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TikTok - Chinas Schmutz-, Sucht- und Verdummungsmaschinerie?
18.11.2023 um 20:30Aloha,
zum fröhlichen Einstieg ein kleiner Vergleich:
TikTok in Deutschland
https://www.youtube.com/watch?v=GfzLFEma4Lo (Video: German Cringe Tik Tok Compilation #41)
TikTok bzw. Douyin in China
Zugegebenermaßen eine nicht mehr ganz aktuelle und arg plakative Gegenüberstellung, auch in China machen sich genug Leute zum Löffel, wenn man sie denn nur lässt. Aber ist es nicht interessant, dass im Kernland der App Inhalte sowie Zugänge deutlich strikter moderiert und eingeschränkt werden, während man den sonst hochpotenten Algorithmus quasi ungezügelt auf den Rest der Welt loslässt? Und dies in offenbar als verlängerten Arm der staatlichen Agenda, in Form der kommunistischen Partei Chinas?
Vorab ein kurzer Rückblick, der chinesische Unternehmer Zhang Yiming gründete zusammen mit ehemaligen Arbeitskollegen im Jahr 2012 Bytedance. Nach diversen beruflichen Stationen, u.a. bei Microsoft, konzentrierte sich der Software-Ingenieur auf das Thema Big Data, insbesondere dem Zuschneiden von News und selektiven Nachrichten je User anhand seiner Präferenzen. Später würde sich der Dienst (Jinri) Toutio nennen, soviel wie 'heutige Schlagzeilen'. Die erste App, die 2012 von Bytedance auf dem Markt kam, war hingegen die Unterhaltungsplattform Neihan Duanzi (ND), zu deutsch übersetzt etwa 'tiefgründiger Humor'. Wie der Name erahnen lässt, eine Applikation für lustige Videos, Gags, mems und dergleichen. Soweit so unspektakulär, bis sich 2018 die chinesischen Zensurbehörden einschalteten. Der Grund waren Inhalte und ferner die komplette Plattform ND, die aufgrund ihrer Vulgarität endgültig geschlossen wurde. Yiming musste sich entschuldigen und sowohl der politische Druck innerhalb Chinas als auch der fast schon unterwürfige und selbstgeißlerische Wortlaut der Entschuldigung geben ein bemerkenswertes Bild ab. Vor allem aufgrund dieser Passage:
2016 war es dann soweit, TikTok's Vorgänger Douyin geht in China an den Start, zunächst mit A.me als Dienstname. Nachdem Yiming klar wurde, dass seine App um zu überleben Wachstum benötigte und jener nur weltweit möglich war, folgte im September 2017 TikTok. Knapp zwei Monate später wurde die App Musical.ly für eine Milliarde Dollar akquiriert und deren Userbase in TikTok integriert. Der Kauf war eine Mischung aus Musik-Videodienst und sozialem Netzwerk, brachte zudem viele der heutigen Funktionen mit. TikTok war endgültig geboren und wuchs fortan rasant, sowohl weltweit, als auch in China. Allerdings unter grundverschiedenen Einflüssen.
Die Unterschiede
Die Inhalte von TikTok und Douyin sind strikt getrennt und in dem Sinne zwei verschiedene Netzwerke. Während man im Rest der Welt TikTok als Kurzvideodienst mit zahlreichen Funktionen kennt, ist Douyin eine Mischung ausüberwachter moderierter Unterhaltungs- und ecommerce-Plattform. Mittels optischer Suchfunktion kann man Bild-/Videoinhalte auswählen und innerhalb von drei Klicks shoppen, bezahlt wird mit dem hauseigenen Zahlungsservice Douyin Pay. Während der User je nach Produkt nicht mal die App verlassen muss, wird er ansonsten direkt zum Händler weitergeleitet. Dir gefällt das Shirt des Influencers, möchtest wissen, ob man das Ressort im Hintergrund des Tanzvideos buchen kann? Grenze es per Rahmenfunktion ein und buche bzw. kaufe noch direkt in der App:
Spoiler
Quelle
Selbige Technik kommt als Gesichtserkennung zum Einsatz, wenn man sich z.B. alle Videos des Darstellers anzeigen lassen möchte. Und auf diese Weise erlöst Douyin seine Umsätze, während TikTok weitgehend noch Inhalte monetarisiert und die ecommerce-Sparte erst noch im Kommen ist.
Douyin soll neben seinem Angebot an Unterhaltung ein Alltagshelfer sein und in dieser Funktion wird vor allem das Interesse der KP gewahrt. Wie in allen großen Unternehmen, die in China agieren, egal ob in- oder ausländisch, verfügt auch Bytedance über ein Komitee der kommunistischen Partei und zahllose Gremien innerhalb des Unternehmens.
Die Interessen der KP sind aber nicht nur intern zu wahren, sondern auch inhaltlich.
Kampf dem TikTok-Gehirn
Ein paar Fragen an alle Mitleser hier, welche regelmäßig oder sogar täglich TikTok, Facebook- oder Instagram-Reels, Youtube Shorts* und generell gerne soziale Medien konsumieren: Schafft ihr es noch, konzentriert eine Buchseite, gar ein ganzes Buch zu lesen? Wie stehts mit längeren Videos, skippt ihr, wenn es nicht direkt auf den Punkt ist, schaut ihr überhaupt noch längere Videos zu Unterhaltungszwecken? Und Filme? Haltet ihr einen 90-Minüter oder länger durch, ohne nebenbei aufs Handy zu gucken? Habt ihr überhaupt bis hierhin gelesen oder nur überflogen? :troll:
Falls ihr eine der Fragen mit einem etwas zerknirschten Ja beantworten könnt: Ihr seid nicht allein.
Bereits länger vermuten Forscher, dass uns Dienste wie TikTok etwas aufs Hirn schlagen könnten, auch wenn die Evidenz noch auf tönernen Füßen steht. Verständlich, das Phänomen der Kurzvideos ist nicht sonderlich alt, darüber hinaus lassen sich die Konzerne hinter den Plattformen nur ungern zu Forschungszwecken in den Algorithmus linsen.
Im Detail aus dem Link, bold von mir:
Spoiler
Hinzu kommt unser Belohnungssystem, wie inzwischen bekannt, begünstigt der Konsum sozialer Medien unsere Dopaminausschüttung:
Der mittlerweile auf TikTok bekannte Jugendmodus (mit dem Eltern bei Kontenverknüpfung den Konsum ihrer Kinder einschränken können) wurde zuerst auf Douyin gelauncht, läuft aber dort etwas anders ab: Entsprechend registrierte User unter 14 Jahren können die App täglich nur noch 40 Minuten und von 22 bis 6 Uhr überhaupt nicht nutzen. Eine Nachrichtensperre sowie Zeitsperren bei übermäßigen Video-Scrolling runden den digitalen Käfig ab. Darüber hinaus wird vor allem bei Heranwachsenden der Fokus auf Bildungsinhalte, Erfolgsstorys, Geschichte, Dokumentationen und natürlich Parteiprogapanda gelegt.
Ein weiterer Eckstein in der Strategie der KP, die sich selbst dem Kampf gegen die jugendliche Internetsucht verschrieben hat: Bereits 2021 wurde Onlinegaming für unter 18Jährige praktisch verboten, lediglich eine dreistündige Spielzeit je Woche, aufgeteilt von Freitag bis Sonntag, war Jugendlichen und Kindern erlaubt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Südkorea zehn Jahre lang mit einem nächtlichen Onlinespielverbot für u16, wurde aber mittlerweile mangels Wirkung gekippt.
"Die Nation muss erneuert werden, kleine Mäuler müssen kontrolliert werden." Chinesisches Propagandaposter, zirka 1970, für die damalige Ein-Kind-Politik (Bild: Beijing Centre for Communication and Education for Family Planning)
Auch bei Erwachsenen, die bis zum 29. Lebensjahr zur Kernzielgruppe der App gehören, ist Douyin im Vergleich zu TikTok die Version mit der angezogenen Handbremse. Zwar kann man sich in dem chinesischen Ableger genauso einen reinen Unterhaltungsfeed zum Scrollen zusammenstellen, der z.B. aus Comedy, Mode, Streetwear, Tanz, Synchro und Musik besteht, dennoch hält auch hier die Staatsführung ihre Zügel in der Hand. Denn ein Dilemma betrifft nicht nur den Umgang mit TikTok, sondern auch Bytedance selbst: Bevor bei Douyin die Zensurbehörden regulatorisch eingreifen müssen, sorgt man lieber selbst gehorsamst für eine saubere Plattform im grundlegenden Interesse der überwältigenden Mehrheit.
Verblödung durch TikTok?
