Waldgeister, Feen & Elfen
04.11.2008 um 11:07da kann man die Karte evt. direkt bestellen
http://www.hafnarfjordur.is/english/read_more/?cat_id=3&ew_0_a_id=6226 (Archiv-Version vom 25.02.2009)
Die verborgenen Isländer
Die Mythen von Elfen und anderen unsichtbaren Wesen helfen, den Respekt vor der Natur zu bewahren
Peter Pragal
An der vierspurigen Straße, die von Reykjavik nach Nordosten führt, liegt ein gewaltiger Felsbrocken. In den 1990er-Jahren, als die Trasse verbreitert wurde, wollte man ihn beseitigen. Doch bei den Arbeiten ging etliches schief. Mal kippte ein Bagger um, mal ging ein Lkw zu Bruch. Bis sich eines Tages eine Frau meldete, die für ihre seherischen Fähigkeiten bekannt war. Sie berichtete von einem Traum, in dem ihr eine Elfe erschienen sei, die sich darüber beklagt habe, dass man ihr das Zuhause rauben wolle. Wenn der Stein nicht liegen bleibe, werde es ein großes Unglück geben.
Das Unglaubliche geschah. Das Straßenbauamt verlegte die geplante Trasse um einige Meter und ließ die vermeintliche Elfenbehausung unter Naturschutz stellen. Fortan verliefen die Bauarbeiten ohne Zwischenfälle. "Wir Isländer sind eben ein bisschen anders als andere Völker. Bei uns haben Träume eine hohe Bedeutung, und auf weise Frauen hören wir" sagt Arthur Björgvin Bollason, Deutschland-Repräsentant der Fluggesellschaft Icelandair.
Seit mehr als tausend Jahren ist Island ein christliches Land. Der Protestantismus lutherischer Prägung ist Staatskirche. Dennoch haben sich viele der knapp 300 000 Einwohner den Glauben an unsichtbare Wesen und übernatürliche Kräfte bewahrt. Trolle und Elfen gehören im Land der Gletscher, Geysire und Vulkane zum Alltag. Besonders die Elfen werden fast schon zur Bevölkerung gezählt. Zwar sind nur Menschen mit dem so genannten zweiten Gesicht, in der Lage, die "verborgenen Isländer" wahrzunehmen. Jedoch ist der Volksglaube an die Elfen so tief verwurzelt, dass selbst Bewohner ohne jeglichen Hang zum Spiritismus die Existenz der Elfen nicht rundweg bestreiten. So erklärten bei einer Umfrage einmal über 70 Prozent der Insulaner, nicht an Elfen zu glauben. Auf die Frage, ob sie eine Wiese mähen würden, auf der Elfen wohnen, antworteten dieselben Personen jedoch mit einem eindeutigen Nein.
Auf dem Weg vom Flughafen Keflavik in die Hauptstadt passiert man das Städtchen Hafnarfjördur. Der Hafenort gilt als Hochburg der Elfen. Die Angehörigen der "Anderswelt", die der Sage nach zwar sterblich sind, aber länger leben als Menschen, halten sich - so erzählen die Touristenführer - in Felsen und Klüften der umliegenden Lavafelder verborgen. Die Seherin Erla Stefansdottir hat eine Karte zusammengestellt, auf der die Wohnorte der Elfen verzeichnet sind. Die Angaben der "weisen Frau," die als eine Art Elfen-Beauftragte fungiert, haben selbst bei der Verwaltung Gewicht. An etlichen Stellen im Lande machen Straßen einen unmotiviert anmutenden Bogen, um Elfen nicht aus ihren angestammten Wohnsitzen zu vertreiben. Und im Norden der Insel wurde, nachdem es zu mehreren Unfällen gekommen war, der Ausbau eines Hafens unterbrochen. Man wollte warten, so hieß es, bis die Erdgeister neue Wohnplätze gefunden hätten. Nach zwei Jahren wurden die Arbeiten fortgeführt. Störungsfrei.
