Abahatschi schrieb:Da bin ich angesichts der Faktenlage gänzlich anderer Meinung.
Ist natürlich hypothetisch, da Lauterbach als Gesundheitsminister trotzdem nicht allmächtig wäre, sondern die Ministerpräsidenten weiterhin ihre eigenen Entscheidungen treffen würden, aber Lauterbach versteht wenigsten die Wissenschaft hinter dem Problem.
Seine Warnungen waren bisher immer zutreffend. Wurden trotzdem ignoriert, weil es natürlich unpopulär ist strengere Maßnahmen zu ergreifen. Aber Notwendigkeit sollte entscheiden, nicht Bequemlichkeit.
@abberline Ein Punkt den ich vergessen habe sind die Schulen.
Wir hatten 1 Jahr Zeit um unsere Schulen darauf vorzubereiten Remote zu Unterrichten.
Vor einem Jahr war schon absolut klar, dass diese Pandemie erst mit einer durchgeimpften Bevölkerung enden wird, also mindestens 2-3 Jahre dauern wird.
Trotzdem hat man sich so verhalten als wäre das jetzt eine kurze Ausnahmesituation.
Und jetzt sind wir 1 Jahr später genauso unvorbereitet auf Lockdowns wie letztes Jahr.
Seitdem ich denken kann spricht die Union von Digitalisierung und Breitbandausbau und jetzt hatten 16 Jahren Unionsgeführte Regierungen und bekommen es nichtmal hin Schüler vernünftig von Zuhause aus zu unterrichten.
Ganze viele Dinge bei denen in den letzten 16 Jahren versagt wurde rächen sich jetzt.
Versäumnisse bei der Digitalisierung. Sparkurse in Gesundheit und Pflege. Bürokratische Hürden in Digital Health.
Und jetzt haben wir da eingebildete Politiker stehen die beleidigt sind wenn man sie auf ihr Versagen hinweist. Nach 16 Jahren an der Regierung muss man auch mal Verantwortung übernehmen können für Dinge, die falsch gelaufen sind. Fehler eingestehen.
Aber nein.
Die Politik wartet darauf, dass der Sommer das Infektionsgeschehen wieder natürlich reduziert. Alle Todesopfer bis dahin sind wohl hinzunehmen dafür, dass die Leute bei Obi einkaufen können.
rhapsody3004 schrieb:Die Politik muss sehr viel berücksichtigen und die unterschiedlichsten Interessen gegeneinander abwägen.
Richtig. Tut sie aber nicht.
Die Aussagen von Spahn kürzlich, dass dieser Anstieg jetzt überraschend kommt zeigt eindeutig, dass er die Warnungen der Wissenschaft nicht verstanden hat, oder ihnen nicht geglaubt hat.
Auf welcher Faktenbasis wurden also die Lockerungen vor Kurzem beschlossen? Warum hat man die Kinder wieder in die Schule geschickt während man wusste, dass wir bereits exponentielles Wachstum bei der viel ansteckenderen neuen Variante haben?
War das mutwillige Sabotage oder himmelschreiende Dummheit?
Die Politik muss abwägen zwischen dem Verlust von Menschenleben, der Einschränkung von Freiheit und wirtschaftlichem Schaden durch restriktive Maßnahmen.
Die Politik hat sich nun seit letzten Sommer dazu entschieden, dass langfristige Einschränkungen von Freiheit und konstant viele Todesopfer hinzunehmen sind, solange zumindest die Wirtschaft noch halbwegs normal weiter laufen kann.
Diese Entscheidung halte ich für falsch, unwissenschaftlich und unmoralisch.
Sie ist aber erwartbar in einem Land in dem wirtschaftliche Interessen seit Jahrzehnten die Politik maßgeblich lotsen.
rhapsody3004 schrieb:Jedoch ist der harte Hammer (aus juristischer Sicht) nicht immer sofort der richtige, egal ob Mediziner dazu raten.
Na doch. Vor einem Jahr haben Experten dazu geraten. Viele Ländern haben es so gemacht und sind damit extrem erfolgreich gefahren.
Härtere Lockdowns, dafür kürzer mit weniger Todesopfern und weniger wirtschaftlichem Schaden und schnellerer Erholung danach.
Das bedeutet natürlich auch, dass der Staat Geld locker macht um die Menschen und die Wirtschaft während dem harten Lockdown zu unterstützen. Aber bei uns in Deutschland labert sogar ein Sozialdemokrat wie Olaf Scholz von der schwarzen Null. Das ist so dermaßen dämlich...
Die USA haben gerade 1.9 Billionen investiert und arbeiten jetzt an einem 3 Billionen schweren Infrastrukturpaket.
Es wurde jetzt 40 Jahre gewartet, dass der Markt sich von alleine in die richtige Richtung entwickelt, aber er tat es nicht. Also ist die einzige verbleibende Lösung staatlich zu Investieren.
Deutschland wird leider noch von einer neoliberalen Führung geleitet, aber neoliberale Ansätze sind völlig ungeeignet um eine Pandemie zu bekämpfen.
Wenn wir nicht schnell anfangen diese Ideologie hinter uns zu lassen wird Deutschland vor allem in den Jahren nach der Pandemie extrem abgehängt werden.
Jetzt ist Zeit für massives staatliches Investieren. Wer das nicht tut wird nicht wieder auf die Beine kommen.
Letztendlich ist es diese neoliberale Ideologie die unserer Politik hier in Deutschland zugrunde liegt.
Die ist weder geeignet um Probleme wie die Corona-Pandemie vernünftig anzugehen, noch ist sie geeignet um so Probleme wie den Klimawandel und technologische Transformation zu lösen.
Deswegen denke ich, dass, unabhängig von Corona, die Zukunft Deutschlands davon abhängt, dass unsere nächste Regierung dem Neoliberalismus abschwört.
Biden hat das in den USA getan. Die Wirtschaftswissenschaftler die die letzten 40 Jahre politische Entscheidungen diktiert haben sind weg vom Fenster. Eine neue Generation mit anderen Ansätzen ist nun da.
Bei uns haben aber noch die Alten das Sagen.
Ich denke viele Leute unterschätzen wie Wirkmächtig ideologische Trends in den Beraterklassen sind. Diese Leute diktieren die Politik, die gemacht wird.
Ob das jetzt von der Leyen in der EU oder Spahn bei uns ist, die mit ihren Beraterhorden von Boston Consulting, McKinsey oder sonstwo Politik machen nimmt sich wenig. Diese Berater reproduzieren die neoliberalen Dogmen, die sie die letzten 40 Jahre gelernt haben und führen uns damit in den Abgrund.
Während an den Unis schon eine Trendwende stattgefunden hat und der Neoliberalismus (der 2008 zur Finanzkrise noch unangefochten war) nun am Ende ist, sind die Berater noch auf dem alten Holzweg unterwegs und unsere Politiker sind zu dumm selbst zu denken.
Und wer jetzt denkt "Was hat denn der Neoliberalismus mit Corona zu tun?", soll einfach mal darauf schauen wie oft wirtschaftliche Interessen Priorität über gesellschaftliche Interessen bekommen haben in den letzten Monaten.
Dieser Trend bei der Priorisierung ist die Konsequenz tief verankerter neoliberaler Ideologie, die besagt, dass alles was gut für die Wirtschaft ist auch gut für die Gesellschaft ist - eine katastrophal falsche Annahme, die die letzten 40 Jahre wie ein zentraler Glaubenssatz über westlicher Politik schwebte.