perttivalkonen schrieb:Schon die alten Griechen haben darüber gemutmaßt, daß viele Götter ihren Ursprung entweder in den Naturphänomenen (als deren Personifizierung) hatten oder auf bedeutende Ahnen einer Volksgruppe aus der Vorzeit zurückgehen könnten.
In hellenistischer Zeit (um 300 v. Chr.) gab es mal einen Philosophen namens Euhemeros, der am Hof des Makedonenkönigs Kassander tätig war, und in einem utopischen Reiseroman nicht nur ein ideales Staatswesen beschrieb, sondern auch die These aufstellte, dass Uranos, Kronos und Zeus in Urzeiten einmal sehr weise, aber eben doch menschliche Könige gewesen seien, die man erst später wegen ihrer großen Verdienste zu Göttern erklärt habe. Die Gelehrten streiten, ob Euhemeros damit eine rationalistische „Wegerklärung“ alter Mythen bezwecken wollte, oder nicht doch eher den hellenistischen Herrscherkult legitimieren, zugleich aber die „gottgleichen“ Herrscher auch an ihre Ideale und ihre Verpflichtung für das Gemeinwesen erinnern wollte.
Jedenfalls ist dieser Versuch, mythologische Personen oder Ereignisse auf reale Ereignisse oder Personen in alter Zeit zurück zu führen, sehr einflussreich gewesen und wird daher „Euhemerismus“ genannt. Bei Zeus und den meisten anderen Göttern dürfte er allerdings vergebliche Liebesmüh sein, irgend welche historisch „realen“, sprich menschliche Vorbilder zu finden.
Allerdings dürfte es in der Religionsgeschichte tatsächlich so gewesen sein, dass die realen Herrschaftsverhältnisse auch die religiösen Vorstellungen geprägt haben. Als zum Beispiel die Menschen am Ende der Altsteinzeit sesshaft wurden, die Gesellschaft allmählich komplexer und weniger egalitär wurde, und „Häuptlinge“ und später Könige die Herrschaft übernahmen, wandelten sich auch die religiösen Vorstellungen und aus den vielfältigen Tiergeistern und anderen „mächtigen Wesen“ wurden „Götter“, die sich wie Könige benahmen und wie Könige vorgestellt wurden. Auch die Darstellung des Zeus und der anderen olympischen Götter bei Homer ist sicher von den (Wunsch-)Vorstellungen der damaligen Aristokratie geprägt.
Das ägyptische Pharaonentum und das Königtum in Israel und Juda dürfte dann sicher auch dazu beigetragen haben, monotheistische Vorstellungen zu entwickeln (so wie es im Land nur einen König geben sollte, sollte es auf der Welt auch nur einen Gott geben).
Und auch die Vorstellungen von „Walküren“ und „Amazonen“ sind wahrscheinlich auch von realen Begebenheiten und Völkern „beeinflusst“ worden, ohne dass man sie eins zu eins auf diese zurückführen könnte. Bei den Amazonen könnte man zum Beispiel spekulieren, dass die Griechen durch ihre Begegnung mit Völkern im Osten, die matriarchalisch von Frauen regiert wurden, zum Amazonen-Mythos angeregt worden sind.