"In Island haben wir viel Platz," sagt Arthur Bollason, "Platz genug auch für unsichtbare Wesen." Überall auf der Insel gibt es Elfenburgen und Elfenstädte. Ihre Bewohner, so glaubt man, leben ähnlich wie Menschen. Elfen, die man sich als sehr schöne Gestalten vorstellt, bekommen Kinder, essen und trinken, feiern und halten Gottesdienste. In der Regel sonntagmittags. Deshalb ziemt es sich auch nicht, um diese Zeit in der Nähe von Elfenbehausungen Lärm zu machen. Die Verborgenen leben nicht nur im Volksglauben, sondern auch in der Literatur. Der Nobelpreisträger Halldor Laxness hat in seinem Roman "Am Gletscher" die bodenständige Esoterik der Einheimischen und ihren Umgang mit mysteriösen Vorgängen verständnisvoll beschrieben.
Entstanden ist das Elfenvolk der Legende nach durch eine Lüge. Eva, so berichtet die Reisejournalistin und Landeskennerin Sabine Barth, sei gerade dabei gewesen, ihre zahlreichen Kinder zu waschen, als Gottvater zu Besuch kam. Als gute Hausfrau habe sie versucht, ihre noch nicht gereinigten Sprösslinge vor dem unerwarteten Gast zu verstecken. Die anderen, blitzblank aussehend, habe sie stolz präsentiert. Ob das alle ihre Kinder seien, fragte Gott. Und ohne Zögern antwortete Eva mit Ja. Das hätte sie nicht tun sollen. Denn Gott, den man nicht hintergehen kann, sagte zornig: "Wenn du deine Kinder schon vor mir versteckst, dann sollen sie ab jetzt für alle Zeiten unsichtbar sein." So wurden aus den sauberen Kindern die Menschen und aus den schmutzigen die verborgenen Leute.
In einem Land, in dem es über viele Monate kaum hell werde, sei es nur verständlich, wenn die Menschen glaubten, es gebe mehr in ihrer Welt, als sie wahrnehmen können, meint der isländische Verleger und Laxness-Biograf Halldor Gudmundsson. Aber die Bereitschaft, Übersinnliches zu akzeptieren, hat noch einen anderen Grund. Als die Isländer noch an die altnordischen Gottheiten Thor und Odin glaubten, walteten sie nicht über die Natur, sondern lebten mit ihr im Einklang. "Heute spielen wir mit den Mythen," sagt die Marketing Managerin Dora Magnusdottir. Und sei es nur, um den Respekt vor der Natur zu fördern und zu bewahren.
Quelle Berliner zeitung
http://www.hafnarfjordur.is/english/read_more/?cat_id=3&ew_0_a_id=6226 (Archiv-Version vom 25.02.2009)
Die verborgenen Isländer
Die Mythen von Elfen und anderen unsichtbaren Wesen helfen, den Respekt vor der Natur zu bewahren
Peter Pragal
An der vierspurigen Straße, die von Reykjavik nach Nordosten führt, liegt ein gewaltiger Felsbrocken. In den 1990er-Jahren, als die Trasse verbreitert wurde, wollte man ihn beseitigen. Doch bei den Arbeiten ging etliches schief. Mal kippte ein Bagger um, mal ging ein Lkw zu Bruch. Bis sich eines Tages eine Frau meldete, die für ihre seherischen Fähigkeiten bekannt war. Sie berichtete von einem Traum, in dem ihr eine Elfe erschienen sei, die sich darüber beklagt habe, dass man ihr das Zuhause rauben wolle. Wenn der Stein nicht liegen bleibe, werde es ein großes Unglück geben.
Das Unglaubliche geschah. Das Straßenbauamt verlegte die geplante Trasse um einige Meter und ließ die vermeintliche Elfenbehausung unter Naturschutz stellen. Fortan verliefen die Bauarbeiten ohne Zwischenfälle. "Wir Isländer sind eben ein bisschen anders als andere Völker. Bei uns haben Träume eine hohe Bedeutung, und auf weise Frauen hören wir" sagt Arthur Björgvin Bollason, Deutschland-Repräsentant der Fluggesellschaft Icelandair.
Seit mehr als tausend Jahren ist Island ein christliches Land. Der Protestantismus lutherischer Prägung ist Staatskirche. Dennoch haben sich viele der knapp 300 000 Einwohner den Glauben an unsichtbare Wesen und übernatürliche Kräfte bewahrt. Trolle und Elfen gehören im Land der Gletscher, Geysire und Vulkane zum Alltag. Besonders die Elfen werden fast schon zur Bevölkerung gezählt. Zwar sind nur Menschen mit dem so genannten zweiten Gesicht, in der Lage, die "verborgenen Isländer" wahrzunehmen. Jedoch ist der Volksglaube an die Elfen so tief verwurzelt, dass selbst Bewohner ohne jeglichen Hang zum Spiritismus die Existenz der Elfen nicht rundweg bestreiten. So erklärten bei einer Umfrage einmal über 70 Prozent der Insulaner, nicht an Elfen zu glauben. Auf die Frage, ob sie eine Wiese mähen würden, auf der Elfen wohnen, antworteten dieselben Personen jedoch mit einem eindeutigen Nein.