Der Vorwurf, ob uns die KP mit TikTok bewusst verdummen will, ist nicht neu und erfreut sich bei öffentlichen Verfechtern wie Tucker Carlson oder Joe Rogan großer Beliebtheit. Es passte ja auch gut in deren Erklärungsansätze, wenn die Weltmacht Nr. 1 seine Staffel an China zwangsläufig übergeben muss, weil die nachrückende Gen Z bis zur Unfähigkeit verblödet wurde. Ist in etwa so plakativ, wie mein Videovergleich oben, trotzdem möchte ich mit dieser Textwand einfach mal die Diskussion über TikTok und eurer Meinung dazu anstoßen. Denn obwohl das Thema eine politische Note mit konspirativen Nuancen hat, steht es in Menschen, die es am Schluss als Nutzer selbst betrifft.
Ergänzend ein paar Fragen, die man wahlweise mitnehmen kann:
- Was haltet ihr von TikTok?
- Nutzt ihr die App und wenn ja, wie lange täglich/wöchentlich?
- Habt ihr selbst schon mal Content erstellt, Videos hochgeladen, gestreamt? Wie waren die Reaktionen?
- Was haltet ihr vom Kontext zu China und der KP, ähnlich wie bei amerikanischen Netzwerken?
- Würdet ihr euren Kindern TikTok erlauben, den Zugang beschränken?
- Hattet ihr schon mal schlechte Erfahrungen mit der App bzw. deren Usern? Welche?
- Welche Ziele verfolgt eurer Meinung nach die KP mit ihren Eingriffen und Vorgaben bei Douyin?
- Hat euer Konsum von Kurzvideos (egal ob TikTok, reels, shorts) spürbare Auswirkungen? Verbringt ihr generell viel Zeit damit?
- Falls spürbare Folgen, würdet ihr in dem Falle die Nutzung von TikTok/SoMe einschränken?
- Glaubt ihr, dass die regelmäßige Nutzug von TikTok und Konsorten eine Suchtgefahr, ähnlich zum Glücksspiel, oder sonstige gesundheitliche/psychische Folgen beherbergt?
- Befürwortet ihr Verbote oder offizielle Einschränkungen von TikTok?
und was natürlich euch dazu noch einfällt
*Viele Punkte der Kritik, die sich hier an TikTok abarbeiten, lassen sich auch problemlos auf Meta (Facebook, instagram, WhatsApp), Alphabet (Google/Youtube), Twitter, Snapchat uvm. ausweiten. Insbesondere was Datenschutzverstöße, Sicherheitslücken, Datenweitergabe an Behörden, Spionage, Hosting von Userdaten in anderen Ländern, etc. betrifft. Hier soll es aber vorrangig um die Plattformen von Bytedance gehen, da vor allem TikTok&Douyin weiterhin am schnellsten wachsen und bereits ca. 1,7 Milliarden Nutzer (davon rund 800 Millionen in China) in sich vereinen. Auch bei der Nutzungsdauer liegen die Apps an erster Stelle.
Quelle
Ein paar Themen, die den hier eh schon großen Rahmen sprengen würden, aber sicher nicht uninteressant sind:
• Zahlen zu TikTok&DouyinStand Oktober 2023, monatlich aktive Nutzer in Deutschland: 20,9 Millionen User
"" in Österreich: 2,1 Millionen User
Quelle: https://newsroom.tiktok.com/de-de/mau-announcement
- in 141 Ländern und auf 39 Sprachen aktiv
- 1,67 Milliarden Nutzer weltweit, davon 1,051 Milliarden monatlich aktive User
- Nutzerverteilung: 43% männlich, 57% weiblich
- Nach Alter in Deutschland
- Nutzerzahlen weltweit
Quellen: 1, 2
Tägliche Nutzungsdauer der App im Schnitt (2022): 56 Minuten (variiert allerdings stark nach Ländern und Altersgruppen bis zu 95 Minuten/Tag)
Quelle:https://www.businessdit.com/average-time-spent-on-tiktok/
• Algorithmus mit Suchtpotential
Es ist kein Geheimnis, die Algorithmen von TikTok und anderen Diensten sind so gestaltet, damit User möglichst viel Zeit auf ihnen verbringen und mehrmals am Tag öffnen. Was TikTok allerdings abhebt: Im Gegensatz zu anderen sozialen Medien, muss hier kein persönlicher feed zusammengestellt werden, allein der Algorithmus genügt, um den User unter Umständen in ein rabbithole zu führen.
Die TikTok-Startseite besteht aus zwei Hauptreitern, Folge ich & Für dich. Offiziell stellt man sich den eigenen feed, also die Auswahl favorisierter Inhalte, durch Likes, Speichern, Teilen, Kommentare und follows zusammen. Tatsächlich benötigt es für die persönlichen Vorlieben überhaupt keine Reaktion des Users, bereits sein reines Nutzungsverhalten genügt, wie eine Investigation des Wall Street Journal offenlegte.
Mit über 100 programmierten Bots wollten die Journalisten herausfinden, wie schnell TikTok's Algorithmus passende Inhalte den zugeordneten Parametern liefern kann und das Ergebnis ist teils verblüffend, teils erschreckend. Jedem Bot-Konto wurde ein Alter, Geschlecht und eine lokale IP in den USA zugewiesen, Letztere notwendigerweise für standortbasierte Videos. Zusätzlich erhielt jeder Bot zugeordnete Interessengebiete, die aber nur intern bekannt waren und nicht an TikTok übermittelt wurden. Vorlieben wie Yoga, Tanzen, Waldarbeiten, Tiere usw. Es zeigte sich, das Netzwerk prüfte und verfolgte die Nutzung sehr genau: Wie lange ein Video gesehen wird, ob man es sich mehrmals anschaut, ob es pausiert wird - allein das reichte, um je nach Interesse innerhalb von 40 Minuten (die längste Zeitspanne waren rund zwei Stunden) einen persönlichen feed zusammenzustellen. Oder kurz gesagt: Nur durchs Zugucken lernt TikTok, was dich iwie triggert.
Besonders schnell hat es den 26jährigen sadness&depression-Bot aus Kentucky erwischt. Nach anfänglich lokalen Inhalten und Mainstream-Videos mit breiter Beliebheit, wurde die Auswahl immer nischiger und innerhalb von 36 Minuten landete er in einem Strudel aus depressiven Content, mit einem Anteil von 93% der gescrollten Videos. Der Rest war Werbung. Kein Wunder, wie beschrieben, der Empfehlungsalgorhitmus von TikTok ist hochpotent, 90-95% der eingeblendeten Kurzvideos basieren darauf, Doomscrolling eingeschlossen. Zum Vergleich, bei Youtube sind es etwa 70%.
Da liegt die Mutmaßung nahe, dass uns soziale Medien auf die Psyche gehen, durch sämtliche Nutzergruppen, verstärkt aber bei labilen Menschen, Jugendlichen und leider auch Kinder.
https://www.derstandard.de/story/2000132870659/tiktok-sucht-verschlimmert-depressionen-und-angstzustaende-bei-teenagern
https://www.zeit.de/zett/2018-09/mit-welchen-tricks-instagram-und-co-dich-suechtig-machen-facebook-twitter-apps
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/eu-gesetz-tiktok-algorithmus-aendert-sich
https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/wie-suechtig-macht-tiktok,TREXvLb (Archiv-Version vom 01.04.2023)
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/internet-sucht-bei-kindern-klagen-gegen-tiktok-instagram-und-co-zugelassen-19314514.html
Der Forbes-Autor John Koetsier geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt sich die Frage, ob die Plattform digitales Kokain darstellt. Seine Interviewpartnerin Dr. Julie Albright sieht in dem Dauergescrolle bei den Kurzvideos sozialer Medien Parallelen zu Glücksspielautomaten in Vegas mit übereinstimmenden Suchtqualitäten.
• Wortfilter, Einschränkungen
Es ist längst Tagesgeschäft, dass alle großen Netzwerke mit automatisierten Inhalts- und Wortfiltern arbeiten, in anderer Form wäre die Masse an Content auch nicht prüfbar. Spannend wird es allerdings, wenn Filter ausgeweitet werden und darunter auch gesellschaftliche oder politische Randgruppen im Sieb landen. Wie sich in einer Recherche von WDR/NDR/tagesschau herausstellte, wurden im deutschen TikTok Begriffe im Zusammenhang zum Nationalsozialismus, der queeren Community, aber auch china-kritische Persönlichkeiten blockiert. In der Regel mit einem shadowban. Einer Sperre, die unbemerkt vom Betroffenen seine Inhalte öffentlich unterdrückt, so dass er sie nur noch selbst sieht. Meist wird dies erst später bemerkt, wenn die Anzahl an Likes, Kommentaren und Reaktionen einbricht.
Wortfilter sind aber bei weitem nicht das schärfste Schwert, das Bytedance -brav im Sinne der KP- einsetzen kann. Allein für das heimische Douyin arbeitet eine Armee von 20.000 Moderatoren. Unterstützt von automatischen Tools und KI, werfen sie unliebsame, moralisch verwerfliche und politisch unerwünschte Inhalte/Nutzer raus. Selbst Sprachen sind nicht sicher. Uigurisch ist bereits länger verboten, während Corona und den strikten Maßnahmen in China rückte auch Kantonesisch ins Visier, als chinesische User auf die Sprache wechselten, um ihren Protest ggü. den Corona-Maßnahmen zu äußern. Ähnliches kannte man bereits 2019 während der Hongkonger Proteste, als von den Studenten Codewörter auf kantonesisch ausgetauscht wurden.
