Das ganz alltägliche Grauen: Chinas Ein-Kind-Politik
Abtreibung wie am Fließband, sogar neunmonatiger Fötus wird nicht verschont.
17. April 2007, Südchina, Autonomiegebiet Guangxi, Stadt Baise, Youjiang Volkskrankenhaus: Die Abteilung für Geburtshilfe ist überfüllt und das Personal hat alle Hände voll zu tun. Alle Betten sind besetzt, auch in den einfachsten Betten im Flur liegen überall Hochschwangere. Laut der in Amerika ansässigen Menschenrechtsorganisation China Aid sind es mindesten 41 Frauen. Doch die Geburtstermine sind noch nicht herangerückt und die Frauen liegen dort auch nicht freiwillig. Sie sind vom örtlichen Büro für die Ein-Kind-Politik dorthin gebracht worden. Ihnen wird mitgeteilt, dass das Baby in ihrem Bauch abgetrieben werden muss, egal in welchem Stadium sich ihre Schwangerschaft befinde. Den Frauen wird unter Zwang eine Injektion mit unbekanntem Inhalt verabreicht.
Frau Wei von Bett 39
Auf dem Bett Nr. 39 liegt Wei Lingrong. Sie befand sich im siebten Schwangerschaftsmonat, als am Morgen des 17. April, kurz vor zehn Uhr, etwa zehn Beamte des Büros für die Ein-Kind-Politik in ihre Wohnung eindrangen. Sie nahmen die Hochschwangere mit und brachten sie ins Youjiang Volkskrankenhaus. Dort erhielt sie um elf Uhr eine Injektion. Am nächsten Morgen um sechs Uhr kam ihr Kind tot zur Welt.
„Es war zu erkennen, dass das Baby ein Junge war. Was für eine Spritze das war, wissen wir auch nicht. Die Spritze lässt den Fötus im Mutterleib langsam sterben." sagt der Ehemann von Wei Lingrong gegenüber Radio Free Asia. Das Ehepaar hat schon ein Kind. Das zweite Kind war reiner Zufall. Weil die Eltern Christen sind, wollten sie es nicht abtreiben lassen, wie es Chinas Ein-Kind-Politik vorschreibt.
Keine Ausnahme für den neunmonatigen Fötus
He Caigan liegt im Bett Nr. 37. Auch das Baby in ihrem Bauch ist schon neun Monate alt. Es ist ihr erstes Kind. Doch das Büro für Familienpolitik fordert, dass sie das Baby abtreiben lässt, weil sie das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht hat und auch noch nicht offiziell verheiratet ist. „Das Krankenhaus hat mir nicht gesagt, was für eine Spritze sie mir gegeben haben. Ich habe zwei Mal eine Spritze bekommen. Die Injektionen gingen in den Kopfbereich des Babys. Ich hatte solche Angst, ich habe nicht einmal gewagt hinzuschauen, ich habe nur die Augen zugemacht. Nach dem Einstechen der Spritze hat das Baby ununterbrochen gestrampelt. Zwanzig Minuten später hat es sich nicht mehr bewegt. Gestern Abend hat es sich auch nicht bewegt, heute auch nicht." so die junge Frau im Gespräch mit Radio Free Asia. Sie wusste in dem Moment nicht, ob das Baby noch lebte oder nicht. Sie wollte das Baby aber so gerne zur Welt bringen.
Die Behörden leugnen die Vorfälle
Eine Reporterin von Radio Free Asia ruft am 18. April die Entbindungsstation des Youjiang Volkskrankenhauses an:
RFA: Ihr Krankenhaus lässt mehr als 40 Frauen abtreiben. He Caigan, die das Bett Nr. 37 bekam, befand sich im neunten Monat der Schwangerschaft. Wurde sie auch zur Abtreibung gezwungen?
Krankenhaus: Wer hat Ihnen das gesagt. Sie wird bald entbinden, wir machen nichts mit ihr.
RFA: Aber was ist dann mit Wei Lingrong? Sie war schon im siebten Monat. Sie hat eine Spritze erhalten und heute Morgen kam ein totes Baby auf die Welt. Was ist da passiert?
Krankenhaus: Wenn Sie die Sache genau wissen möchten, dann kommen Sie vorbei. Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen zu antworten.
Das Büro für die Ein-Kind-Politik leugnet die von ihm selbst inszenierten Abtreibungen: „Das Baby starb schon im Bauch, das sagen nur Sie.“ so die Antwort eines Mitarbeiters gegenüber RFA am Telefon. Und: „Was ist denn wirklich geschehen? Wir werden Leute schicken, um die Sache zu untersuchen." Im Büro stellt man sich uninformiert. Zur gleichen Zeit tummeln sich aber Dutzende von Beamten des besagten Büros in dem Volkskrankenhaus.
Laut China Aid wurden am 18. April um 17 Uhr wieder mehr als 20 Schwangere in Fahrzeugen jenes Büros ins Youjiang Krankenhaus gebracht. Innerhalb einer halben Stunde erhielten mehr als zehn Frauen jene Injektionen unbekannten Inhalts. Das waren etwa 60 Schicksale in 48 Stunden, abgehandelt wie am Fließband.
Parolen für Ein-Kind-Politik
Wie bei all ihren politischen Kampagnen versucht Chinas kommunistische Regierung ihre Politik auch seit der Einführung der Ein-Kind-Politik im Jahr 1979 durch massive Propaganda in die Köpfe der Bevölkerung einzuhämmern, damit diese letztendlich die KP- Politik als berechtigt und korrekt akzeptiert. Durch diese Gehirnwäsche ist den meisten Chinesen angesichts dieser brutalen Praxis gar nicht bewusst, dass sie als Menschen das Recht haben, sich dagegen zu wehren und sie wagen es auch nicht, etwas dagegen zu tun. Wer sich dagegen einsetzt, muss mit schweren Konsequenzen rechnen. Der blinde Menschrechtsaktivist Chen Guangcheng wurde deswegen 2006 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.
An öffentlichen Plätzen sind oft solche Parolen für die Ein-Kind-Politik zu lesen:
Eine Person sterilisiert, bringt der ganzen Familie Ehre.
Weniger Kinder gebären, mehr Bäume pflanzen; weniger Kinder erziehen, mehr Schweine züchten.
Wer nicht die Ein-Kind-Politik umsetzt, dessen ganze Familie werden wir zerstören!
Lieber zehn Gräber mehr, statt einen Mensch mehr.
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