@lernender lernender schrieb:Denn im Prinzip würde ich ihren Unterstellungen gerne komplett ausweichen, mir fehlt dafür nur Wissen darüber, was sie als "normal" empfinden.
Als normal im psychiatrischen Sinne gilt man, wenn man keine offensichtlichen Halluzinationen oder Wahnideen hat (Jesus zu sehen; Napoleon zu sein; der reichste Mensch der Welt zu sein; mal eben dringend mit Obama telefonieren müssen, um ihm politische Tipps zu geben; sich selbst für den Nobelpreis vorschlagen; in Kontakt mit Außerirdischen stehen ... ).
Von all dem könnte man überzeugt sein und praktisch wird man dann - vor allem vermutlich, wenn man schon lange in Behandlung ist, ohne tiefergehende Prüfung - als psychotisch angesehen.
Theoretisch ist es so, dass jemand der nicht offene psychiatrische Symptome zeigt, aber doch irgendwie merkwürdig wirkt, in seinen Gedanken, in seinen Gefühlen, in seinem Verhalten, taktvoll darauf angesprochen wird, ob er - und darum geht es! - nachvollziehen kann, dass sein Verhalten, sein Fühlen, seine Gedanken anderen merkwürdig vorkommt.
Dabei treten typische Reaktionen auf. Ein Mensch, der aktuell keine Psychose hat, kann die Gelegenheit nutzen, um sein Verhalten zu erklären und verstehen, dass anderen sein Verhalten komisch erscheint.
Ein Beispiel: Ein Psychiater sagt am Ende seines Interviews: "Als sie vorhin vom Tod ihrer Schwester und von dem schweren Autounfall ihres besten Freundes sprachen, da kam es mir vor, als ob sie lächelten. Können sie verstehen, dass mir das merkwürdig vorkommt?"
Die Antwort eines nichtpsychotischen Menschen könnte lauten: "Gut, dass sie das sagen, das ist immer so bei mir und war schon früher mein Problem. Die Leute müssen ja denken, ich sei ein Sadist." Das ist ein Beispiel für eine ausgezeichnete Realitätsprüfung = keine Psychose.
Ein Mensch, der aktuell psychotisch ist würde auf eine taktvolle Nachfrage mit Verwirrung und Dekompensation (psychischem Zusammenbruch) reagieren und sich desorganisieren.
Er könnte stottern, würde extrem misstrauisch werden und könnte das Angebot zu Klärung nicht nutzen.
Ein Beispiel: Ein Psychiater sagt am Ende seines Interviews: "Als ich vorhin mit ihnen sprach, da spähten sie intensiv in eine bestimmte Ecke des Zimmers und ich hatte den Eindruck, dass in dem Moment gar nicht mitbekamen, was ich sagte. Das kam mir merkwürdig vor, wie haben sie das empfunden, warum haben sie das gemacht? Können sie verstehen, dass ich das merkwürdig fand?"
Wenn der Patient antwortet: "Das wissen sie doch selbst sehr genau." ist die Realitätsprüfung verpfuscht und der Patient hat eine Psychose.