• Informationskrieg auf TikTok
Bereits wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, ging im Rahmen von Putins neuen Mediengesetzen die Direktive an TikTok und quasi über Nacht sind sämtliche Inhalte ausländischer Konten verschwunden. Während andere soziale Netzwerke vom Kreml geblockt wurden, setzte Bytedance die strengen Maßnahmen um und ließ praktisch für heimische User alles rausnehmen, was nichtrussisch war. Dazu wurde der Upload neuer Videos und Livestreams unterbunden.
Deutsches Konto, links aus Russland, daneben aus Deutschland aufgerufen, Quelle
Währenddessen tobte in den sozialen Medien anderer Länder, allen voran TikTok, der Kampf um die Deutungshoheit des Krieges. Vom Kreml gelenkte Kanäle und Influencer übten sich in Propaganda,
Stimmungsmache und Desinformation.
Positiv anzurechnen ist Bytedance und seiner Plattform, dass es wohl kürzlich selbst ein russisches Netzwerk mit rund 1.700 Konten ausgehoben hat, welches vor allem 2022 besonders aktiv war und sich auf verschiedene, europäische Länder konzentrierte: https://t3n.de/news/russisches-desinformationsnetzwerk-hat-im-sommer-tiktok-eu-buerger-1534119/
Eine späte Läuterung, wie sich aktuell auch im Nahostkonflikt zeigt, bei dem auf TikTok&Co. ganz ähnliche Muster ablaufen. Hier möchte allerdings etwa die EU nicht abwarten, bis TikTok, Meta, twitter u.ä. selbst tätig werden: https://www.derstandard.de/story/3000000190937/die-eu-leitet-verfahren-gegen-x-meta-und-tiktok-ein
Nicht unbegründet, wie sich bei gewissen Reichweitengrößen auf der Plattform zeigt.
Ähnlicher Fall: https://www.derstandard.de/story/3000000191853/14-jaehriger-rief-auf-tiktok-zu-zerstoerung-von-graz-auf
• Livestreams, Matches, Bettelei, Spielsucht
Liebe Follower, bewerft mich nun bitte mit Geld. Was absurd klingen mag, beschreibt so ziemlich genau den Umstand, der sich abseits der Scrollleiste in den Livestreams abspielt. Sowohl bei den Minivideos, als auch den Livestreams (zu finden unter dem Live-Button), haben Zuschauer die Möglichkeit, den Creatoren mittels Geschenke Geld zu spenden. Die Geschenke wiederum werden mit der hauseigenen Münz-Währung gekauft, deren Preis von ein paar Cent bis mehrere hundert Euro differieren kann. Dieses System hat sich mittlerweile vor allem bei den Livestreams zu einer kleinen Gelddruckmaschine entwickelt, und zwar für TikTok.
Von Anfang an, ab 1.000 Followern hat ein Konto auf TikTok die Möglichkeit, öffentliche Livestreams zu starten. Die Hürde ist nicht sonderlich hoch, tausend Stück gibt es bereits ab 20$ auf verschiedenen dealership Seiten. Livestreams sind entweder allein oder zusammen mit anderen TikTokern möglich (auch als Gruppe), dabei wird ein Chat eingeblendet und die User haben währenddessen die Möglichkeit, Geschenke zu spenden, die auch öffentlichkeitswirksam im Stream eingeblendet werden. Wie beschrieben variiert der Wert der (Geld)Geschenke und dementsprechend gestaltet sich auch der Alarm beim Streamer, von Rosen über Cowboyhüte, Handschuhe, Einhörner, Löwen und Galaxien ist alles dabei, was das Spenderherz begehrt und ihm Geld aus der Tasche zieht.
Ein besonders perfide Methode und Form der Bettelei sind dabei die Live Battles oder Matches, entweder als 2er- oder 4er-Runden möglich:
Original anzeigen (0,2 MB)
Die rotblaue Leiste zeigt den Matchbalken und der Smiley das Ergebnis, im Beispiel führt der rote Streamer auf der linken Seite. Bei den meist fünfminütigen Runden können die User ihren Favoriten mittels geldwerten Geschenken und durch Tippen auf den Bildschirm beim Match unterstützen, Letzteres ist aber zeitlich begrenzt und bringt nur wenig Punkte. Zudem sieht man im Screenshot die Geschenkefunktion, mit aufgeladenen Coins ist von einem Sammelsurium aus über 100 gifts wählbar, was man an seinen Streamer spenden möchte. Es liegt auf der Hand, dass die Funktion, die ursprünglich für Gesangs- und Tanzwettbewerbe gedacht war, mittlerweile irre Blüten treibt:
oder hier, 00:00-03:00
Offiziell dürfen Geschenke und Münzen zwar erst ab 18 Jahren gekauft werden, gerade von Jüngeren lässt sich diese Einschränkung jedoch einfach umgehen und mit Bezahlmethoden per Paypal, paysafecard, dem App-Store oder Codes schnell abwickeln. Nach verschiedenen Quellenangaben kassiert TikTok je nach Streamer einen Anteil von 50%-70%. Wer seinem Influencer hundert Euro spendet, drückt mindestens die Hälfte an die Plattform ab. Während ein vergleichbares System auch bei Twitch bekannt ist, hebt sich Amazon's Plattform hinsichtlich terms of service und auch weitgehend inhaltlich ab. Demgegenüber erschließt sich bei TikTok durch den Wettbewerbscharakter, den oft manipulativ-aggressiven Betteleien der Streamer und dem vermeintlichen Gemeinschaftsgefühl der Community ein ganz neues Potential an Spielsucht mitsamt der finanziellen Folgen.
• TikTok Deutschland und dessen zweifelhafte Persönlichkeiten
Jede Plattform hat ihre Geischter, zumindest zeitweise. So auch TikTok Deutschland:
Der weiter oben bereits benannte Barello ist derzeit wohl die schillernste Persönlichkeit im deutschen Live-Kosmos. Neben seinem Gewaltaufruf
Arafat, die bekannte Clangröße ist seinerseits zusammen mit seinem Bruder Yasser auf TikTok höchst aktiv und sammelt dort gerade druckfrische Anzeigen wegen Volksverhetzung. Davon ab, wie weiter oben bereits im Tagesspiegel-Artikel verlinkt, sorgt man sozusagen jeden Abend für eine inhaltliche Lehrstunde der meist jugendlichen, männlichen Zuschauer:
Doch TikTok ist tolerant und bietet Plattform für alle extremistischen Strömungen:
Und ein weiterer Hassfluencer hat inzwischen eine neue Heimat auf TikTok gefunden: Reiner Winkler alias Drachenlord/höchste Wesne streamt regelmäßig über TikTok und bittet um Spenden, nachdem er Haus, Hof, Auto, Schein und Youtube-Kanal verloren hat. Selbstredend, dass ihn seine Hater bis dortin verfolgen, Streamingpartner attackieren und leaken, seine Inhalte restreamen & kommentieren, sowie seinen Bezahlchat infiltrieren um Winkler zu trollen, was erfolgreich öffentliche Wutausbrüche provoziert. Diverse Eskalationen eingeschlossen
• Verbote von TikTok
Bytedance hat global mit einer Reihe von Verboten zu kämpfen:
Quelle
Während die App in Indien (neben vielen anderen chinesischen Apps) schon 2019 verboten wurde (in Afghanistan von den Taliban ebenfalls), schränkte man in anderen Ländern viel mehr die Nutzung auf Regierungs- und Behördengeräten ein. Sowohl bei sämtlichen EU-Institutionen, als auch bei Handys von Beschäftigten der dt. Bundesregierung. Einen vergleichbaren Weg gehen Großbritannien, Neuseeland, Kanada, USA, Belgien, Dänemark, Pakistan, Taiwan uvm.
In der Hinsicht ist vor ein paar Monaten der US-Bundesstaat Montana besonders vorgeprescht: Der republikanische Gouverneur Greg Gianforte verbat die App komplett mit Wirkung zum 1. Januar '24, aufgrund Sicherheitsbedenken und zum Schutz der Bürger durch die Überwachung der Kommunistischen Partei Chinas. Zugleich darf TikTok in dem Bundesstaat nicht mehr unternehmerisch tätig sein, Verstöße gegen das Gesetz werden mit Strafen bis zu 10.000$ belegt.
