fullmoon9 schrieb:wie empfindet ihr den Lockdown? Seid ihr davon betroffen oder habt ihr ggf systemrelevante Jobs, sodass ihr von den Beschränkungen nicht so viel mitbekommt? Wie gestaltet ihr eure Freizeit derzeit? Euren Alltag? Was vermisst ihr?
Ich gehe ganz normal arbeiten, aber natürlich sind die Bedingungen anders als das noch vor einem Jahr der Fall war. Die Coronaregeln wurden bei mir auf der Arbeit umgesetzt, vor allem, dass pro Büro nur noch eine Person sein soll, dass man auf Abstände achtet und ab Oktober 2020 ordnete der Behördenleiter eine Maskentragepflicht im Gebäude an, und seit fast 2 Wochen muss nun mindestens eine medizinische Maske getragen werden, also Alltagsmasken oder auch Schals, die manche Kollegen sich vorgebunden hätten, sind nicht mehr zulässig.
Homeoffice könnte ich machen, möchte ich aber nicht.
Beim ersten Lockdown hatten wir eine so genannte Kohortenregelung. Da ging man nur jeden 2. Tag arbeiten. Dann aber auch bis zu 12 Stunden. Der freie Tag zwischendrin war super, und immerhin jedes zweite Wochenende ein langes.
Mein Freizeitverhalten ist ruhig. Ich habe nur wenige noch im Kalender stehen. Vorher war ich sehr aktiv, habe viel gemacht und auch viele Termine gehabt.
Einerseits fehlt mir natürlich schwimmen, Theater, Karten spielen, Konzertbesuche usw.
Andererseits ist es auch ganz schön, nicht so einen Terminstress und so viel Programm zu haben.
Die Entschleunigung ist nicht verkehrt für mich.
Auch dass weniger Autos die Straßen verstopfen und sich weniger Menschen durch die Fußgängerinnenzone quetschen erachte ich als positiv.
Bei mir war es zu Beginn alles noch gut auszuhalten, aber mittlerweile ist wird es schon ziemlich eintönig/einsam. Ich vermisse es abends mal weg zu gehen, in Bars oder mehrere Freunde treffen. Öffentliche Veranstaltungen Konzerte, Festivals etc. zu besuchen.
Ich lebe mit meinem Partner zusammen, so dass ich mich nicht einsam fühle.
Ich kann aber gut nachvollziehen, wie schwierig die Situation für Singles jetzt ist und dass es viel schwerer ist, jemanden kennen zu lernen. Dass die Ängste größer sind und dass es manchmal auch faktisch nicht geht, sich zu treffen, wenn es z.B. Ausgangsbeschränkungen gibt oder der andere vielleicht im benachbarten Ausland lebt.
Meine Kinder und auch meine Eltern habe ich weniger häufig gesehen, auch die Schwiegermutter oder die Mutter meines Lebensgefährten. Man telefoniert mehr.
Auch Weihnachten ist letztes Jahr völlig anders verlaufen als sonst. Aber es war auch viel stressfreier. Ich habe eigentlich nichts vermisst, auch an Silvester nicht. Es war halt ruhig bei uns, leiser, kein Qualm in der Luft, kein Tatütata.
Haben sich vielleicht eure Gedanken/ Psychische Situation seit Corona bzw den Kontaktbeschränkungen geändert?
Ich habe eine Gewichtszunahme festgestellt. Das gefällt mir nicht so sonderlich, deswegen möchte ich bald auch mehr Bewegung in mein Leben bringen.
Der Winter, das Graue, Nasskalte in den letzten Wochen war unschön, und bei den KollegInnen haben sowohl mein Partner wie auch ich in der letzten Zeit zunehmende Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit festgestellt.
Ich frage mich, ob es jemals wieder so sein kann wie man es immer gekannt hat. Dass man Menschen umarmt, berührt, dass man mit vielen Menschen zusammen ist und nicht ängstlich schaut, ob der Mindestabstand unterschritten wird. Dass man die Hand gibt und dass man ein Gesicht richtig sehen kann und nicht nur einen Teil davon.
Dass man jemanden im Krankenhaus besuchen kann und dass Geburtstage und ähnliches wieder gefeiert werden dürfen.
Dass man in Urlaub fahren kann.
Mir tun die Menschen Leid, die durch die Coronabeschränkungen nicht arbeiten gehen dürfen, die ihren Job verloren haben und die zu den gesundheitlichen Bedenken auch noch finanzielle Unsicherheiten haben. Sie sind natürlich doppelt gestraft, und ich verstehe daher auch den zunehmenden Missmut gegen die Maßnahmen der Regierung und die Spaltung, die entstanden ist.
Vieles in dieser Hinsicht macht mir auch Sorgen, wie gewalttätige Vorfälle, wie in den Niederlanden kürzlich geschehen, Ausländerbashing, Verschwörungstheorien, Hereinfallen auf Scharlatane, Betrügereien mit gefälschter Schutzkleidung, missbräuchliches Abgreifen von Daten und Subventionen, Wucherpreise für Desinfektionsmittel, Schutzkleidung usw., falsche Impfärzte, kurz Profitieren von der Situation auf Kosten der Gesellschaft.
Ich hoffe, dass wir durch das Impfprogramm die Chance auf ein anderes Leben bekommen, leider hakt es da ja und die Ungewissheit, wann die Schutzimpfung endlich alle, die es wollen, erreicht, ist groß.