Zwingt uns die Psyche in die Knie?
16.01.2010 um 10:33
Die Psyche des Menschen ist nach meiner Ansicht nicht unser ICH, aber ein Teil davon. Und insofern kann man sie natürlich nicht ausschalten und auch nicht austricksen.
Unser ICH ist schon noch etwas mehr als nur unsere Psyche. Wenn allerdings ein Teil von unserem SELBST uns SELBST in die Knie zwingt, dann hat es eine gewisse Machtstellung innerhalb unseres Wesens. Und das hat auch wie alles dann einen Grund. Das gesamte Wesen Mensch wird also gebeugt, in die Knie gezwungen, weil ein Teil dessen, die Psyche dieses veranlasst?
Ein sehr interessanter Gedanke. Und ich bin überzeugt, sowas passiert jedem mal mehr mal weniger und ist dennoch ein uns relativ unbekannter Mechanismus. Ich denke, dass die Psyche als Teil unseres eigenen ICHs dieses in die Knie zwingen erwirkt, um sich selbst zu schützen. Es kann sich nur um einen Schutzmechanismus handeln, weil alles andere irgendwie nach meinem Empfinden sonst keinen Sinn machen würde.
Dieser Schutzmechanismus kann sogar an sich unsinnig sein, so wie andere Verhaltensmuster, die wir heute noch oft unbewusst praktizieren, weil sie früher mal Sinn gemacht haben und uns heute als Automatismus begleiten, obwohl sie längst überholt sind.
Vielleicht liegen auch irgendwelche in der Kindheit uns besonders geprägte sogenannte Schlüsselreize darin ursächlich verborgen. Oder nennen wir sie mal einfach nur Schlüsselerlebnisse. Irgend eine Begebenheit, in der wir Ratlos waren oder uns unwohl fühlten und nach einer Lösung durch unser eigenes Verhalten suchten, dann eine nach unserem Ermessen vernünftige Lösung fanden, anwandten und das Problem löste sich tatsächlich und es ging uns wieder besser. Dann entstehen Verknüpfungen bei den Nervenzellen im Gehirn, die immer genau dann anspringen und sich verschalten und uns genau in dasselbe Verhaltensmuster jonglieren, wie damals, als wir diese Verhaltensstrategie als Lösungsweg für uns entdeckten. Das kann allerdings in anderen Lebensbereichen sogar hinderlich sein, weil ja keine Situation mit einer anderen, früheren, identisch ist, sondern weil unsere Psyche nur gewisse Ähnlichkeiten erkennt und uns dadurch manchmal auch auf eine falsche Fährte leiten kann.
Schwierig ist das, weil wir dieses interne Spiel unseres Selbst nicht gut durchschauen, weil es fast immer unbewusst abläuft. Ich denke der erste Schritt ist, sich die inneren Vorgänge, in solchen Situationen, wo uns unsere Psyche mal wieder in die Knie zwingt, sich bewusst zu machen. In einer konkreten Situation ist das meistens nicht möglich, aber man kann im Nachhinein die gesamte Situation nochmal Revue passieren lassen und zwar in Zeitlupe und sich bei jeder Änderung fragen: Was ist da genau passiert - warum habe ich da genau so und nicht anders re-agiert?
Im zweiten Schritt kann man dann versuchen, andere, neue Verhaltensmuster einzustudieren und sich anzutrainieren, die dann wieder neue Verknüpfungen hervorrufen und uns selbst zeigen: Es gibt auch noch andere Wege die mich aus der Krise führen, es geht also auch anders. Man kann das zumindest üben und der Erfolg gibt einem meistens sogar Recht, weil es sehr oft tatsächlich zum Erfolg führt.
Der wichtigste Punkt scheint mir allerdings die Bewusstwerdung dieser ansonsten fast automatisch ablaufenden Vorgänge zu sein. Dann dirigiert nicht meine Psyche mein ICH, sondern ICH werde mir dessen bewusst, was da geschieht und kann, wenn ich will, etwas daran auch ändern, damit werde dann ICH mit meinem Bewusstsein auch der Dirigent über meinen Teil der Psyche und die richtet sich dann nach den neuen Erkenntnissen und zwingt mich womöglich dann nicht mehr in die Knie. Das geht zwar nicht gleich beim ersten Mal, aber es wird je nachdem, wie oft man quasi noch in die Knie gezwungen wird, von Mal zu Mal immer besser. Wie heißt es auch: Übung macht den Meister.
Ich glaube ein gewisser Goethe war es, der enorme Höhenangst hatte. Diese Angst kann einen natürlich ein Leben lang beherrschen. Goethe ging dann so lange auf Türme, bis er seine Höhenangst überwandt. Er konfrontierte sich also bewusst immer wieder, so lange mit seiner eigenen Angst, bis nicht mehr die Angst ihn beherrschte, sondern er seine Angst. Ursprünglich mag eine gewisse Höhenangst sogar berechtigt gewesen sein und eine Schutzfunktion darstellen, eben damit man von einer ungesicherten Höhe nicht herunter fällt. Wenn sie einen aber beherrscht, dass sie einem eher hinderlich wird al nützlich, kann man daran arbeiten.
Das Beispiel ist vielleicht nicht so ganz passend, aber es zeigt auf, dass es Wege gibt, mit unbewussten Verhaltensmustern oder Ängsten, Schlüsselerlebnissen und Schutzfunktionen, wenn sie einem denn hinderlich werden, oder wenn die Psyche das ICH zu sehr in der Gewalt hat, so umzugehen, dass sie einen nicht mehr oder nicht mehr so stark belasten. Und vor allem, dass das ICH kein starrer Automat ist, sondern immer noch Lernfähig ist und sich auch neue Verhaltensmuster aneignen kann.