• Grausame und sexualisierte Inhalte auf der Kinderplattform
Bytedance hat ein Inhaltsproblem. Das haben sie übrigens alle, von Facebook bis reddit. Doch auch hier wiegt wieder schwer, dass TikTok vor allem eine besonders junge Plattform ist, was die Userschaft betrifft. Und somit verstörende bis illegale Inhalte auf eine unvorbereitete Zielgruppe treffen:
Besonders hinsichtlich sexueller Gewalt und Kinderpornographie bildet TikTok nicht nur ein Platz zur Verbreitung der Inhalte, sondern ermöglicht auch Tätern, mit potentiellen Opfern in Kontakt zu treten. Eine weitere, besonders heimtückische Gefahr: Vor allem Netzwerke wie instagram, Youtube und eben auch TikTok werden von pädophilen Tätern genutzt, um private Kindervideos und -fotos zu stehlen, welche sie dann wiederum in einschlägigen Foren, Gruppen und Chats posten.
TikTok gibt sich zwar betont engagiert im Kampf gegen zweifelhafte und verbotene Inhalte, indem man mit Transparenzberichten auf die eigenen Leistungen verweist, aber bereits darin zeigen allein die Relationen,
welch windmühlenartiger Kampf hier überhaupt geführt wird. Wie beschrieben, ebenfalls die EU erwartet hier inzwischen mehr Bewegung von den Anbietern.
zum fröhlichen Einstieg ein kleiner Vergleich:
TikTok in Deutschland
TikTok bzw. Douyin in China
Popular viral Chinese tiktok trends!!! 2022 douyin videos😳
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Zugegebenermaßen eine nicht mehr ganz aktuelle und arg plakative Gegenüberstellung, auch in China machen sich genug Leute zum Löffel, wenn man sie denn nur lässt. Aber ist es nicht interessant, dass im Kernland der App Inhalte sowie Zugänge deutlich strikter moderiert und eingeschränkt werden, während man den sonst hochpotenten Algorithmus quasi ungezügelt auf den Rest der Welt loslässt? Und dies in offenbar als verlängerten Arm der staatlichen Agenda, in Form der kommunistischen Partei Chinas?
Vorab ein kurzer Rückblick, der chinesische Unternehmer Zhang Yiming gründete zusammen mit ehemaligen Arbeitskollegen im Jahr 2012 Bytedance. Nach diversen beruflichen Stationen, u.a. bei Microsoft, konzentrierte sich der Software-Ingenieur auf das Thema Big Data, insbesondere dem Zuschneiden von News und selektiven Nachrichten je User anhand seiner Präferenzen. Später würde sich der Dienst (Jinri) Toutio nennen, soviel wie 'heutige Schlagzeilen'. Die erste App, die 2012 von Bytedance auf dem Markt kam, war hingegen die Unterhaltungsplattform Neihan Duanzi (ND), zu deutsch übersetzt etwa 'tiefgründiger Humor'. Wie der Name erahnen lässt, eine Applikation für lustige Videos, Gags, mems und dergleichen. Soweit so unspektakulär, bis sich 2018 die chinesischen Zensurbehörden einschalteten. Der Grund waren Inhalte und ferner die komplette Plattform ND, die aufgrund ihrer Vulgarität endgültig geschlossen wurde. Yiming musste sich entschuldigen und sowohl der politische Druck innerhalb Chinas als auch der fast schon unterwürfige und selbstgeißlerische Wortlaut der Entschuldigung geben ein bemerkenswertes Bild ab. Vor allem aufgrund dieser Passage:
I thoroughly unterstand that the development of enterprises must be consistent with the development of this era and this national.auf deutsch: In meinem tiefsten Inneren erkenne ich, dass sich die Entwicklung der Firma eng an die neue Ära und an das Hauptanliegen der nationalen Entwicklung halten muss.
2016 war es dann soweit, TikTok's Vorgänger Douyin geht in China an den Start, zunächst mit A.me als Dienstname. Nachdem Yiming klar wurde, dass seine App um zu überleben Wachstum benötigte und jener nur weltweit möglich war, folgte im September 2017 TikTok. Knapp zwei Monate später wurde die App Musical.ly für eine Milliarde Dollar akquiriert und deren Userbase in TikTok integriert. Der Kauf war eine Mischung aus Musik-Videodienst und sozialem Netzwerk, brachte zudem viele der heutigen Funktionen mit. TikTok war endgültig geboren und wuchs fortan rasant, sowohl weltweit, als auch in China. Allerdings unter grundverschiedenen Einflüssen.
Die Unterschiede
Die Inhalte von TikTok und Douyin sind strikt getrennt und in dem Sinne zwei verschiedene Netzwerke. Während man im Rest der Welt TikTok als Kurzvideodienst mit zahlreichen Funktionen kennt, ist Douyin eine Mischung aus
Spoiler
Quelle
Selbige Technik kommt als Gesichtserkennung zum Einsatz, wenn man sich z.B. alle Videos des Darstellers anzeigen lassen möchte. Und auf diese Weise erlöst Douyin seine Umsätze, während TikTok weitgehend noch Inhalte monetarisiert und die ecommerce-Sparte erst noch im Kommen ist.
Douyin soll neben seinem Angebot an Unterhaltung ein Alltagshelfer sein und in dieser Funktion wird vor allem das Interesse der KP gewahrt. Wie in allen großen Unternehmen, die in China agieren, egal ob in- oder ausländisch, verfügt auch Bytedance über ein Komitee der kommunistischen Partei und zahllose Gremien innerhalb des Unternehmens.
Die Interessen der KP sind aber nicht nur intern zu wahren, sondern auch inhaltlich.
Kampf dem TikTok-Gehirn
Ein paar Fragen an alle Mitleser hier, welche regelmäßig oder sogar täglich TikTok, Facebook- oder Instagram-Reels, Youtube Shorts* und generell gerne soziale Medien konsumieren: Schafft ihr es noch, konzentriert eine Buchseite, gar ein ganzes Buch zu lesen? Wie stehts mit längeren Videos, skippt ihr, wenn es nicht direkt auf den Punkt ist, schaut ihr überhaupt noch längere Videos zu Unterhaltungszwecken? Und Filme? Haltet ihr einen 90-Minüter oder länger durch, ohne nebenbei aufs Handy zu gucken? Habt ihr überhaupt bis hierhin gelesen oder nur überflogen? :troll:
Falls ihr eine der Fragen mit einem etwas zerknirschten Ja beantworten könnt: Ihr seid nicht allein.
Bereits länger vermuten Forscher, dass uns Dienste wie TikTok etwas aufs Hirn schlagen könnten, auch wenn die Evidenz noch auf tönernen Füßen steht. Verständlich, das Phänomen der Kurzvideos ist nicht sonderlich alt, darüber hinaus lassen sich die Konzerne hinter den Plattformen nur ungern zu Forschungszwecken in den Algorithmus linsen.
Im Detail aus dem Link, bold von mir:
Spoiler
Die selektive Aufmerksamkeit beschreibt unsere Fähigkeit, unseren Fokus komplett auf relevante Reize zu richten und dabei irrelevante, störende Reize ausblenden zu können. Das bedeutet, dass wir bei dem Konsum jeglicher Medien externe Reize, wie unsere Umgebung, aber auch interne Reize, wie störende Gedanken oder Grübelschleifen, ausblenden können. Dies passiert meist unbewusst und automatisch. In unserem Gehirn sammelt der Thalamus, eine Struktur des Zwischenhirns, alle auf uns einwirkenden Sinneseindrücke und entscheidet dann, welche Reize im Besonderen fokussiert und wahrgenommen werden sollen. Unser präfrontaler Kortex sorgt als Zentrale unserer Exekutivfunktionen unter anderem dafür, dass die Aufmerksamkeit für die erforderliche Zeit auch aufrechterhalten werden kann. Und tatsächlich wurde in einer Studie gezeigt, dass die personalisierten Videos TikToks die Hirnregionen, die die Aufmerksamkeit komplett auf die Videos fokussieren, stärker aktivieren als eine Sammlung belangloser Videos.
Der präfrontale Kortex ist auch noch für andere mentale Fähigkeiten zuständig, wie z.B. die Fähigkeit zur Selbstkontrolle, das Einstellen auf Neues, das Treffen von Entscheidungen oder auch planvolles Handeln. Das Erlernen dieser Fähigkeiten ist eine laufende Entwicklungsaufgabe für unser Gehirn, die für unseren Alltag ausgesprochen relevant ist. Ein unterentwickelter präfrontaler Kortex wird unwillentlich weniger gute Entscheidungen treffen und mehr Probleme bei der langfristigen Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit haben. Genau hier liegt ein mögliches Problem: Unser präfrontaler Kortex ist bis zum 25. Lebensjahr nicht fertig ausgebildet und auch darüber hinaus passt sich unser Gehirn immer sehr flexibel neuen Reizen und Umgebungen an. Wir lernen und verlernen schnell, nach dem Motto „use it or lose it“ („benutze es oder verliere es“) zieht unser Gehirn regelmäßig Bilanz und stärkt die jenen Fähigkeiten, die wir in unserem Alltag am Meisten gebrauchen, die anderen werden unweigerlich vernachlässigt und bilden sich zurück. Besonders das Gehirn junger Menschen und folglich ihre Entwicklung wird durch dieses Prinzip nachhaltig geprägt. Für ihren noch nicht endgültig entwickeltes Frontalhirn ist es also einfacher, kurze, ansprechende Videos zu konsumieren als z.B. ein Buch zu lesen. Mit dem Konsum von TikTok-Inhalten trainieren wir unser Gehirn auf einen ständigen, schnellen Wechsel und bringen uns damit selbst bei, dass es weniger notwendig ist, unsere Aufmerksamkeit langfristig aufrechterhalten zu müssen. Unsere Aufmerksamkeitsspanne schrumpft, was unter anderem direkte Auswirkungen auf akademische Leistungen haben kann. Die reale Welt wird vor allem für junge Nutzer*innen als reizarm empfunden, denn sie ist bei weitem nicht so schnelllebig wie TikTok & Co es uns zeigt. Wir suchen ständig nach neuen Reizen, Probleme in der Aufrechterhaltung unserer Aufmerksamkeit in einer reizärmeren Umgebung führen zu Problemen im Alltag, wir erleben Stress, der sich wiederum negativ auf unsere Gesundheit auswirken kann.
