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Entwicklungsstufen des Zen
03.07.2006 um 15:05Die Rinderparabel verdeutlicht die Schulung und Entwicklungstadien im Zen.
Sie wurde erstmals im China der Sung-Zeit (960-1279 n.Chr.), aus der dieumfangreichste frühe Zen-Literatur stammt, von einem Schüler von Meister Lin-chi gemalt.Diese frühen Bilder sind verlorengegangen. Die zehn Bildmotive und die dazugehörigenKommentare und Lobgedichte, wie wir sie heute kennen, werden Meister Kuo-an (12.Jh.n.Chr.) zugeschrieben.
1 Die Suche
Trostlos in endloser Weite
bahnt er sich auf und ab den Weg
in wucherndem Gras
und sucht einen Ochsen.
Weites Wasser,ferne Berge,
und der Weg zieht sich endlos dahin.
Im ersten Bild der Rinderparabel sucht der Hirtenjunge einen verirrten Ochsen.Der Ochse ist die Metapher für den eigenen Geist, das eigene Selbst, das scheinbarverloren gegangen ist. Der Hirte hat das Bedürfnis, etwas finden zu müssen, was er kennt,und was ihm fehlt. Es ist typisch für das chinesische Denken, dies durch ein sopraktisches Tier wie den Ochsen darzustellen. Der Hirte ist beunruhigt, er ist haltlosund heimatlos. So beginnt die Suche.
2 Spuren
Im Wald und am Gestade des Wassers
finden sich unzähligeFußspuren;
sieht er wohl das zerteilte Gras?
Selbst die tiefstenSchluchten
der höchsten Berge
können des Ochsen Nase nicht verbergen,
reicht sie doch bis in den Himmel.
Mit Hilfe derSchriften und des Studiums findet der Hirte trotz seiner Verwirrung die Spuren desOchsen. Noch ist er völlig an Namen und Formen verhaftet. Er lebt in der Welt derGegensätze: Gut und Böse, Schön und Häßlich, dies und das, deins und meins, Wünsche undAbneigungen beherrschen das Denken und verursachen Leid. Aber der Hirte beginnt zuverstehen, dass alles und jedes mit unserer Geisteshaltung in Zusammenhang stehen.
3 Erblicken
Eine Nachtigall schlägt auf einen Zweig,
warm scheint die Sonne,
sanft weht der Wind, die Weiden grünen.
Dort steht der Ochse,
wo könnt' er sich verbergen?
Der Ochse wird sichtbar. Nach langem Suchen und vielen Mühen findet der Hirte dieSpur zu sich selbst und begreift, dass alle Dinge von ihm nicht verschieden sind. Denn esist sein Geist, der den Dingen Bedeutung gibt. Auf diese Weise macht sich jeder selbstseine Welt. Indem der Hirte den alltäglichen Geräuschen lauscht, bekommt er eine Ahnungdavon, dass seine Natur von den zehntausend Dingen nicht getrennt ist. Die Nachtigall,der Ochse und der Hirte: Sind sie gleich oder verschieden? Für den Hirten sind siegleich, denn er versteht, dass die eigene Natur alle zehntausend Dinge hervorbringt unddass alles ursprünglich Eins ist: Form ist Leerheit und Leerheit ist Form. Es ist einerstes Erblicken, ein mehr intellektuelles Begreifen, das an das Denken verhaftet ist.
4 Einfangen
Fest muß der Hirt das Leitseil packen,
darf es nicht loslassen,
denn noch hat der Ochse schlimme Neigungen
und wilde Kraft.
Bald rennt er ins Hochland hinauf,
bald läuft ertief in Stätten
voller Dunst und Nebel
und verweilt dort.
Der Ochse strebt zu seiner grünen Weide zurück. Es ist daher für den Hirtensehr mühsam, den Ochsen zu halten und zu führen. Einerseits sind es die Verführungen derAußenwelt, andererseits Triebe und Neigungen, denen der Ochse folgt und die sein Handelnbestimmen. Das Leben ist fortwährende Entladung und Entfaltung bewußter und unterbewußterRegungen, Empfindungen und Latenzen. Das wird dem Hirten nun bewußt. Wie kann man imLeben und Zusammenleben angemessen agieren, reagieren und helfen, wenn wir vor allemunseren Neigungen und Abneigungen folgen und egoistische Interessen unser Handeln leiten?Wie kann man frei werden? Der Hirte weiß: Solange der Ochse nicht eingefangen und gezähmtist, bedingen und bestimmen die Fluktuationen des Bewußtseins unseren Charakter und unserDasein, und der Egoismus dominiert unser Handeln.
