@JuneGirl Was mir gleich aufgefallen ist an der Schilderung, daß Du gar nichts von Deiner Reaktion oder Deinen Gefühlen gesprochen hast. Warum Du nicht geschrien hast, hab ich mich natürlich auch gefragt und gewundert. Aber auch kein Zusammenzucken, kein unter der Decke Verstecken, kein Nichts. Und auch nicht "da hatte ich Angst", "mein Herz schlug ganz doll", "ich hab eingemacht", "starr vor Schreck", "neugierig beobachtet". Als Ob Du gar nicht beteiligt gewesen bist.
Nur eines, und das gleich am Anfang. Du wachtest auf und drehtest Dich im Bett herum, von der Wand zum Zimmer hin. Das klingt nicht nach Schlafparalyse. Um so mehr wundert mich dann aber, daß Du sonst nichts getan hast. Und eben auch nichts gefühlt odgl. Klingt sehr eigenartig für so ein Ereignis.
Was mich ebenso wundert, das ist, wie Du gesehen haben willst, wie Deine Mutter sich fürs Schlafen hergerichtet hat. Gemeinhin sind Kinder in diesem Alter ein paar Stunden früher im Bett als die Erwachsenen. Und selbst wenn sie kurz aufwachen, sobald jemand hinzukommt, sind Kinder eigentlich recht schnell wieder eingeschlafen, zumindest schlaftrunken. Du aber scheinst ja Deiner Mutter nicht nur beim Zubettgehen zugesehen, sondern auch noch minutiös auf Details wie Bis-wohin-Zugeknöpft geachtet zu haben. Eine solche Aufmerksamkeit, ja geradezu Situationsanalyse, ist schon arg erstaunlich für ein Kind dieses Alters.
Ich habe übrigens auch eine Erinnerung an ein sehr reales Erlebnis. Als ich fast sechs war, sind wir umgezogen; das Erlebnis fand in der Küche der alten Wohnung statt, daher weiß ich, ich war maximal 5 damals. Meine Mutter saß in der Küche am Küchentisch und rupfte einen Vogel fürs Mittagessen. Das Eigenartige war (nein, nicht daß der Vogel noch gerupft werden mußte, sowas hab ich öfters erlebt), daß der Vogel noch lebte; er schrie laut vor Schmerzen (nahm ich jedenfalls an, kann auch einfach nur vor Angst gewesen sein). Der Vogel tat mir leid, und ich war schockiert von meiner Mutter, die das sehr gelassen nahm.
Ich kann mich auch an Träume aus dieser Zeit in der alten Wohnung erinnern, ebenso auch an reale Ereignisse dort. Und dieses Küchenerlebnis gehört in die Kategorie "reale Erlebnisse", es fühlt sich deutlich danach an. Die Traumerinnerungen sind wirklich "spürbar" anders. Was es auch immer war - ein wirklich reales Geschehen war es nicht. Ich hatte meine Mutter wenige Jahre später (frühe Schulzeit, auf jeden Fall vor der Pubertät) sogar darauf angesprochen, so überzeugt war ich davon, daß es real sei, und sie war entsetzt bis belustigt, was ich mir für Sachen ausdenken würde, nein, sowas sei nie passiert. Ich glaubte ihr nicht. Noch später, größer geworden, hab ichs dann doch für eine Art falsche Erinnerung gehalten, aber bis heute empfinde ich die "Realität des Erlebten", wenn ich daran denke.
Als hingegen der nette Fleischer aus unserer Straße meine Mutter in kleine Teile zerlegt und sorgfältig an Fleischerhaken an die Wand im Hinterzimmer seines Geschäfts aufgehängt hatte, das "fühlt" sich wie ein Traum an. Kunststück, denn ich erinnere mich auch - und zwar deutlich lebendiger - daran, wie ich heftig brüllend in meinem Bett (ebenfalls in der früheren Wohnung) aufgewacht bin und meine Mutter rein kam und mich in den Arm nahm. Und obwohl ich sah, daß sie lebt und es nur ein Traum war, brüllte ich noch eine Weile weiter und konnte nicht aufhören. Und dann wollte ich nicht mehr einschlafen... Das Vogelerlebnis fühlte sich so real an wie das Erleben nach dem Aufwachen aus jenem Traum, nicht so wie das Erleben im Traum.
Ich verstehe es also durchaus, daß Du das für ein total reales Erleben hältst, weil es sich so anfühlt. Bezeichnenderweise kann ich bei meinem Vogelrupf-Erlebnis nicht sagen, was ich währenddessen selbst getan habe. Bin ich rumgelaufen oder nur dagestanden? Hab ich mich abgewendt, wollte ich einschreiten? "Von mir selbst" weiß ich da praktisch gar nichts. Das klingt, rückwirkend betrachtet, deutlich gegen ein reales Erleben. Ja selbst bei dem Metzgertraum weiß ich, was ich getan habe...
Dein Erlebnis klingt für mich sehr nach meinem Vogelrupf-Erlebnis, gerade wegen Deines "Nichtverhaltens". Sehr real, aber sicher nicht wirklich passiert. Einige Aspekte hingegen scheinen mir ein nicht unübliches sekundäres Auffüllen dieser Erinnerung zu sein, etwa daß Du zu dem Zeitpunkt, als Deine Mutter sich bettfertig machte, wach gewesen bist und auf solche Details wie das Zuknöpfen bewußt geachtet hast, was ja nun nicht zu nem fünf- oder sechsjährigen Kind paßt. Womöglich ist sogar das Umdrehen im Bett solch eine sekundäre aufgefüllte Erinnerung, dann könnte es sich doch noch um eine Schlafparalyse handeln.