Hinzu kommt unser Belohnungssystem, wie inzwischen bekannt, begünstigt der Konsum sozialer Medien unsere Dopaminausschüttung:
Auch bei sozialen Medien kommt Dopamin diese Rolle zu. Wir erwarten von den Apps belohnende Erfahrungen und so suchen wir sie immer wieder auf. Wir verbringen immer mehr Zeit mit ihrer Nutzung. Und das klappt, denn unser Verlangen nach neuen Erfahrungen wird sekundenschnell befriedigt. Unser Gehirn lernt, dass es durch Apps wie TikTok schnell belohnt wird, denn gerade personalisierte Videos aktivieren unser Belohnungssystem stärker und effektiver als andere Inhalte. Dadurch entsteht nicht nur die Gefahr der Abhängigkeit bis hin zur Internet-Sucht, wir verlernen auch, Belohnungen aufzuschieben oder für diese härter zu arbeiten, z.B. indem wir unsere Aufmerksamkeit lange aufrechterhalten müssen. Einen Film schauen oder ein Buch zu lesen, das finden wir deutlich weniger attraktiv als eine Stunde auf TikTok zu verbringen, wo wir doch direkt finden, wonach wir suchen. Die Notwendigkeit für langfristige selektive Aufmerksamkeit sinkt weiter, der leichte Zugriff, gelenkt durch schlechtere Impuls- und Selbstkontrolle, die mit häufiger Nutzung von Handys einhergeht, kann schnell zu exzessivem Konsumverhalten führen, das wiederum weiteren Einfluss auf die erwähnten mentalen Fähigkeiten nimmt.Da war jetzt etwas weit ausgeholt, aber vor allem daran scheint sich die Kommunistische Partei Chinas zu stören. Und setzt sowohl allgemein, als auch bei Douyin mit rigiden Maßnahmen und starker Einflussnahme seine Ziele um - ab 6:04
Douyin: So kontrolliert China sein eigenes TikTok I ATLAS
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Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
Der mittlerweile auf TikTok bekannte Jugendmodus (mit dem Eltern bei Kontenverknüpfung den Konsum ihrer Kinder einschränken können) wurde zuerst auf Douyin gelauncht, läuft aber dort etwas anders ab: Entsprechend registrierte User unter 14 Jahren können die App täglich nur noch 40 Minuten und von 22 bis 6 Uhr überhaupt nicht nutzen. Eine Nachrichtensperre sowie Zeitsperren bei übermäßigen Video-Scrolling runden den digitalen Käfig ab. Darüber hinaus wird vor allem bei Heranwachsenden der Fokus auf Bildungsinhalte, Erfolgsstorys, Geschichte, Dokumentationen und natürlich Parteiprogapanda gelegt.
Ein weiterer Eckstein in der Strategie der KP, die sich selbst dem Kampf gegen die jugendliche Internetsucht verschrieben hat: Bereits 2021 wurde Onlinegaming für unter 18Jährige praktisch verboten, lediglich eine dreistündige Spielzeit je Woche, aufgeteilt von Freitag bis Sonntag, war Jugendlichen und Kindern erlaubt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Südkorea zehn Jahre lang mit einem nächtlichen Onlinespielverbot für u16, wurde aber mittlerweile mangels Wirkung gekippt.
"Die Nation muss erneuert werden, kleine Mäuler müssen kontrolliert werden." Chinesisches Propagandaposter, zirka 1970, für die damalige Ein-Kind-Politik (Bild: Beijing Centre for Communication and Education for Family Planning)
Auch bei Erwachsenen, die bis zum 29. Lebensjahr zur Kernzielgruppe der App gehören, ist Douyin im Vergleich zu TikTok die Version mit der angezogenen Handbremse. Zwar kann man sich in dem chinesischen Ableger genauso einen reinen Unterhaltungsfeed zum Scrollen zusammenstellen, der z.B. aus Comedy, Mode, Streetwear, Tanz, Synchro und Musik besteht, dennoch hält auch hier die Staatsführung ihre Zügel in der Hand. Denn ein Dilemma betrifft nicht nur den Umgang mit TikTok, sondern auch Bytedance selbst: Bevor bei Douyin die Zensurbehörden regulatorisch eingreifen müssen, sorgt man lieber selbst gehorsamst für eine saubere Plattform im grundlegenden Interesse der überwältigenden Mehrheit.
Verblödung durch TikTok?
Der Vorwurf, ob uns die KP mit TikTok bewusst verdummen will, ist nicht neu und erfreut sich bei öffentlichen Verfechtern wie Tucker Carlson oder Joe Rogan großer Beliebtheit. Es passte ja auch gut in deren Erklärungsansätze, wenn die Weltmacht Nr. 1 seine Staffel an China zwangsläufig übergeben muss, weil die nachrückende Gen Z bis zur Unfähigkeit verblödet wurde. Ist in etwa so plakativ, wie mein Videovergleich oben, trotzdem möchte ich mit dieser Textwand einfach mal die Diskussion über TikTok und eurer Meinung dazu anstoßen. Denn obwohl das Thema eine politische Note mit konspirativen Nuancen hat, steht es in Menschen, die es am Schluss als Nutzer selbst betrifft.
Ergänzend ein paar Fragen, die man wahlweise mitnehmen kann:
- Was haltet ihr von TikTok?
- Nutzt ihr die App und wenn ja, wie lange täglich/wöchentlich?
- Habt ihr selbst schon mal Content erstellt, Videos hochgeladen, gestreamt? Wie waren die Reaktionen?
- Was haltet ihr vom Kontext zu China und der KP, ähnlich wie bei amerikanischen Netzwerken?
- Würdet ihr euren Kindern TikTok erlauben, den Zugang beschränken?
- Hattet ihr schon mal schlechte Erfahrungen mit der App bzw. deren Usern? Welche?
- Welche Ziele verfolgt eurer Meinung nach die KP mit ihren Eingriffen und Vorgaben bei Douyin?
- Hat euer Konsum von Kurzvideos (egal ob TikTok, reels, shorts) spürbare Auswirkungen? Verbringt ihr generell viel Zeit damit?
- Falls spürbare Folgen, würdet ihr in dem Falle die Nutzung von TikTok/SoMe einschränken?
- Glaubt ihr, dass die regelmäßige Nutzug von TikTok und Konsorten eine Suchtgefahr, ähnlich zum Glücksspiel, oder sonstige gesundheitliche/psychische Folgen beherbergt?
- Befürwortet ihr Verbote oder offizielle Einschränkungen von TikTok?
und was natürlich euch dazu noch einfällt
*Viele Punkte der Kritik, die sich hier an TikTok abarbeiten, lassen sich auch problemlos auf Meta (Facebook, instagram, WhatsApp), Alphabet (Google/Youtube), Twitter, Snapchat uvm. ausweiten. Insbesondere was Datenschutzverstöße, Sicherheitslücken, Datenweitergabe an Behörden, Spionage, Hosting von Userdaten in anderen Ländern, etc. betrifft. Hier soll es aber vorrangig um die Plattformen von Bytedance gehen, da vor allem TikTok&Douyin weiterhin am schnellsten wachsen und bereits ca. 1,7 Milliarden Nutzer (davon rund 800 Millionen in China) in sich vereinen. Auch bei der Nutzungsdauer liegen die Apps an erster Stelle.