5 Zähmen
Der Hirte darf Peitsche und Leitseil
keinen Augenblick ausder Hand lassen,
sonst läuft der Ochse davon in den Staub.
Rechtgezähmt jedoch,
wird er sauber und sanft,
gelöst vom Seil, folgt erwillig dem Hirten.
Der Ochse ist eingefangen, und langsamgelingt es dem Hirten, ihn zu zähmen. Langsam werden beide miteinander vertraut. DenOchsen finden und zähmen bedeutet, mit sich selbst vertraut zu werden. Der Hirte erfährtund lebt die Antworten, die er auf die Frage nach sich selbst gefunden hat. Er weiß, dassdie Dinge vom eigenen Geist abhängig sind, insofern sie durch uns ihre Bedeutungerhalten. Denken, Wünsche und Verblendung machen die Welt, in der wir leben. Was, wennwir alles Denken abschneiden, nicht an unseren Wünschen und unserer Meinung festhalten?Dann wird jeder Augenblick wahr, so lehren es die Meister und Patriarchen. Darum bemühtsich der Hirte. Es ist eine Zeit der aufrichtigen Übung: Fest packt der Hirte dasLeitseil und läßt keinen Zweifel aufkommen. Er muss achtsam bleiben, damit sich keineGedanken erheben, und ihn der Ochse nicht davon zieht.
6 Heimritt
Er reitet auf dem Ochsen heim
in heiterer Gelassenheit.
Den fernhinziehenden Abendnebel
begleitet weithin der Klang seiner Flöte.
Ein Klatschen, der Takt eines Liedes
ist von unumschränktem Sinn.
Wer diesen Sinn kennt,
braucht der denn noch Worte?
Der Hirte reitet den Ochsen. Beide sind miteinander versöhnt und befinden sich aufdem Heimweg. Alles Sträuben und Streben hat sich aufgelöst. Es bleiben die einfachenLieder, die der Hirte auf der Flöte spielt. Im Klang der Töne wird alles eins: Hirte,Ochse und Musik. Da ist kein Ich oder Du, kein hier oder dort, kein vorher oder nachher.Es gibt nichts zu denken, kein Ort, an dem man verweilt, kein Objekt, das den Blickbannen könnte. Da ist nur die Musik und große Freude.
7 Vergessen
Heimkehren konnte er nur auf dem Ochsen,
nun gibtes den Ochsen nicht mehr.
Allein sitzt der Hirte, heiter und ruhig.
Dierote Sonne steht schon hoch am Himmel,
doch er träumt friedlich weiter.
Unter dem Strohdach liegen nun Peitsche und Leitseil
nutzlos herum.
Die Metapher des Ochsen ist nutzlos geworden. Der Ochse wirdvergessen.
Meister Kuo-an kommentiert das siebte Bild der Rinderparabelfolgendermaßen: "Im Dharma (die Buddhistische Lehre) gibt es keine Zweiheit. Der Ochseist unser urinnerstes Wesen – das hat er nun erkannt. Eine Falle ist nicht mehrerforderlich, wenn der Hase gefangen ist, ein Netz nicht mehr vonnöten, wenn der Fischgeködert wurde. Es ist, als wäre Gold von der Schlacke befreit worden; als wäre der Mondzwischen den Wolken zum Vorschein gekommen. Ein Strahl von klarstem Glanz scheintimmerdar von Urbeginn an." (Bei D.T.Suzuki, 1993: Zazen. München. S. 200)
DerHirte ist einen Schritt weiter: Körper und Geist, Individuum und Welt, Leben undWirklichkeit sind eins geworden.
8 Sich selbst vergessen
Peitsche und Leitseil, Ochs und Hirte
gehören gleichermaßen der Leere an.
Der blaue Himmel ist so allumfassendweit,
daß alles Mitteilen in ihm beinah endet.
Über loderndem Feuerkann
keine Schneeflocke bestehen.
