Spiritualität und Intellektualität - Widerpruch?
diese Frage kann ich nicht eindeutig beantworten, doch vielleicht sollte es einem zu denken geben, daß die Eingeborenenvölker im Urwald, die auf der niedrigsten Stufe der menschlichen Entwicklungsskala sich befinden, für das Übernatürliche und Irrationale sehr empfänglich sind.
Allein die Welt der Geister, an die diese Menschen so sehr glauben und vor der sie sich so eingehendst fürchten, zeigt doch deutlich, daß bei diesen Menschen der rationale Verstand vollkommen aussetzt, wenn es um das Geistige bzw. Übernatürliche geht.
Wieso ist bei diesen Menschen der Drang, ihre Situation bzw. ihr Dasein zum Positiven zu verändern, so schwach ausgeprägt?
Sind es wirklich nur die ungünstigen Umweltbedingungen, die daran schuld sind?
Nach einigem Überlegen habe ich zur Fragestellung ,was den Menschen dazu antreibt, seine Umwelt lebenswerter zu gestalten bzw. sie zu seinen Gunsten zu verändern, eine mögliche Antwort gefunden: Es ist das Vertrauen darauf, daß das Leben in des Menschen eigener Hand liegt,es ist der Glaube daran, daß das Böse überwunden und eine bessere Welt erschaffen werden kann.
Vielleicht spielt bei diesem Gedankengang auch der Glaube an einen ewigen Kreislaufs des Lebens von Geburt und Tod eine Rolle. Wenn der Mensch daran glaubt, daß er nur ein winziger Baustein in einem ewigen Kreislauf ist, wie sollte er dann die Motivation aufbringen, eine Veränderung herbeizuführen, also den ewigen Kreislauf des immer wieder gleichen (Geburt- Tod-Geburt-Tod..) zu durchbrechen?
Und hierbei spielt auch der Gegensatz von Gut und Böse eine Rolle: In Gesellschaften, wo das Böse als nicht akzeptierbar deklariert wird, ist der Wille zur Veränderung da.
In Kulturen, wo das Böse als gleichwertes Pendant des Guten betrachtet wird, dort also, wo man glaubt, daß das Gute nicht ohne das Böse existieren kann und umgekehrt, ist der Wille zur Veränderung schwach ausgeprägt. Wenn das Böse, also alles ,was das eigene Schicksal bedroht, als integraler Bestandteil des ewigen Kreislaufs des Lebens angesehen wird, ergibt man sich zwangsläufig seinem Schicksal und gibt sich ihm hin, ja dann ist es so, daß man das Irrationale akzeptiert und einfach so hinnimmt. Wenn das Handeln eines Menschen nicht mehr in Gut und Böse eingeteilt wird, dann gibt es auch keinen Grund mehr, das Handeln eines Menschen zu erklären, dann hat alles seine Berechtigung,
Und in Gesellschaften, wo das Handeln eines Menschen nicht mehr erklärt werden muß, hält das irrationale, das nicht-rationale Einzug. Das Handeln eines Menschen muß dann nicht mehr zwangsläufig einen Sinn ergeben, denn ob das Handeln eine Menschen gut oder böse war, ist in solchen Gesellschaften nicht mehr wichtig. Das ist natürlich alles eine schlechte ideologische Grundlage, um sich intellektuell zu betätigen. Anders sieht es bei anhängern dualistischer Religionen aus. die anhänger streben nach Veränderung ihres Daseins, nach Verbesserung ihrer Umwelt und ihrer Selbst (man will ein moralisches, gottgefälliges Leben führen), letztendlich strebt man also nach Erlösung.
