Wie fühlt sich älter werden an?
17.09.2012 um 16:15
Älter werden? Hmm, wie fühlt sich das an, ich kann das nur sehr schwer beschreiben. Ich bin schon ein paar Tage über vierzig, soll heißen, ich gehe ganz stramm auf die 50 zu. Als erstes habe ich das Älterwerden daran gemerkt, dass ich nachts plötzlich öfter, also mindestens ein Mal zum pieseln raus muss, früher habe ich durchgeschlafen wie ein Stein. Dann habe ich mit 38 Jahren ein zweites Studium begonnen. Das war zwar einerseits super und ich würde es jedem empfehlen, der das finanziell auf die Reihe kriegt, andererseits habe ich auch gemerkt, dass ich kein so gutes Kurzzeitgedächtnis mehr habe, wie mit zwanzig. Im ersten Studium hab ich mir "das Zeugs" mal durchgelesen und dann reichte es auf jeden Fall für den Schein und auch die Arbeiten habe ich (damals noch mit der mechanischen Schreibmaschine) mehr so nebenher geschrieben, weil ich viel mehr mit der Regensburger (mein damaliger Studienort) Kneipenkultur beschäftigt war. Wenn ich damals mal durchgemacht habe, was doch hin und wieder mal vorgekommen ist, dann war ich halt mal ein bisschen müde aber es war nicht wirklich ein Problem. Wenn ich heute extrem spät ins Bett komme, dann kann mir das Tage lang nachhängen. Mit fast vierzig war das Studieren also dann nicht mehr so einfach, aber andererseits hat es mir auch geholfen, nicht in meinen alten Strukturen hängen zu bleiben, sondern es hat mir wunderbar meinen Blick geweitet. Meine Augen lassen aber in letzter Zeit auch merklich nach, (weil wir schon beim Blick sind), was heißen soll, dass bei mir die Altersweitsicht anfängt.
Was mich sehr erschreckt ist, dass ich feststelle, dass ich meiner Mutter sehr ähnlich geworden bin, was für mich immer eine Horrorvorstellung war. Zum Glück habe ich aber auch ihre guten Gene mitbekommen, was das äußere Altern betrifft, das heißt, ich habe noch eine vergleichsweise glatte Haut, wenn man mal von den Lachfalten absieht, und meine grauen Haare kann ich immer noch an einer Hand abzählen, so dass ich mir die Haare zum Spaß töne, und nicht weil ich mein Silberblond verdecken will. Deshalb trage ich in letzter Zeit auch meine Naturfarbe.
Ja, gelassener wird man auch, ich mache mir um vieles nicht mehr so viele Gedanken, aber man muss auch sehr aufpassen, dass man sich nicht gehen läßt und "wurschtig" wird.
Ich habe einen etwas jüngeren Mann, was aber nicht unbedingt zum Jungbleiben beitragen muss, denn wenn es darauf ankommt, bin ich z.B. die Unternehmungslustigere. Ich habe nie krampfhaft versucht, jung zu wirken. Ich fand alte Gesichter immer interessant und vor allem das von Furchen durchzogene Gesicht meiner Großmutter liebte ich, weil es eine Geschichte erzählte. Plötzlich merke ich, dass mich mein eigenes Altern doch nicht so ganz kalt läßt und freue mich mehr als noch vor fünf Jahren über die Feststellung anderer, dass ich jünger wirke, als ich tatsächlich bin.
Aber bei all dem, möchte ich keine zwanzig mehr sein. Es gibt viele Ereignisse, Erfahrungen und Lebensabschnitte, die ich nicht missen möchte und auch auf das weniger Schöne möchte ich nicht verzichten, weil mich das alles zu dem gemacht hat, was ich heute bin.
Manchmal merke ich, dass ich die Jugendlichen von heute oft nciht verstehe und ihre Denke nicht immer nachvollziehen kann. Früher hat mich das erschreckt. Heute denke ich mir, das muss nicht sein, ich muss nicht alles verstehen. Ich weiß noch, als ich das erste Mal zu einer jüngeren Frau über ein Lied im Radio gesagt habe, dass mir die Originalversion doch besser gefallen hätte und sie sagte: "ich dachte, das sei die Originalversion!" Ach du Scheiße! Wenn man über einen Titel sagt, man erinnere sich noch, als die Platte (!) frisch herauskam und dein Gegenüber sagt, ach sooo alt ist der schon! Oder wenn die Mode deines Jahrzehnts, also die Zeit in der man seine "Jugend" verbracht hat, gerade als Retrolook wieder in den Läden ist, au Backe!
Was mir als Frau wirklich ein Problem bereitet hat ist der Gedanke, dass es zum Kinder kriegen zu spät ist. Ich weiß nicht, ob es anderen Frauen auch so geht. Ich habe Kinder und die Familienplanung haben wir abgeschlossen. Rein medizinisch könnte ich noch Kinder kriegen, will aber nicht wirklich welche. Aber der Gedanke, dass es bald nicht mehr möglich ist, erschreckt mich ein bisschen, wahrscheinlich nur so lange, bis der erste Enkel da ist.
Also alles in allem kann ich als noch nicht uralte Frau sagen: es hat alles seine Vor- und Nachteile, auch das Älterwerden. Mein Leben ist noch nicht ausgelebt, ich weiß, dass noch jede Menge Neues kommen kann und ich bin neugierig darauf. Alt werden ist nicht immer schön, aber man kanns überleben ;-)