Kein Hirte, kein Ochse,sondern nur ein leerer Kreis. Alle Gegensätze sind aufgehoben. Es gibt nichts mehr, woranman sich verhaften könnte. Selbst ein Schatten wäre bereits ein Irrtum. 1000 x 0 = 0.
Descartes sagt: "Ich denke, daher bin ich." Aber wenn ich nicht denke,was dann? Im achten Bild der Rinderparabel ist alles Denken abgeschnitten. Alles wird alsleer erfahren: Kein Hirte und kein Ochse, kein Ich und kein Du, kein Buddha, keineMeister, keine Religion, keine Wissenschaften, keine Worte, keine Welt, nichts. DieserPunkt liegt vor dem Denken, wo es weder Begriffe noch Sprache gibt. Diese ErfahrungLeerheit, Nichts, Absolutes oder Gott zu nennen, wäre schon ein Fehler, denn dann istbereits etwas und nicht länger Nichts. Wir können den Mund nicht öffnen. Der Hirte haterfahren, wovon die Meister erzählen: Es gibt nichts zu erlangen. Alles ist immer wahr,so wie es ist. Alles ist immerzu vollständig.
9 ZumUrsprung zurückkehren
Er ist zum Ursprung zurückgekehrt,
dochwaren seine Schritte umsonst.
Die Ströme fließen, wie sie fließen,
undrote Blumen blühen von selber rot.
Die originäre Erfahrung derLeerheit hat den Hirten von allen Anhaftungen befreit. Sie war vergleichbar einerInitiation, einer Taufe oder einer Seinsverwandlung, die das Dasein in das Nichtszurückgenommen hatte. Wenn kein Hirte und kein Ochse mehr das Bild verstellen, dann kannsich die ursprüngliche Daseinserfahrung des Zen ereignen. Dann wird die Leerheit hin zurwirklichen Wirklichkeit überschritten, die jetzt im neunten Bild strahlend aufscheint:Der Baum ist grün, die Blumen blühen. Alles ist genau so, wie es ist. Was wir sehen,hören, riechen, schmecken, berühren oder denken, alles ist einfach-genau-so, alles istwahr. Alles ist Buddha. Das ist unsere wahre Natur. Auf diese Weise sind wir von allenDingen im Universum niemals getrennt. (Vgl. Seung Sahn, 1997: The Compass of Zen. Boston.S. 261) Das hat der Hirte nun erlangt. Er ist geworden, was er immer schon ist.
10 Herabstieg vom Berg
Mit entblößter Brust kommt er barfußzum Markte.
Schmutzbedeckt und mit Asche beschmiert,
lacht er dochbreit übers ganze Gesicht.
Ohne Zuflucht zu mystischen Kräften
bringter verdorrte Bäume schnell zum Blühen.s
Ein japanischer Meisterund Kommentator der Rinderparabel bemerkt zum 10. Bild: "Wer in sich selbst die Bezeugungder Wahrheit zur Vollendung kommen ließ, geht in die Welt, um die Anderen zu retten. ...So ergeht es von altersher allen Buddhas und jedem Meister. Aus hervorquellenderunendlicher Barmherzigkeit wirft er sich in die staubige Welt, und mit dem großenGelöbnis reicht er seine Hand zur Rettung alles weltlich Anwesenden. Kann seine Haltungals eine moralische oder religiöse bezeichnet werden? Nein, keines von beiden. SeinHandeln und das darin quellende ungehinderte Leben des Zen kann nicht in den Rahmen derSittlichkeit oder der Religion gepreßt werden. Sein über alle Gesetze und Normen hinwegfrei spielendes Leben kann keiner verständlich machen. Erst diesem frei spielenden Lebensollten alle moralischen Gesetze und alle religiösen Normen entspringen." (Meister D.R.Ohtsu)
Der Hirte kehrt als Freier in die Welt der Unterschiedenheitzurück: Er geht auf den "Markt mit offenen Händen", um zu tun, was nötig ist, nämlich umzu helfen, wo geholfen werden muss. Er ist aus dem großen Nein des 8. Bildes in das großeJa herausgesprungen. Er ist ein Bodhisattva geworden.
Quelle:http://www.kwanumzen.de/texte/rwch/rinder_parabel.htm
einesehr schöne parabel, die die schritte der verwirklichung des selbst, der wahren natur,oder des göttlichen beschreibt, je nachdem wie man es in der jeweiligen religion oder ineigenem ermessen nennt.
diese unterscheidet sich sehr wenig von anderenbeschreibungen, der spirituellen traditionen aus aller herren länder und religionen.