Auf dem Weg vom Flughafen Keflavik in die Hauptstadt passiert man das Städtchen Hafnarfjördur. Der Hafenort gilt als Hochburg der Elfen. Die Angehörigen der "Anderswelt", die der Sage nach zwar sterblich sind, aber länger leben als Menschen, halten sich - so erzählen die Touristenführer - in Felsen und Klüften der umliegenden Lavafelder verborgen. Die Seherin Erla Stefansdottir hat eine Karte zusammengestellt, auf der die Wohnorte der Elfen verzeichnet sind. Die Angaben der "weisen Frau," die als eine Art Elfen-Beauftragte fungiert, haben selbst bei der Verwaltung Gewicht. An etlichen Stellen im Lande machen Straßen einen unmotiviert anmutenden Bogen, um Elfen nicht aus ihren angestammten Wohnsitzen zu vertreiben. Und im Norden der Insel wurde, nachdem es zu mehreren Unfällen gekommen war, der Ausbau eines Hafens unterbrochen. Man wollte warten, so hieß es, bis die Erdgeister neue Wohnplätze gefunden hätten. Nach zwei Jahren wurden die Arbeiten fortgeführt. Störungsfrei.
"In Island haben wir viel Platz," sagt Arthur Bollason, "Platz genug auch für unsichtbare Wesen." Überall auf der Insel gibt es Elfenburgen und Elfenstädte. Ihre Bewohner, so glaubt man, leben ähnlich wie Menschen. Elfen, die man sich als sehr schöne Gestalten vorstellt, bekommen Kinder, essen und trinken, feiern und halten Gottesdienste. In der Regel sonntagmittags. Deshalb ziemt es sich auch nicht, um diese Zeit in der Nähe von Elfenbehausungen Lärm zu machen. Die Verborgenen leben nicht nur im Volksglauben, sondern auch in der Literatur. Der Nobelpreisträger Halldor Laxness hat in seinem Roman "Am Gletscher" die bodenständige Esoterik der Einheimischen und ihren Umgang mit mysteriösen Vorgängen verständnisvoll beschrieben.
Entstanden ist das Elfenvolk der Legende nach durch eine Lüge. Eva, so berichtet die Reisejournalistin und Landeskennerin Sabine Barth, sei gerade dabei gewesen, ihre zahlreichen Kinder zu waschen, als Gottvater zu Besuch kam. Als gute Hausfrau habe sie versucht, ihre noch nicht gereinigten Sprösslinge vor dem unerwarteten Gast zu verstecken. Die anderen, blitzblank aussehend, habe sie stolz präsentiert. Ob das alle ihre Kinder seien, fragte Gott. Und ohne Zögern antwortete Eva mit Ja. Das hätte sie nicht tun sollen. Denn Gott, den man nicht hintergehen kann, sagte zornig: "Wenn du deine Kinder schon vor mir versteckst, dann sollen sie ab jetzt für alle Zeiten unsichtbar sein." So wurden aus den sauberen Kindern die Menschen und aus den schmutzigen die verborgenen Leute.
In einem Land, in dem es über viele Monate kaum hell werde, sei es nur verständlich, wenn die Menschen glaubten, es gebe mehr in ihrer Welt, als sie wahrnehmen können, meint der isländische Verleger und Laxness-Biograf Halldor Gudmundsson. Aber die Bereitschaft, Übersinnliches zu akzeptieren, hat noch einen anderen Grund. Als die Isländer noch an die altnordischen Gottheiten Thor und Odin glaubten, walteten sie nicht über die Natur, sondern lebten mit ihr im Einklang. "Heute spielen wir mit den Mythen," sagt die Marketing Managerin Dora Magnusdottir. Und sei es nur, um den Respekt vor der Natur zu fördern und zu bewahren.
Quelle Berliner zeitung