Dazu hier ein interessanter Text, den ich gefunden habe:
>>Rad des Lebens und Medizinrad
Sowohl im Schamanismus als auch im Buddhismus taucht der Kreislauf des Lebens auf. Im Buddhismus wird das Rad des Lebens im wesentlichen negativ gesehen, als endloser Karma-Kreislauf, den es zu überwinden gilt, von dem man sich befreien will. Das impliziert zumindest die Tendenz, das Leben abzuschaffen, denn Leben bedeutet immer, dass irgendetwas unvollkommen, falsch, halb, unwissend, irrtümlich etc. ist. Das Leben kann prinzipiell nicht in einer simplen, positivistischen Kausalkette ablaufen, die nur ein Ziel, und sei es Erleuchtung, hat.
Der Schamane sieht den ganzen Kreislauf als positiv an, und damit sind auch die sogenannten negativen Elemente gemeint. Sie gehören zum Spiel des Lebens dazu, insofern sind sie positiv - für ein Einzelschicksal mögen sie dagegen recht negativ sein. Wenn der Schamane den Kreislauf als heilend ansieht, dann spricht er vom "Medizinrad". Im Grunde integriert sein Kreislaufsystem jedoch alle positiven und negativen Elemente, es wird nichts ausgeschlossen, und es muss auch nichts überwunden werden. Völlige Anerkennung ist der Weg. Der Schamane strebt eher eine sinnvolle, freiere, spirituellere Umgestaltung (Transformation) an, ist sich jedoch bewusst, dass an den Grundbedingungen der Existenz (z.B. Endlichkeit des Lebens, Beschränktheit des Wissens, Irrtümer, Fehler bei Entscheidungen etc.) niemals etwas zu ändern ist. Der tantrische Buddhist sieht das ähnlich oder sogar gleich. Dennoch spielt das Motiv der geistigen Überwindung im Buddhismus eine größere Rolle.
Dualismus und Holismus
Manchmal muss man sich fragen, warum in buddhistischen Schriften so oft vom Dualismus gesprochen wird. Für den Schamanen gibt es keinen Dualismus ( so wie es auch keine Dämonisierung der Natur gibt), sondern ein zusammenhängendes Kontinuum: alles ist miteinander verbunden und verwoben in einem endlosen Gewebe des Lebens. Dualistische Haltungen signalisieren oft eine Distanz zur Natur, zum Leben. Irgendetwas wird nicht begriffen, akzeptiert, integriert, geliebt etc. Je extremer der Dualismus, desto stärker das Bedürfnis, irgendetwas zu überwinden oder gar abschaffen zu wollen.
Der Schamane akzeptiert das ganze Leben als System der "Großen Mutter", an dem er nichts ändern kann und will. Es ist, wie es ist, und es bleibt, wie es ist, es wandelt sich nur. Ein Schamane fühlt sich aufgehoben im Kreislauf der Ur-Mutter. In gewisser Hinsicht strebt das auch der Buddhist an. Gerade westliche Menschen sollten sich allerdings fragen, inwieweit sie nicht doch bestimmte Elemente des Lebens-Kreislaufes abschaffen wollen. Das europäische Denken und Handeln hat in der Hinsicht eine recht unschöne Tradition. Seit Platon verfolgt das europäische Denken einen dualistischen Weg - und hat immer die holistischen Systeme diffamiert oder sogar unterdrückt. <<
(Quelle:
http://www.visionhill.de/wolf/texte.html (Archiv-Version vom 04.02.2005))
Will damit sagen: Wenn man glaubt, daß alles so ist, wie es ist und auch immer so bleibt,und letzten Endes die eigene Existenz und das Handeln des Übernatürlichen unerklärbar bleibt, dann braucht man sich auch keine Gedanken über das Leben und die eigene Existenz zu machen und ergo sein Gehirn bzw. seinen Intellekt nicht anzustrengen.
Es gibt im Grunde für solche Menschen nur eine einzige Situation, die sie zur Veränderung treibt:
Schmerz.
Mein Fazit ist: Intellektualität und Spiritualität schließen sich NICHT aus, wie man am Beispiel der Vorstellungswelt der dualistischen Religionen sehen kann.