Sie wurde erstmals im China der Sung-Zeit (960-1279 n.Chr.), aus der dieumfangreichste frühe Zen-Literatur stammt, von einem Schüler von Meister Lin-chi gemalt.Diese frühen Bilder sind verlorengegangen. Die zehn Bildmotive und die dazugehörigenKommentare und Lobgedichte, wie wir sie heute kennen, werden Meister Kuo-an (12.Jh.n.Chr.) zugeschrieben.
1 Die Suche
Trostlos in endloser Weite
bahnt er sich auf und ab den Weg
in wucherndem Gras
und sucht einen Ochsen.
Weites Wasser,ferne Berge,
und der Weg zieht sich endlos dahin.
Im ersten Bild der Rinderparabel sucht der Hirtenjunge einen verirrten Ochsen.Der Ochse ist die Metapher für den eigenen Geist, das eigene Selbst, das scheinbarverloren gegangen ist. Der Hirte hat das Bedürfnis, etwas finden zu müssen, was er kennt,und was ihm fehlt. Es ist typisch für das chinesische Denken, dies durch ein sopraktisches Tier wie den Ochsen darzustellen. Der Hirte ist beunruhigt, er ist haltlosund heimatlos. So beginnt die Suche.
2 Spuren
Im Wald und am Gestade des Wassers
finden sich unzähligeFußspuren;
sieht er wohl das zerteilte Gras?
Selbst die tiefstenSchluchten
der höchsten Berge
können des Ochsen Nase nicht verbergen,
reicht sie doch bis in den Himmel.
Mit Hilfe derSchriften und des Studiums findet der Hirte trotz seiner Verwirrung die Spuren desOchsen. Noch ist er völlig an Namen und Formen verhaftet. Er lebt in der Welt derGegensätze: Gut und Böse, Schön und Häßlich, dies und das, deins und meins, Wünsche undAbneigungen beherrschen das Denken und verursachen Leid. Aber der Hirte beginnt zuverstehen, dass alles und jedes mit unserer Geisteshaltung in Zusammenhang stehen.
3 Erblicken
Eine Nachtigall schlägt auf einen Zweig,
warm scheint die Sonne,
sanft weht der Wind, die Weiden grünen.
Dort steht der Ochse,
wo könnt' er sich verbergen?
Der Ochse wird sichtbar. Nach langem Suchen und vielen Mühen findet der Hirte dieSpur zu sich selbst und begreift, dass alle Dinge von ihm nicht verschieden sind. Denn esist sein Geist, der den Dingen Bedeutung gibt. Auf diese Weise macht sich jeder selbstseine Welt. Indem der Hirte den alltäglichen Geräuschen lauscht, bekommt er eine Ahnungdavon, dass seine Natur von den zehntausend Dingen nicht getrennt ist. Die Nachtigall,der Ochse und der Hirte: Sind sie gleich oder verschieden? Für den Hirten sind siegleich, denn er versteht, dass die eigene Natur alle zehntausend Dinge hervorbringt unddass alles ursprünglich Eins ist: Form ist Leerheit und Leerheit ist Form. Es ist einerstes Erblicken, ein mehr intellektuelles Begreifen, das an das Denken verhaftet ist.
4 Einfangen
Fest muß der Hirt das Leitseil packen,
darf es nicht loslassen,
denn noch hat der Ochse schlimme Neigungen
und wilde Kraft.
Bald rennt er ins Hochland hinauf,
bald läuft ertief in Stätten
voller Dunst und Nebel
und verweilt dort.
Der Ochse strebt zu seiner grünen Weide zurück. Es ist daher für den Hirtensehr mühsam, den Ochsen zu halten und zu führen. Einerseits sind es die Verführungen derAußenwelt, andererseits Triebe und Neigungen, denen der Ochse folgt und die sein Handelnbestimmen. Das Leben ist fortwährende Entladung und Entfaltung bewußter und unterbewußterRegungen, Empfindungen und Latenzen. Das wird dem Hirten nun bewußt. Wie kann man imLeben und Zusammenleben angemessen agieren, reagieren und helfen, wenn wir vor allemunseren Neigungen und Abneigungen folgen und egoistische Interessen unser Handeln leiten?Wie kann man frei werden? Der Hirte weiß: Solange der Ochse nicht eingefangen und gezähmtist, bedingen und bestimmen die Fluktuationen des Bewußtseins unseren Charakter und unserDasein, und der Egoismus dominiert unser Handeln.
