Das Poltergeist-Phänomen
24.11.2013 um 13:20Geschichte des Poltergeistphänomens (III)
Gut 300 Jahre später, ein anderes Land - Wales. Giraldus Cambrensis (Gerald von Wales , 1146-1223), der die Annales Fuldenses mit ziemlicher Sicherheit nicht gekannt hat, weil die in irgendwelchen Mönchsbibliotheken in Mainz und Regensburg lagen, berichtet in seinen Itinerarium Cambriae ("Reise durch Wales", 1191) über folgenden Vorfall, auf den sich auch eine Andeutung in den Annalen von Margan (für das Jahr 1184) zu beziehen scheint:
"In diesem Teil von Pembrokeshire hat es sich zu unserer eignen Zeit zugetragen, dass unreine Geister [spiritus immundus] Verkehr mit Menschen pflogen, zwar nicht so, dass sie sichtbar wurden, aber indem sie sich fühlbar zu erkennen gaben. Denn erst im Hause eines gewissen Stephen Wirier und dann des William Not gaben sie ihre Anwesenheit durch das Werfen von Dreck (jactu sordium) und anderer Dinge kund, die eher als Schabernack denn als Zufügung wirklichen Körperschadens gemeint zu sein scheint. Im Hause des William machten sie - wie sowohl er selbst als auch seine Gäste zu ihrem Schaden erfuhren - Risse und Löcher in Gewänder aus verschiedenem Zeug, und gegen solches Treiben bot kein Maß von Wachsamkeit noch Schloss und Riegel den geringsten Schutz. Was jedoch noch seltsamer war: In Stephens Haus pflegte der Geist mit den Leuten zu reden, und wenn diese ihm Widerrede boten, wie viele es zum Spott taten, hielt er ihnen all die Dinge vor, die sie je im Leben begangen hatten und von denen sie am allerwenigsten wünschten, dass sie bekannt und erwähnt werden sollten."
(Zu letzterem vgl. oben die Annales Fuldenses: "sodann redete er öffentlich und gab an, was heimlich Einigen gestohlen war"; und: "sagte derselbe Feind von demselben Presbyter: ,(...) weil er neulich auf meinen Rath mit der Tochter des Prokurators dieses Dorfes zusammengelegen hat.' Diese That wußte zuvor kein Sterblicher, die ausgenommen, welche sie begangen hatten.")
Giraldus findet für die Vorfälle keine Erklärung, außer, dass sie vielleicht ein "Vorzeichen" für eine bevorstehende Wende von Armut zu Reichtum oder eher noch - denn das sei den Beteiligten später dann gesehehen - von Reichtum zu Amut gewesen seien. Diese Deutung ist aber eher der verzweifelte Versuch, dem rätselhaften Geschehen irgend einen Sinn abzugewinnen, und deutet darauf hin, dass Gerald diese Geschichte nicht erzählt, um die Leser zu unterhalten oder irgend eine "Moral" daraus zu ziehen, sondern weil man sie ihm eben so berichtet hat und er das bemerkenswerte Geschehen weiter tradieren will.
Außerdem stellt Giraldus im weiteren Verlauf seines Berichts fest, dass Sakramente und heilige Riten offenbar keine Auswirkung auf den Spuk hatten (auch das so ähnlich wie 300 Jahre vorher in Bingen); im Gegenteil: Als die Priester mit den heiligen Gegenständen eintrafen, wurden sie als erste mit Dreck beworfen. Er schließt daraus, dass die Sakramentalien nur dafür bestimmt seien, die Menschheit vor ernstem Unglück zu bewahren, aber nicht gegen bloßen Unfug und gegen "Illusionen".
(Giraldus Cambrensis, Itinerarium Cambriae, Buch 1, Kapitel XII, Opera, ed. J.F. Dimock, vol. 6, London, 1868, S. 93 f.)
Gut 300 Jahre später, ein anderes Land - Wales. Giraldus Cambrensis (Gerald von Wales , 1146-1223), der die Annales Fuldenses mit ziemlicher Sicherheit nicht gekannt hat, weil die in irgendwelchen Mönchsbibliotheken in Mainz und Regensburg lagen, berichtet in seinen Itinerarium Cambriae ("Reise durch Wales", 1191) über folgenden Vorfall, auf den sich auch eine Andeutung in den Annalen von Margan (für das Jahr 1184) zu beziehen scheint:
"In diesem Teil von Pembrokeshire hat es sich zu unserer eignen Zeit zugetragen, dass unreine Geister [spiritus immundus] Verkehr mit Menschen pflogen, zwar nicht so, dass sie sichtbar wurden, aber indem sie sich fühlbar zu erkennen gaben. Denn erst im Hause eines gewissen Stephen Wirier und dann des William Not gaben sie ihre Anwesenheit durch das Werfen von Dreck (jactu sordium) und anderer Dinge kund, die eher als Schabernack denn als Zufügung wirklichen Körperschadens gemeint zu sein scheint. Im Hause des William machten sie - wie sowohl er selbst als auch seine Gäste zu ihrem Schaden erfuhren - Risse und Löcher in Gewänder aus verschiedenem Zeug, und gegen solches Treiben bot kein Maß von Wachsamkeit noch Schloss und Riegel den geringsten Schutz. Was jedoch noch seltsamer war: In Stephens Haus pflegte der Geist mit den Leuten zu reden, und wenn diese ihm Widerrede boten, wie viele es zum Spott taten, hielt er ihnen all die Dinge vor, die sie je im Leben begangen hatten und von denen sie am allerwenigsten wünschten, dass sie bekannt und erwähnt werden sollten."
(Zu letzterem vgl. oben die Annales Fuldenses: "sodann redete er öffentlich und gab an, was heimlich Einigen gestohlen war"; und: "sagte derselbe Feind von demselben Presbyter: ,(...) weil er neulich auf meinen Rath mit der Tochter des Prokurators dieses Dorfes zusammengelegen hat.' Diese That wußte zuvor kein Sterblicher, die ausgenommen, welche sie begangen hatten.")
Giraldus findet für die Vorfälle keine Erklärung, außer, dass sie vielleicht ein "Vorzeichen" für eine bevorstehende Wende von Armut zu Reichtum oder eher noch - denn das sei den Beteiligten später dann gesehehen - von Reichtum zu Amut gewesen seien. Diese Deutung ist aber eher der verzweifelte Versuch, dem rätselhaften Geschehen irgend einen Sinn abzugewinnen, und deutet darauf hin, dass Gerald diese Geschichte nicht erzählt, um die Leser zu unterhalten oder irgend eine "Moral" daraus zu ziehen, sondern weil man sie ihm eben so berichtet hat und er das bemerkenswerte Geschehen weiter tradieren will.
Außerdem stellt Giraldus im weiteren Verlauf seines Berichts fest, dass Sakramente und heilige Riten offenbar keine Auswirkung auf den Spuk hatten (auch das so ähnlich wie 300 Jahre vorher in Bingen); im Gegenteil: Als die Priester mit den heiligen Gegenständen eintrafen, wurden sie als erste mit Dreck beworfen. Er schließt daraus, dass die Sakramentalien nur dafür bestimmt seien, die Menschheit vor ernstem Unglück zu bewahren, aber nicht gegen bloßen Unfug und gegen "Illusionen".
(Giraldus Cambrensis, Itinerarium Cambriae, Buch 1, Kapitel XII, Opera, ed. J.F. Dimock, vol. 6, London, 1868, S. 93 f.)