@symbiotic Ich sehe die Kommunikation via Internet nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung an.
Ich betrachte das Internet einerseits als Info-Quelle: Eine Fülle von Informationen sofort verfügbar, etwas das Generationen vor uns eben nicht hatten. Ja, ich kenn' das noch: In Bibliotheken Bücher oder Zeitungs-Jahrgänge wälzen um für einen Artikel oder politische Arbeit zu recherchieren!
In der Verlagsbranche habe ich global vernetzt gearbeitet. Texterfassung in China, Online-Service in Indien, Druck in Polen oder der Ukraine, Datenbanksysteme in den USA, Kunden in aller Welt. Was hätte ich da ohne das böse World Wide Web gemacht? Hinfliegen? Bei Gretas Zöpfen - das wäre eine verdammt miese Öko-Bilanz geworden! Ganz abgesehen vom Stress. "Was haben wir heute? Dienstag?? Dann muss das hier Tokio sein!"
Natürlich ist das Netz nicht nur Werkzeug, sondern auch Informations- und Unterhaltungsquelle. Ich will mal eben schnell gucken, ob sich die Reparatur meines Druckers ggf. selbst machen lässt? Welche Yoga-Matte ist für meinen Sohn die geeignete? Gibt es jenes Buch inzwischen in einer deutschen Übersetzung? Wie wird das Wetter morgen? Was hat dieser Politiker da eben noch mal im Radio gesagt? Mist, ich habe eine Folge von "Das Institut" verpasst, die Mediathek rettet mich. Lebt eigentlich dieser oder jener Künstler noch? Wikipedia hilft. Und dann die Möglichkeit, endlich die MusikerInnen zu hören, deren Konzertbesuche oder auch nur Platten ich mir früher nicht leisten konnte. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Missen möchte ich das alles nicht, auch wenn ich vorher ohne all das ausgekommen bin, weil ich es, Ungnade der frühen Geburt, musste.
Darüber hinaus bietet das Internet mir die Möglichkeit der globalen Kommunikation -nicht nur beruflich, sondern eben auch privat. Egal, ob über Foren, die sich mit Luftfahrt, Militärgeschichte oder Sex & Crime & Blödsinn beschäftigen, oder über Ebay oder Clubs im Netz - ich habe die Möglichkeit, mich mit Menschen aus aller Welt auszutauschen. Ich kann mit einem Angehörigen der iranischen Luftwaffe über die deutsche Nachtjagd im 2.Weltkrieg diskutieren, mit einem Paar aus den USA über Bondage-Sicherheit, mit einem spleenigen Japaner über die Unterschiede verschiedener Airfix-Blisterpacks oder hier mit Kiddies über Poltergeister und Liebesqualen kommunizieren - ich habe regen Kontakt zu Menschen, die mir ohne Netz nie begegnet wären.
Ob ich sie allerdings im "echten Leben" würde treffen wollen? Na, ich weiss ja nicht!
Im Netz habe ich diese perfekte Mischung aus Nähe und Distanz, die im Reallife nicht immer gelingt. Wer jemals von einer Netz-Bekannschaft verfolgt wurde, wird allerdings wissen, dass die Grenzen auch hier fliessend und die Risiken hoch sein können.
Wie schon ober geschrieben: Ich habe über das Netz jede Menge interessante Menschen kennen gelernt: Australische Jaguar-Schrauber, pakistanische und iranische Luftwaffen-Offiziere, belgische Schafzüchter, deutsche Masochistinnen, polnische Luftfahrthistoriker, amerikanische Modellbausatz-Sammler und eine Menge mehr. In unserem Dorfkrug wären mir die mit Sicherheit nie begegnet. Danke, liebes Internet!
Im Reallife treffen kann ich mich mit ihnen ja bei Sympathie immer noch. Das eine muss das andere nicht ausschliessen - inklusive aller Risiken und Nebenwirkungen, die die Nähe zu Menschen so mit sich bringen kann. Es können so durchaus Freundschaften, Tauschringe oder sogar Sexualbeziehungen entstehen. Was will der Mensch mehr?