5 Zähmen
Der Hirte darf Peitsche und Leitseil
keinen Augenblick ausder Hand lassen,
sonst läuft der Ochse davon in den Staub.
Rechtgezähmt jedoch,
wird er sauber und sanft,
gelöst vom Seil, folgt erwillig dem Hirten.
Der Ochse ist eingefangen, und langsamgelingt es dem Hirten, ihn zu zähmen. Langsam werden beide miteinander vertraut. DenOchsen finden und zähmen bedeutet, mit sich selbst vertraut zu werden. Der Hirte erfährtund lebt die Antworten, die er auf die Frage nach sich selbst gefunden hat. Er weiß, dassdie Dinge vom eigenen Geist abhängig sind, insofern sie durch uns ihre Bedeutungerhalten. Denken, Wünsche und Verblendung machen die Welt, in der wir leben. Was, wennwir alles Denken abschneiden, nicht an unseren Wünschen und unserer Meinung festhalten?Dann wird jeder Augenblick wahr, so lehren es die Meister und Patriarchen. Darum bemühtsich der Hirte. Es ist eine Zeit der aufrichtigen Übung: Fest packt der Hirte dasLeitseil und läßt keinen Zweifel aufkommen. Er muss achtsam bleiben, damit sich keineGedanken erheben, und ihn der Ochse nicht davon zieht.
6 Heimritt
Er reitet auf dem Ochsen heim
in heiterer Gelassenheit.
Den fernhinziehenden Abendnebel
begleitet weithin der Klang seiner Flöte.
Ein Klatschen, der Takt eines Liedes
ist von unumschränktem Sinn.
Wer diesen Sinn kennt,
braucht der denn noch Worte?
Der Hirte reitet den Ochsen. Beide sind miteinander versöhnt und befinden sich aufdem Heimweg. Alles Sträuben und Streben hat sich aufgelöst. Es bleiben die einfachenLieder, die der Hirte auf der Flöte spielt. Im Klang der Töne wird alles eins: Hirte,Ochse und Musik. Da ist kein Ich oder Du, kein hier oder dort, kein vorher oder nachher.Es gibt nichts zu denken, kein Ort, an dem man verweilt, kein Objekt, das den Blickbannen könnte. Da ist nur die Musik und große Freude.
7 Vergessen
Heimkehren konnte er nur auf dem Ochsen,
nun gibtes den Ochsen nicht mehr.
Allein sitzt der Hirte, heiter und ruhig.
Dierote Sonne steht schon hoch am Himmel,
doch er träumt friedlich weiter.
Unter dem Strohdach liegen nun Peitsche und Leitseil
nutzlos herum.
Die Metapher des Ochsen ist nutzlos geworden. Der Ochse wirdvergessen.
Meister Kuo-an kommentiert das siebte Bild der Rinderparabelfolgendermaßen: "Im Dharma (die Buddhistische Lehre) gibt es keine Zweiheit. Der Ochseist unser urinnerstes Wesen – das hat er nun erkannt. Eine Falle ist nicht mehrerforderlich, wenn der Hase gefangen ist, ein Netz nicht mehr vonnöten, wenn der Fischgeködert wurde. Es ist, als wäre Gold von der Schlacke befreit worden; als wäre der Mondzwischen den Wolken zum Vorschein gekommen. Ein Strahl von klarstem Glanz scheintimmerdar von Urbeginn an." (Bei D.T.Suzuki, 1993: Zazen. München. S. 200)
DerHirte ist einen Schritt weiter: Körper und Geist, Individuum und Welt, Leben undWirklichkeit sind eins geworden.
8 Sich selbst vergessen
Peitsche und Leitseil, Ochs und Hirte
gehören gleichermaßen der Leere an.
Der blaue Himmel ist so allumfassendweit,
daß alles Mitteilen in ihm beinah endet.
Über loderndem Feuerkann
keine Schneeflocke bestehen.
Kein Hirte, kein Ochse,sondern nur ein leerer Kreis. Alle Gegensätze sind aufgehoben. Es gibt nichts mehr, woranman sich verhaften könnte. Selbst ein Schatten wäre bereits ein Irrtum. 1000 x 0 = 0.