Quelle
Ein paar Themen, die den hier eh schon großen Rahmen sprengen würden, aber sicher nicht uninteressant sind:
• Zahlen zu TikTok&DouyinStand Oktober 2023, monatlich aktive Nutzer in Deutschland: 20,9 Millionen User
"" in Österreich: 2,1 Millionen User
Quelle: https://newsroom.tiktok.com/de-de/mau-announcement
- in 141 Ländern und auf 39 Sprachen aktiv
- 1,67 Milliarden Nutzer weltweit, davon 1,051 Milliarden monatlich aktive User
- Nutzerverteilung: 43% männlich, 57% weiblich
- Nach Alter in Deutschland
- Nutzerzahlen weltweit
Quellen: 1, 2
Tägliche Nutzungsdauer der App im Schnitt (2022): 56 Minuten (variiert allerdings stark nach Ländern und Altersgruppen bis zu 95 Minuten/Tag)
Quelle:
• Algorithmus mit Suchtpotential
Es ist kein Geheimnis, die Algorithmen von TikTok und anderen Diensten sind so gestaltet, damit User möglichst viel Zeit auf ihnen verbringen und mehrmals am Tag öffnen. Was TikTok allerdings abhebt: Im Gegensatz zu anderen sozialen Medien, muss hier kein persönlicher feed zusammengestellt werden, allein der Algorithmus genügt, um den User unter Umständen in ein rabbithole zu führen.
Die TikTok-Startseite besteht aus zwei Hauptreitern, Folge ich & Für dich. Offiziell stellt man sich den eigenen feed, also die Auswahl favorisierter Inhalte, durch Likes, Speichern, Teilen, Kommentare und follows zusammen. Tatsächlich benötigt es für die persönlichen Vorlieben überhaupt keine Reaktion des Users, bereits sein reines Nutzungsverhalten genügt, wie eine Investigation des Wall Street Journal offenlegte.
Mit über 100 programmierten Bots wollten die Journalisten herausfinden, wie schnell TikTok's Algorithmus passende Inhalte den zugeordneten Parametern liefern kann und das Ergebnis ist teils verblüffend, teils erschreckend. Jedem Bot-Konto wurde ein Alter, Geschlecht und eine lokale IP in den USA zugewiesen, Letztere notwendigerweise für standortbasierte Videos. Zusätzlich erhielt jeder Bot zugeordnete Interessengebiete, die aber nur intern bekannt waren und nicht an TikTok übermittelt wurden. Vorlieben wie Yoga, Tanzen, Waldarbeiten, Tiere usw. Es zeigte sich, das Netzwerk prüfte und verfolgte die Nutzung sehr genau: Wie lange ein Video gesehen wird, ob man es sich mehrmals anschaut, ob es pausiert wird - allein das reichte, um je nach Interesse innerhalb von 40 Minuten (die längste Zeitspanne waren rund zwei Stunden) einen persönlichen feed zusammenzustellen. Oder kurz gesagt: Nur durchs Zugucken lernt TikTok, was dich iwie triggert.
Besonders schnell hat es den 26jährigen sadness&depression-Bot aus Kentucky erwischt. Nach anfänglich lokalen Inhalten und Mainstream-Videos mit breiter Beliebheit, wurde die Auswahl immer nischiger und innerhalb von 36 Minuten landete er in einem Strudel aus depressiven Content, mit einem Anteil von 93% der gescrollten Videos. Der Rest war Werbung. Kein Wunder, wie beschrieben, der Empfehlungsalgorhitmus von TikTok ist hochpotent, 90-95% der eingeblendeten Kurzvideos basieren darauf, Doomscrolling eingeschlossen. Zum Vergleich, bei Youtube sind es etwa 70%.
Da liegt die Mutmaßung nahe, dass uns soziale Medien auf die Psyche gehen, durch sämtliche Nutzergruppen, verstärkt aber bei labilen Menschen, Jugendlichen und leider auch Kinder.
https://www.derstandard.de/story/2000132870659/tiktok-sucht-verschlimmert-depressionen-und-angstzustaende-bei-teenagern
https://www.zeit.de/zett/2018-09/mit-welchen-tricks-instagram-und-co-dich-suechtig-machen-facebook-twitter-apps
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/eu-gesetz-tiktok-algorithmus-aendert-sich
https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/wie-suechtig-macht-tiktok,TREXvLb (Archiv-Version vom 01.04.2023)
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/internet-sucht-bei-kindern-klagen-gegen-tiktok-instagram-und-co-zugelassen-19314514.html
Der Forbes-Autor John Koetsier geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt sich die Frage, ob die Plattform digitales Kokain darstellt. Seine Interviewpartnerin Dr. Julie Albright sieht in dem Dauergescrolle bei den Kurzvideos sozialer Medien Parallelen zu Glücksspielautomaten in Vegas mit übereinstimmenden Suchtqualitäten.
• Wortfilter, Einschränkungen
Es ist längst Tagesgeschäft, dass alle großen Netzwerke mit automatisierten Inhalts- und Wortfiltern arbeiten, in anderer Form wäre die Masse an Content auch nicht prüfbar. Spannend wird es allerdings, wenn Filter ausgeweitet werden und darunter auch gesellschaftliche oder politische Randgruppen im Sieb landen. Wie sich in einer Recherche von WDR/NDR/tagesschau herausstellte, wurden im deutschen TikTok Begriffe im Zusammenhang zum Nationalsozialismus, der queeren Community, aber auch china-kritische Persönlichkeiten blockiert. In der Regel mit einem shadowban. Einer Sperre, die unbemerkt vom Betroffenen seine Inhalte öffentlich unterdrückt, so dass er sie nur noch selbst sieht. Meist wird dies erst später bemerkt, wenn die Anzahl an Likes, Kommentaren und Reaktionen einbricht.
Wortfilter sind aber bei weitem nicht das schärfste Schwert, das Bytedance -brav im Sinne der KP- einsetzen kann. Allein für das heimische Douyin arbeitet eine Armee von 20.000 Moderatoren. Unterstützt von automatischen Tools und KI, werfen sie unliebsame, moralisch verwerfliche und politisch unerwünschte Inhalte/Nutzer raus. Selbst Sprachen sind nicht sicher. Uigurisch ist bereits länger verboten, während Corona und den strikten Maßnahmen in China rückte auch Kantonesisch ins Visier, als chinesische User auf die Sprache wechselten, um ihren Protest ggü. den Corona-Maßnahmen zu äußern. Ähnliches kannte man bereits 2019 während der Hongkonger Proteste, als von den Studenten Codewörter auf kantonesisch ausgetauscht wurden.
• Informationskrieg auf TikTok
Bereits wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, ging im Rahmen von Putins neuen Mediengesetzen die Direktive an TikTok und quasi über Nacht sind sämtliche Inhalte ausländischer Konten verschwunden. Während andere soziale Netzwerke vom Kreml geblockt wurden, setzte Bytedance die strengen Maßnahmen um und ließ praktisch für heimische User alles rausnehmen, was nichtrussisch war. Dazu wurde der Upload neuer Videos und Livestreams unterbunden.
Deutsches Konto, links aus Russland, daneben aus Deutschland aufgerufen, Quelle
Währenddessen tobte in den sozialen Medien anderer Länder, allen voran TikTok, der Kampf um die Deutungshoheit des Krieges. Vom Kreml gelenkte Kanäle und Influencer übten sich in Propaganda,
„Sputnik“ steckt hinter Kanal „Bloß mit Biss“Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/russische-propaganda-auf-tiktok-100.html
Auch beim deutschsprachigen TikTok-Kanal „Bloß mit Biss“ – seine Posts haben oft tausende bis mehrere Millionen Aufrufe – wird die Verbindung zu Russland nicht direkt deutlich. In kurzen Clips werden Zitate und Patzer von Politikerinnen und Politikern zusammengeschnitten, besonders der Grünen und weiblicher Akteurinnen wie Annalena Baerbock. Die deutsche Innenpolitik ist hier das Hauptthema. Mit polemischen, Ängste schürenden Kommentaren zu Energiewende, Inflation oder Heizreform.
Bloß mit Biss: „Plant Habeck eine Heiz-Stasi? Wie jetzt bekannt wurde, will der in volle Fahrt gekommene und Wärmepumpen-besessene Habeck ein Kataster mit allen Informationen zu jedem einzelnen Haus deutschlandweiter anlegen, um dann fürs Nichtbefolgen seiner außer Rand und Band gekommenen Heizungsgebote die Bürger abzukassieren. Grenzt das nicht schon an Überwachung?“
Eine Auswertung des Instituts für strategischen Dialog, kurz ISD, zeigt: Produziert wird der Kanal eigentlich von „SNA News“, dem deutschen Arm des russischen Staatssenders „Sputnik“.
Stimmungsmache und Desinformation.
