@Doors Wir sind also einverstanden, dass es bezüglich Höflichkeit und Anstand kein "früher war besser" gibt, nicht wahr?
Ich denke an die heute lebenden Generationen. Ich möchte niemandem zu nahe treten, es handelt sich um meine Beobachtungen. Meine Grosseltern stammen aus der Generation der sogenannten "Traditionalisten". Es gibt für sie Dinge, die gehören sich einfach nicht. Somit waren sie auch der Ansicht, dass den Älteren Respekt zu zollen ist - einfach nur weil sie älter sind. Ebenfalls finde ich bei den sogenannten "Boomern" diese Meinung noch teilweise vertreten, aber nicht mehr so stark wie bei den Traditionalisten.
Was ich erschreckend finde - wie gesagt, ich möchte niemandem zu nahe treten - aber die jüngeren Boomer, die ich kenne, sind sehr aggressiv und total arrogant, schreien und benehmen sich wie die Axt im Wald. Diese finde ich unhöflich, so die um 1963/64 geborenen - ich wiederhole mich: die ich kennengelernt habe. Sie sind wie direkt aus der Hölle gekrabbelt, aber ich verstehe, warum. Sie hatten sicher viel Entbehrung gekannt von den eigenen Eltern.
Genau wie andere auch, habe ich gegenwärtig jüngere Vorgesetzte und es ist schon vorgekommen, dass ich mich unwohl gefühlt habe, weil sie noch Greenhorns sind. Wenn ich aber zurück denke, fühlte ich mich bei älteren Vorgesetzten auch nicht unbedingt wohl. Mein Lieblingschef ist tatsächlich jünger als ich gewesen.
Merkwürdig, wie die Wörter Höflichkeit und Anstand mich an das Thema Autorität und den Unterschied jung/alt erinnern. Mit Gleichaltrigen habe ich das Thema nämlich auch und irgendwie empfinde ich es aber nicht so stark. Eigentlich sollten Höflichkeit und Anstand mich doch eher dazu bewegen, über den Unterschied fremd vs bekannt nachzudenken.
Ich frage mich, was könnte der Grund sein, dass man die "Anderen" - seien sie jünger oder älter, bekannte oder unbekannte - als unhöflich oder unanständig wahrnimmt? Ich denke, es hat damit zu tun, was ich selbst mitbekommen habe. Ich kann ja auch nur so weit sehen, wie mein eigener Horizont reicht. So komme ich auch auf die "interkulturelle Kompetenz". Darf ich als Frau zum Beispiel einem fremdem Mann nun die Hand anbieten oder sollte ich es lieber lassen?
Was ich verstehen kann, warum man vielleicht meint, es war früher besser: es gab den Knigge für die Anstandsregeln. Diese dürften aber vor allem dazu gedient haben, eine Gesellschaftsschicht von der anderen zu unterscheiden. Bestimmt ist es heute etwas besser geworden mit der sozialen Mobilität als früher.