Descartes sagt: "Ich denke, daher bin ich." Aber wenn ich nicht denke,was dann? Im achten Bild der Rinderparabel ist alles Denken abgeschnitten. Alles wird alsleer erfahren: Kein Hirte und kein Ochse, kein Ich und kein Du, kein Buddha, keineMeister, keine Religion, keine Wissenschaften, keine Worte, keine Welt, nichts. DieserPunkt liegt vor dem Denken, wo es weder Begriffe noch Sprache gibt. Diese ErfahrungLeerheit, Nichts, Absolutes oder Gott zu nennen, wäre schon ein Fehler, denn dann istbereits etwas und nicht länger Nichts. Wir können den Mund nicht öffnen. Der Hirte haterfahren, wovon die Meister erzählen: Es gibt nichts zu erlangen. Alles ist immer wahr,so wie es ist. Alles ist immerzu vollständig.
9 ZumUrsprung zurückkehren
Er ist zum Ursprung zurückgekehrt,
dochwaren seine Schritte umsonst.
Die Ströme fließen, wie sie fließen,
undrote Blumen blühen von selber rot.
Die originäre Erfahrung derLeerheit hat den Hirten von allen Anhaftungen befreit. Sie war vergleichbar einerInitiation, einer Taufe oder einer Seinsverwandlung, die das Dasein in das Nichtszurückgenommen hatte. Wenn kein Hirte und kein Ochse mehr das Bild verstellen, dann kannsich die ursprüngliche Daseinserfahrung des Zen ereignen. Dann wird die Leerheit hin zurwirklichen Wirklichkeit überschritten, die jetzt im neunten Bild strahlend aufscheint:Der Baum ist grün, die Blumen blühen. Alles ist genau so, wie es ist. Was wir sehen,hören, riechen, schmecken, berühren oder denken, alles ist einfach-genau-so, alles istwahr. Alles ist Buddha. Das ist unsere wahre Natur. Auf diese Weise sind wir von allenDingen im Universum niemals getrennt. (Vgl. Seung Sahn, 1997: The Compass of Zen. Boston.S. 261) Das hat der Hirte nun erlangt. Er ist geworden, was er immer schon ist.
10 Herabstieg vom Berg
Mit entblößter Brust kommt er barfußzum Markte.
Schmutzbedeckt und mit Asche beschmiert,
lacht er dochbreit übers ganze Gesicht.
Ohne Zuflucht zu mystischen Kräften
bringter verdorrte Bäume schnell zum Blühen.s
Ein japanischer Meisterund Kommentator der Rinderparabel bemerkt zum 10. Bild: "Wer in sich selbst die Bezeugungder Wahrheit zur Vollendung kommen ließ, geht in die Welt, um die Anderen zu retten. ...So ergeht es von altersher allen Buddhas und jedem Meister. Aus hervorquellenderunendlicher Barmherzigkeit wirft er sich in die staubige Welt, und mit dem großenGelöbnis reicht er seine Hand zur Rettung alles weltlich Anwesenden. Kann seine Haltungals eine moralische oder religiöse bezeichnet werden? Nein, keines von beiden. SeinHandeln und das darin quellende ungehinderte Leben des Zen kann nicht in den Rahmen derSittlichkeit oder der Religion gepreßt werden. Sein über alle Gesetze und Normen hinwegfrei spielendes Leben kann keiner verständlich machen. Erst diesem frei spielenden Lebensollten alle moralischen Gesetze und alle religiösen Normen entspringen." (Meister D.R.Ohtsu)
Der Hirte kehrt als Freier in die Welt der Unterschiedenheitzurück: Er geht auf den "Markt mit offenen Händen", um zu tun, was nötig ist, nämlich umzu helfen, wo geholfen werden muss. Er ist aus dem großen Nein des 8. Bildes in das großeJa herausgesprungen. Er ist ein Bodhisattva geworden.
Quelle:
einesehr schöne parabel, die die schritte der verwirklichung des selbst, der wahren natur,oder des göttlichen beschreibt, je nachdem wie man es in der jeweiligen religion oder ineigenem ermessen nennt.
diese unterscheidet sich sehr wenig von anderenbeschreibungen, der spirituellen traditionen aus aller herren länder und religionen.