Auf TikTok verbreiten sich allerdings auch neue, plattformspezifische Formen von manipulierten Videos. So ermöglicht die Audiofunktion von TikTok, den Nutzerinnen und Nutzern die Töne oder Musik aus einem Video zu entfernen und diese dann über eigenes Material zu legen. Diese Audiofunktion wird normalerweise für Lippensynchronisations- oder Tanzvideos auf TikTok genutzt, womit die Plattform ursprünglich bekannt geworden ist.Diese Funktion wird im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg massenhaft zur Manipulation von Videos genutzt. Ein Beispiel ist ein Video, auf dem ein Reporter vor mit Leichensäcken abgedeckten Personen steht. Es soll angeblich ukrainische Leichen zeigen, die sich bewegen, und damit einen Beweis dafür liefern, dass der Krieg in der Ukraine ein Schwindel oder "westliche Propaganda" sei. Indem der Originalton ausgetauscht und zum Beispiel durch Musik ersetzt wird, kann der Eindruck entstehen, es handele sich um einen Reporter in der Ukraine. Tatsächlich stammt das Video allerdings von einem Klimaprotest in Österreich im Februar.Quelle: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ukraine-russland-tiktok-101.html
Positiv anzurechnen ist Bytedance und seiner Plattform, dass es wohl kürzlich selbst ein russisches Netzwerk mit rund 1.700 Konten ausgehoben hat, welches vor allem 2022 besonders aktiv war und sich auf verschiedene, europäische Länder konzentrierte: https://t3n.de/news/russisches-desinformationsnetzwerk-hat-im-sommer-tiktok-eu-buerger-1534119/
Eine späte Läuterung, wie sich aktuell auch im Nahostkonflikt zeigt, bei dem auf TikTok&Co. ganz ähnliche Muster ablaufen. Hier möchte allerdings etwa die EU nicht abwarten, bis TikTok, Meta, twitter u.ä. selbst tätig werden: https://www.derstandard.de/story/3000000190937/die-eu-leitet-verfahren-gegen-x-meta-und-tiktok-ein
Nicht unbegründet, wie sich bei gewissen Reichweitengrößen auf der Plattform zeigt.
Erkan Essiz verbreitet seine Hetze im Beisein von Barello, einem der derzeit bekanntesten Tiktokern Deutschlands mit 170.000 Followern, sowie Yasser Abou-Chaker, dem Bruder der Berliner Clangröße Arafat Abou-Chaker, dem über 220.000 Menschen auf der Plattform folgen. Keiner widerspricht Essiz, ganz im Gegenteil. Yasser Abou-Chaker behauptet: Was die Juden jetzt machten, sei „schlimmer als das, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist.“Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/antisemitismus-auf-tik-tok-wo-jugendliche-abends-israelhass-lernen-10613554.html
Erkan Essizs Ausführungen strotzen vor Unwahrheiten und antisemitischen Klischees. Er behauptet, die Juden hätten „eine Weltordnung geschaffen“. Warum ihnen das gelungen sei? Essiz sagt: „Der Jude ist nun mal ein schlauer Mensch, das muss man denen lassen.“
Ähnlicher Fall: https://www.derstandard.de/story/3000000191853/14-jaehriger-rief-auf-tiktok-zu-zerstoerung-von-graz-auf
• Livestreams, Matches, Bettelei, Spielsucht
Liebe Follower, bewerft mich nun bitte mit Geld. Was absurd klingen mag, beschreibt so ziemlich genau den Umstand, der sich abseits der Scrollleiste in den Livestreams abspielt. Sowohl bei den Minivideos, als auch den Livestreams (zu finden unter dem Live-Button), haben Zuschauer die Möglichkeit, den Creatoren mittels Geschenke Geld zu spenden. Die Geschenke wiederum werden mit der hauseigenen Münz-Währung gekauft, deren Preis von ein paar Cent bis mehrere hundert Euro differieren kann. Dieses System hat sich mittlerweile vor allem bei den Livestreams zu einer kleinen Gelddruckmaschine entwickelt, und zwar für TikTok.
Von Anfang an, ab 1.000 Followern hat ein Konto auf TikTok die Möglichkeit, öffentliche Livestreams zu starten. Die Hürde ist nicht sonderlich hoch, tausend Stück gibt es bereits ab 20$ auf verschiedenen dealership Seiten. Livestreams sind entweder allein oder zusammen mit anderen TikTokern möglich (auch als Gruppe), dabei wird ein Chat eingeblendet und die User haben währenddessen die Möglichkeit, Geschenke zu spenden, die auch öffentlichkeitswirksam im Stream eingeblendet werden. Wie beschrieben variiert der Wert der (Geld)Geschenke und dementsprechend gestaltet sich auch der Alarm beim Streamer, von Rosen über Cowboyhüte, Handschuhe, Einhörner, Löwen und Galaxien ist alles dabei, was das Spenderherz begehrt und ihm Geld aus der Tasche zieht.
Ein besonders perfide Methode und Form der Bettelei sind dabei die Live Battles oder Matches, entweder als 2er- oder 4er-Runden möglich:
Original anzeigen (0,2 MB)
Die rotblaue Leiste zeigt den Matchbalken und der Smiley das Ergebnis, im Beispiel führt der rote Streamer auf der linken Seite. Bei den meist fünfminütigen Runden können die User ihren Favoriten mittels geldwerten Geschenken und durch Tippen auf den Bildschirm beim Match unterstützen, Letzteres ist aber zeitlich begrenzt und bringt nur wenig Punkte. Zudem sieht man im Screenshot die Geschenkefunktion, mit aufgeladenen Coins ist von einem Sammelsurium aus über 100 gifts wählbar, was man an seinen Streamer spenden möchte. Es liegt auf der Hand, dass die Funktion, die ursprünglich für Gesangs- und Tanzwettbewerbe gedacht war, mittlerweile irre Blüten treibt:
Der Tiktok-Livestream hat gerade erst begonnen, da wird schon ziemlich viel gebrüllt. „Tippen, tippen, tippen“, ruft ein junger Mann namens Jounes Amiri am laufenden Band. „Wir sind hinten, Leute“, entgegnet ein anderer namens Leon Machère – er hat Nutella im Gesicht.Quelle: https://www.rnd.de/medien/kostspielige-tiktok-battles-und-ploetzlich-ist-9live-zurueck-GJCKUKQWKJDNHO3OJEBUIU3S2Y.html
„Alle zusammen, Leute, noch eine Minute und 30 Sekunden“, heizt Machère das Publikum an. Im Hintergrund ist spannungsgeladene Musik zu hören – oben läuft ein Balken durchs Bild, der zeigt, welches Team gerade vorne liegt.
Das „Tippen, tippen, tippen“ bringt am Ende wenig: Machère verliert mit 2604 Punkten gegen seinen Kontrahenten, der von seiner Community satte 13.777 Punkte einsammeln kann. Die Bestrafung: Machère muss sich zusätzlich zum Nutella nun auch noch Mehl ins Gesicht schütten.
oder hier, 00:00-03:00
Wie große YouTuber & Streamer auf TikTok nach Geld betteln und sich dabei blamieren.
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Offiziell dürfen Geschenke und Münzen zwar erst ab 18 Jahren gekauft werden, gerade von Jüngeren lässt sich diese Einschränkung jedoch einfach umgehen und mit Bezahlmethoden per Paypal, paysafecard, dem App-Store oder Codes schnell abwickeln. Nach verschiedenen Quellenangaben kassiert TikTok je nach Streamer einen Anteil von 50%-70%. Wer seinem Influencer hundert Euro spendet, drückt mindestens die Hälfte an die Plattform ab. Während ein vergleichbares System auch bei Twitch bekannt ist, hebt sich Amazon's Plattform hinsichtlich terms of service und auch weitgehend inhaltlich ab. Demgegenüber erschließt sich bei TikTok durch den Wettbewerbscharakter, den oft manipulativ-aggressiven Betteleien der Streamer und dem vermeintlichen Gemeinschaftsgefühl der Community ein ganz neues Potential an Spielsucht mitsamt der finanziellen Folgen.
• TikTok Deutschland und dessen zweifelhafte Persönlichkeiten
Jede Plattform hat ihre Geischter, zumindest zeitweise. So auch TikTok Deutschland:
Der weiter oben bereits benannte Barello ist derzeit wohl die schillernste Persönlichkeit im deutschen Live-Kosmos. Neben seinem Gewaltaufruf
KRIEG GEGEN ISRAEL: Gewaltaufrufe auf Tiktok! "Alle Läden kaputt machen" – Nahost-Konflikt im Netz
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, für den er am nächsten Tag noch die Goldmedaille im Zurückrudern gewann, definiert sich seine Präsenz durch Provokationen, Streitereien und Stumpfsinn - sowohl eine Krebserkrankung, als auch seine Abschiebung hat er bereits öffentlich vorgetäuscht. Vogelwild wird es aber eigentlich, wenn man bedenkt, dass Barello unter den Fittichen der Abou Chakers laviert. Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
Arafat, die bekannte Clangröße ist seinerseits zusammen mit seinem Bruder Yasser auf TikTok höchst aktiv und sammelt dort gerade druckfrische Anzeigen wegen Volksverhetzung. Davon ab, wie weiter oben bereits im Tagesspiegel-Artikel verlinkt, sorgt man sozusagen jeden Abend für eine inhaltliche Lehrstunde der meist jugendlichen, männlichen Zuschauer:
Die Männer sitzen zu Hause an ihren Rechnern vor kahlen Wänden, die Akustik ist meist schlecht, was auch daran liegt, dass oft alle aufgeregt durcheinander reden. Beliebte Sätze lauten: „Jetzt hör mal zu“ oder „Lass mich doch ausreden“.
