurden, waren die einst grausamen Eroberer geläutert.
Eine baumlose Hochebene in den Chisos Mountains von Texas: spärliches Buschwerk, dürres Gras und ein paar Palmlilien, die mannshoch in den wolkenlosen Himmel ragten. Fast grenzenlos schien der Blick von hier oben, in der trockenen, staubfreien Luft. Doch man sah nichts als graubraune Steppe ringsum. Und man hörte nichts als das schrille Singen der Zikaden.
Im Herbst des Jahres 1535, Jahrhunderte vor der Besiedlung durch Europäer, tauchten irgendwo da draußen vier bärtige Gestalten auf, barfuß, nackt und abgemagert: drei Spanier und ein dunkelhäutiger Nordafrikaner – raschen Schrittes unterwegs nach Westen. Die vier waren die letzten Überlebenden einer Expedition der Conquista, die die Terra incognita nördlich des Golfs von Mexiko für die spanische Krone erobern sollte. Und sie waren die ersten Menschen aus der Alten Welt, die – auf der Suche nach Rettung – den ganzen Subkontinent durchquerten, rund neuntausend Kilometer weit, vom heutigen Florida bis an die Pazifikküste Mexikos.
In »Abenteuer Archäologie« Heft 5/2007 berichtet Udo Zindel die achtjährige Odyssee. Cabeza de Vacas Tagebuch enthält eine der haarsträubendsten Reisebeschreibungen der Menschheitsgeschichte. Und es ist das früheste europäische Dokument über Nordamerika und seine Indianer, vor dem Völkermord der Weißen.
Am Ende überlebte von den hunderten von Männern nicht einmal eine Handvoll. Gebärdeten sie sich anfangs noch als grausame Conquistadoren, wandelte sich ihr Verhältnis zu den Ureinwohner im Laufe der Zeit. »Das Wissen um menschliches Leiden scheint Álvar Núñez Cabeza de Vacas Sicht des Lebens verändert zu haben«, vermutet der texanische Literaturwissenschaftler William Pilkington. »Es hat ihn gemäßigt, lehrte ihn Bescheidenheit und stärkte mit jedem Schritt sein spirituelles Bewusstsein.« Ausschlaggebend waren auch Erlebnisse wie diese:
Als die Männer am Anfang der Odyssee vor Galveston Island, im Osten des heutigen Texas kenterten, hatten die erschöpften Überlebenden kaum die Kraft, sich auf den Beinen zu halten. Indianern wäre es ein Leichtes gewesen, die unbewaffneten, dem Tode nahen Schiffbrüchigen zu töten. Stattdessen brachten sie ihnen Nahrung – und weinten mit ihnen um ihr Schicksal: »Sie begriffen das ganze Ausmaß unserer Not, setzten sich nieder und klagten eine halbe Stunde lang so laut, dass man sie von Weitem hätte hören können. Es war erstaunlich, diese unzivilisierten, ungebildeten Wilden wie Tiere heulen zu hören – aus Mitgefühl.«
Cabeza de Vacas engagierter Bericht beeinflusste Missionare, die an einer spirituellen Conquista mit friedlichen Mitteln statt mit Waffengewalt interessiert waren. Durchsetzen konnte sie sich im Alltag der Conquista aber nicht. »Gewaltsame Eroberungen wurden noch viele Jahre danach betrieben. In letzter Konsequenz spielte Cabeza vor allem als utopischer Vordenker für ein friedliches Zusammenleben mit den nordamerikanischen Indianern eine Rolle.«
Álvar Núñez Cabeza de Vaca starb etwa 1559 in seiner Heimatstadt Jérez de la Frontera, einen kurzen Ritt von dem Hafen entfernt, in dem er gut zwanzig Jahre zuvor nach Florida aufgebrochen war. Ein Mann, der im Lauf einer der unglaublichsten Expeditionen der Geschichte vom Eroberer zum Fürsprecher der Indianer wurde, wie William Pilkington meint: »Die große Ironie«, schreibt der texanische Literaturwissenschaftler, »ist, mit welcher Brutalität später gegen seine Einsicht verstoßen wurde.«
Quelle Abenteuer Archäologie