@Lorea Also mein Brieffreund ist sehr ehrlich und bereut seine Tat nicht auf die Weise, auf die wir (auch ich) das gerne hätten. Er leidet sehr unter seiner Tat und der Tatsache, jemandem das Leben genommen zu haben - er ist jedoch davon überzeugt, dass er keine andere Wahl hatte (Notwehr).
Wir haben ganz zu Beginn unserer Verbindung geklärt, dass wir diesen dunklen Moment solange Außen vor lassen, solange wir das Gefühl haben, nicht damit umgehen zu können - es ist uns wichtiger, uns in unseren Briefen von dem zu berichten, was uns beschäftigt: Alltägliches, Politik, Ernährung, Familie...wir haben verstanden, dass es etwas Höheres gibt, dass wir lediglich akzeptieren oder bekämpfen aber nicht ändern oder sonstwie beeinflussen können. Er kämpft einerseits noch (würde ich auch tun), hat aber andererseits schon längst die Verantwortung übernommen und sein Leben akzeptiert.
Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass ich nicht nachfrage - es ist mir nicht wichtig, ob oder wie schuldig er ist - diese Diskussion führt er sowieso permanent mit anderen, um sein Leben zu retten. Uns interessiert vielmehr der spirituelle Aspekt: Das wir uns gefunden haben um im Angesicht seines Todes über Rezepte zu schreiben - weil genau das Leben hier und jetzt bedeutet (er ist Koch).
Natürlich wissen wir beide, dass sein Leben sehr hart ist - und wahrscheinlich vor meinem Leben gewaltsam beendet wird (obwohl das niemand mit Sicherheit sagen kann). Das schwebt wie ein Damoklesschwert über allem.
Alles was uns bleibt, ist eben unsere Einsicht, dass alles so wie es ist - ist! Weder gut noch schlecht - wir haben uns das nicht ausgesucht aber wir haben die Wahl: Ich bekenne mich zu meinem Leben - oder eben nicht (= Ich leide und Alle anderen sind schuld!)
Mein Freund bekennt sich zu seinem und dem Leben, was auch seine Tat beinhaltet - und das tue ich auch...ich bekenne mich zu mir selbst! Nur deshalb haben wir diesen Austausch! Würde einer von uns beiden nicht wissen und auch sagen, um was es geht - würden wir uns belügen. Es gehört sehr viel Mut und Feingefühl und Vertrauen dazu, sich das sagen zu können - und es klappt auch längst nicht immer (try and error) - ich hab' am Anfang viel Mist geschrieben und dämliche Fragen gestellt - und habe dabei jedesmal gelernt.
Was ich zum Ausdruck bringen will: Seid einfach ehrlich...schreibt genau das, was euch auf der Seele brennt - wenn ihr Probleme mit Schuld und Sühne habt oder dem schwierigen Thema Opfer und Täter, wenn ihr Fragen habt (egal wie intim) ... seid trotzdem ehrlich - das ist der beste Weg, viel über sich selbst und über das Leben zu erfahren.
Solange man nicht in seinen Dogmen, Glaubenssätzen und Konditionierungen verhaftet ist oder aus Selbstgerechtigkeit, Überheblichkeit oder auch Egoismus heraus 'argumentiert' - der andere mag das vielleicht zu Beginn auch sein und tun...angesichts des Todesurteils wachen jedoch nicht wenige auf und haben wirklich etwas zu sagen...was ich persönlich als Geschenk empfinde.
Zuhören (besser: Hinhören) ist dabei das Ausschlaggebende! Wer das kann, braucht nichts zu fürchten. Wenn einem das schwer fällt: hier ist die Gelegenheit es zu lernen: Schließlich hat 'man' es mit dem Tod UND mit einem Menschen zu tun - was wäre es mehr wert, hinzuhören als hier!
Leider ist es jedoch so, dass man nicht sofort "den" Partner findet, der 'auf einer Wellenlänge' ist. Am Anfang ist man ja auch noch unerfahren - manche bleiben am Ersten hängen obwohl sie sich nicht wohl fühlen...und glauben, das käme von der schwierigen Thematik und von ihnen selbst. Das ist Humbug. Du hast jedes Recht, solange zu suchen, bis Du 'Deine(n)' gefunden hast. Nein zu sagen ist in dieser Situation sehr schwierig - mit etwas Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen geht das aber
;)