Sie streiten darüber, wessen Luxuskarosse nur geleast und wessen Rolex nicht echt ist. Wer wem Schwarzgeld gezahlt habe, wer wen in einem Zweikampf bewusstlos schlagen würde, wer jüngst wessen Mutter beleidigte. Sie lästern über An- und Abwesende. Es wird viel gedroht. Nach ein paar Tagen vertragen sie sich und loben einander, sagen etwa: „Du bist ein Ehrenmann.“ Aber nur so lange, bis wieder Streit losbricht.
Doch TikTok ist tolerant und bietet Plattform für alle extremistischen Strömungen:
Der Rapper Manuellsen versteht sich überraschend gut mit seinem Gast: "Scheiß auf Politik, Bruder, lass lieber ne gute Zeit haben", sagt er. Steven Feldmann nickt und lächelt. "Ich hab Fotos von euch gesehen", schwärmt Manuellsen. "Ihr seid stabile Jungs. Ich feier das. Ihr haltet zusammen. Aber fürs falsche Ende, wenn du mich fragst." Die frische Männerfreundschaft, die beide in einem Stream auf der Plattform Twitch zelebrieren, ist ungewöhnlich: Manuellsen ist Gangsterrapper und seine Eltern stammen aus Ghana. Feldmann ist Neonazi und seine "stabilen Jungs" gehören zum harten Kern der rechtsextremen Szene in Dortmund.Eine ebenfalls eher zweifelhafte Persönlichkeit, die sich dem Geschäft mit dem Hass verschrieben hat, wäre Aline Bachmann. Die ehemalige DSDS-Kandidatin, sieht sich laufend mit Skandalen, verlorenen Gerichtsprozessen und dementsprechend viel Hass gegen sich und ihre Familie konfrontiert. Ein trauriger Höhepunkt war erreicht, als ihr Betrugsvorwürfe im Zusammenhang einer Spendensammlung für eine krebskranke Frau unterstellt wurden, die kurze Zeit danach verstarb.
Aline Bachmann benutzt Aycas Tod um gegen mich zu hetzen und Lügen zu verbreiten...
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Und ein weiterer Hassfluencer hat inzwischen eine neue Heimat auf TikTok gefunden: Reiner Winkler alias Drachenlord/höchste Wesne streamt regelmäßig über TikTok und bittet um Spenden, nachdem er Haus, Hof, Auto, Schein und Youtube-Kanal verloren hat. Selbstredend, dass ihn seine Hater bis dortin verfolgen, Streamingpartner attackieren und leaken, seine Inhalte restreamen & kommentieren, sowie seinen Bezahlchat infiltrieren um Winkler zu trollen, was erfolgreich öffentliche Wutausbrüche provoziert. Diverse Eskalationen eingeschlossen
Drachenlord beleidigt mich: Soll ich Anzeige erstatten? | Anwalt Christian Solmecke
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, jedoch schaffte er trotzdem zum Ärger seiner Hater, monatlich oft mehrere tausend Euro an Einnahmen über TikTok (und Nebenkanäle) zu erlösen.Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
• Verbote von TikTok
Bytedance hat global mit einer Reihe von Verboten zu kämpfen:
Quelle
Während die App in Indien (neben vielen anderen chinesischen Apps) schon 2019 verboten wurde (in Afghanistan von den Taliban ebenfalls), schränkte man in anderen Ländern viel mehr die Nutzung auf Regierungs- und Behördengeräten ein. Sowohl bei sämtlichen EU-Institutionen, als auch bei Handys von Beschäftigten der dt. Bundesregierung. Einen vergleichbaren Weg gehen Großbritannien, Neuseeland, Kanada, USA, Belgien, Dänemark, Pakistan, Taiwan uvm.
In der Hinsicht ist vor ein paar Monaten der US-Bundesstaat Montana besonders vorgeprescht: Der republikanische Gouverneur Greg Gianforte verbat die App komplett mit Wirkung zum 1. Januar '24, aufgrund Sicherheitsbedenken und zum Schutz der Bürger durch die Überwachung der Kommunistischen Partei Chinas. Zugleich darf TikTok in dem Bundesstaat nicht mehr unternehmerisch tätig sein, Verstöße gegen das Gesetz werden mit Strafen bis zu 10.000$ belegt.
• Grausame und sexualisierte Inhalte auf der Kinderplattform
Bytedance hat ein Inhaltsproblem. Das haben sie übrigens alle, von Facebook bis reddit. Doch auch hier wiegt wieder schwer, dass TikTok vor allem eine besonders junge Plattform ist, was die Userschaft betrifft. Und somit verstörende bis illegale Inhalte auf eine unvorbereitete Zielgruppe treffen:
Es fällt Ella sichtlich schwer, das zu erzählen, was sie da vor einiger Zeit auf ihrem Smartphone entdeckt hat. Die 13-jährige Schülerin der Waldschule Hatten möchte ihren richtigen Namen nicht veröffentlicht wissen, und nicht einmal ihrer Mutter hat sie von dem Vorfall berichtet. "Ich habe mir bei TikTok Schminktipps angesehen und dann in der Kommentarliste ein Video angeklickt, das gerade vor wenigen Sekunden eingestellt worden war", berichtet die Schülerin. Zu sehen gab es dort allerdings keine neuen Trends bei Lippenstift oder Wimperntusche. Sondern ein Mädchen, das an einem rund einjährigen Jungen sexuelle Handlungen vornimmt. "Das Mädchen war offenbar die Babysitterin des Jungen", sagt Ella, "ich war so angeekelt, wie kann man so etwas mit einem kleinen Kind tun?"Zugleich wird bei dem Punkt oft nicht bedacht, dass auch die andere Seite damit zu kämpfen hat:
Ein Video, das auf Fraziers Bildschirm gelandet ist, zeigte der Klageschrift zufolge Menschen, die aus einem zerschmetterten Schädel essen. Andere Videos sollen gezeigt haben, wie ein Fuchs lebendig gehäutet wird und wie ein Mann einer lebenden Ratte den Kopf abbeißt. Im Jahr 2019 hat eine VICE-Recherche gezeigt, wie verbreitet Tierquälerei auf TikTok ist.Quelle: https://netzpolitik.org/2021/verstoerende-gewalt-loescharbeiterin-klagt-gegen-tiktok/
Auch sexualisierte Gewalt gegen Kinder habe Frazier mitansehen müssen, außerdem die Hinrichtung einer Frau durch Abschlagen des Kopfes. Andere Videos hätten Abtreibungen in Hinterhöfen gezeigt.
In der Folge ihrer Arbeit habe Frazier schwere psychologische Traumata entwickelt, unter anderem Depression und Symptome von posttraumatischen Belastungsstörungen.
Besonders hinsichtlich sexueller Gewalt und Kinderpornographie bildet TikTok nicht nur ein Platz zur Verbreitung der Inhalte, sondern ermöglicht auch Tätern, mit potentiellen Opfern in Kontakt zu treten. Eine weitere, besonders heimtückische Gefahr: Vor allem Netzwerke wie instagram, Youtube und eben auch TikTok werden von pädophilen Tätern genutzt, um private Kindervideos und -fotos zu stehlen, welche sie dann wiederum in einschlägigen Foren, Gruppen und Chats posten.
TikTok gibt sich zwar betont engagiert im Kampf gegen zweifelhafte und verbotene Inhalte, indem man mit Transparenzberichten auf die eigenen Leistungen verweist, aber bereits darin zeigen allein die Relationen,
In der ersten Hälfte des Jahres 2020 (1. Januar bis 30. Juni) wurden weltweit 104.543.719 Videos aufgrund eines Verstoß gegen unsere Community-Richtlinien oder unsere Nutzungsbedingungen entfernt. Das entspricht weniger als 1 % aller auf TikTok hochgeladenen Videos. Wir entfernten 96,4 % dieser Videos, bevor Nutzer*innen sie uns meldeten, und 90,3 % wurden entfernt, bevor sie von Nutzer*innen gesehen wurden.und aktuell:
Wir fügen auch Informationen zu Durchsetzung unserer Richtlinien für TikTok LIVE hinzu, einer Funktion, die es Nutzer*innen ermöglicht, in Echtzeit zu interagieren. Im zweiten Quartal 2023 haben wir 8.074.632 LIVE-Sessions abgebrochen. Diese Zahl macht 1,5 % der insgesamt in diesem Zeitraum gestreamten LIVE-Sessions aus. Gegen 252.045 dieser Abbrüche wurde erfolgreich Einspruch eingelegt. Wir freuen uns, weitere Einzelheiten zu unseren LIVE-Moderationsbemühungen zu teilen, da sie ein wichtiger Teil der TikTok–Erfahrung sind, und werden auch in zukünftigen Berichten ausgiebig darüber informieren.Quelle: https://www.tiktok.com/transparency/de-de/community-guidelines-enforcement-2023-2/
welch windmühlenartiger Kampf hier überhaupt geführt wird. Wie beschrieben, ebenfalls die EU erwartet hier inzwischen mehr Bewegung von den Anbietern.