@Warden Das ist ein bekanntes Problem, mit dem ich mich in den 90ern beruflich befasst habe. Tatsächlich hat man durch die technische Entwicklung irgendwann Abschied genommen vom freundlichen oder nicht so freundlichen "Schutzmann" zu Fuss an der Ecke im Kiez. Er kannte jeden, jeder kannte ihn.
Dann konnten sich die Behörden leisten, alle verfügbaren Beamten in schicke, moderne und schnelle "Einsatzwagen" oder "Streifenwagen zu setzen." Nicht nur machte das den Dienst bei ewigem Regenwetter angenehmer, man war auch viel schneller und in stärkerer Zahl am Einsatzort. Es schien, eine sinnvolle Modernisierung der Polizeiarbeit zu sein.
In den USA bemerkte man aber bereits in den 60ern, im Rest der Welt vor allem in den 80er Jahren, dass man durch diesen technologischen Schwerpunkt, aber etwas ganz Wichtiges verloren hatte: den direkten Kontakt zum Bürger. Bürger, die auch mal Hinweise gaben, wenn man dem "Schutzmann" begegnete, Bürger, die sich eben durch die Anwesenheit des Beamten auch "beschützt" fühlten und eben vor allem, Bürger, die hinter der Uniform auch einen Menschen wahrnahmen.
In England und den USA versuchte man dann mit zahlreichen Programmen der Entfremdung zwischen Bürger und Polizei durch neue Konzepte des "community policing" entgegenzuwirken, auch in Deutschland gab es solche zaghaften Versuche, z.B. Bezirksbeamte usw. (den in der DDR gebräuchlichen Titel des Abschnittsbevollmächtigten wollte man allerdings nicht wiederbeleben). Man setzte wieder auf Fusstreifen, auf den Einsatz immer der geichen Beamten auf solchen usw.
Allerdings gelten diese Konzepte heute weltweit als gescheitert. Es gab tatsächlich in diesen Jahren einen Rückgang der Kriminalität bei gleichzeitgem starken Ansteigen der Staatsausgaben, und so war es kein Wunder, dass Politiker meinten, dann bei der Polizei einsparen zu können. Und was fiel dem Roststift zuerst zum Opfer? Die gerade wiedererweckte Bürgernähe. Reihenweise wurden kleine Polizeistationen geschlossen - wofür es sicherlich Gründe gab, - was aber wieder genau dieses "Sicherheitsgefühl" der Bevölkerung abbaute. Und so weiter. Auch die Polizeiaufgaben veränderten sich: mehr und mehr wurden Beamte für Grosseinsätze zum Durchsetzen politisch umstrittener Projekte eingesetzt, man erinnert sich an die Themen von Damals: Brokdorf, Wackersdorf, Startbahn West usw. Der "freundliche Schutzmann" wurde von vielen Leuten eher als "Staatsbüttel" empfunden. Das berühmte Bild in der Zeitung vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily mit Helm und Knüppel schwingend hatte eine ganz tragische Wirkung.
Und so verschwanden die Ideen wieder in den Schubladen, man setzte wieder auf eine hochtechnologisierte Polizei, zentral an wenigen Orten untergebracht, mit schnellen Fahrzeugen, Hubschraubern usw usw. Die deutsche Polizei hat auch ganz gute Arbeit geleistet, was die allgemeine Kriminalität anging, aber das Bild des Polizisten in der Öffentlichkeit hatte irreparablen Schaden genommen. Und dann gab es auf einmal ganz andere Probleme, mit welchen die Politiker gar nicht umgehen konnten, z.B. eine Ghettobildung in bestimmten Städten usw.
Auch andere gut gemeinte Ideen waren vermutlich weniger hilfreich als man dachte. Zum Beispiel die Entscheidung, die Polizei-Laufbahn nur noch im gehobenen Dienst beginnen zu lassen, alle neuen Polizisten gleich im Rang eines Kommissars starten zu lassen und in der Ausbildung ein Studium zu integrieren. Auch dafür gab es zahlreiche gute Gründe, aber der "Polizist" war auf einmal gerade in Problembezirken keiner mehr "von uns." Der neue Polizist war ein "Technokrat" geworden, sehr gut ausgebildet, sehr gebildet, gut bezahlt, gut ausgestattet - aber dadurch in gewisser Weise ein Fremdkörper gerade in den Gebieten, wo er oder sie gebraucht wurde (ich schreibe hier der Einfachheit halber von "Polizisten," wobei ich die öffnung des Polizeiberufs für Frauen, die ja noch gar nicht so lange her ist, für eine sehr wichtige und erfolgreiche Änderung halte).
Dann darf man freilich nicht übersehen, dass die Wiedervereinigung ihre eigenen Probleme brachte: in den neuen Bundesländern gab es eine ganz eigene Erfahrung der Bürger mit ihrer "Volkspolizei," welche noch lange den Aufbau der neuen demokratischen Polizei dort belastete.
Am Ende haben manche Kommunen versucht, "community policing" durch die Hintertür einzuführen, indem sie "Ordnungskräfte" mit dem tollen Titel "Stadtpolizei" ausstatten und in polizeiähnliche Uniformen stecken, es aber an Ausbildung, Auswahl und so weiter extrem mangeln lassen. Das musste schiefgehen.
Schliesslich erleben wir eine Gesellschaft, welche die "kritische Distanz" zum "Staat" inzwischen zum Prinzip erhoben hat, damit aber auch nicht recht umgehen kann, sondern im Gegenteil, inzwischen zu absurden Ergebnissen führt, wenn man Angriffe auf Rettungssanitäter und Feuerwehrleute in manchen Kreisen als salonfähigen Ausdruck eben dieser Distanz sieht, nur weil diese Personen eine Uniform tragen.
Was bleibt ist eine riesige Baustelle und Politiker, die m.E. vollkommen hilflos vor dieser stehen.