Interview mit Frank C. Waldschmidt (Experte für Krisen- und Bedrohungsmanagement) zu dem Fall
http://www.rp-online.de/nrw/gewalttat-in-euskirchen-schueler-brauchen-jetzt-normalitaet-aid-1.6292791Für die Lesemuffel einige Auszüge...
Frage der Reporterin
Die beiden mutmaßlichen Täter sind auffallend jung, gerade zwölf Jahre alt. Sind das Ausreißer oder haben Sie oft mit derart jungen Tätern zu tun?Waldschmidt: Ähnlich wie bei Suiziden, nehmen wir auch bei Gewalttaten wahr, dass Täter und Opfer auch immer häufiger in jüngeren Altersklassen zu finden sind. Erst kürzlich wurde ich mit dem Suizid eines Zehnjährigen konfrontiert, und ein Drittklässler versuchte, seine Grundschullehrerin mit einem Brecheisen hinterrücks zu verletzen.
Wie man sieht ist es kein Einzelfall und auch wenn die Kinder- und Jugendkriminalität abnimmt und rückläufig ist, wird es immer wieder solche Fälle geben, bei denen in meinen Augen früher gehandelt werden muss.
Waldschmidt: Es gibt an Schulen Parallelwelten, die sich der Aufmerksamkeit von Lehren und Eltern entziehen. Da leben Schüler ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten. Das ist einfach so. Wichtig ist, dass auch verbale Gewalt nicht toleriert wird. Für Schüler ist ganz wichtig wahrzunehmen: Wo sind die Grenzen hier an der Schule? Wie weit kann ich gehen? Sie müssen erfahren: Hier wird keine Gewalt toleriert – auch keine verbale.Und genau deswegen bin ich dafür das die Täter der Schule verwiesen werden. Alleine schon, um anderen zu zeigen, dass so etwas bestraft und nicht toleriert wird. Man muss die beiden ja nicht gleich ins Heim stecken, aber an der Schule haben sie mMn. wie so einige hier geschrieben haben nichts mehr zu suchen.
Frage der Reporterin:
Könnte es denn auch sein, dass der Schüler in einer Art Kurzschluss-Reaktion zugeschlagen- oder getreten hat?Waldschmidt: Meiner Erfahrung nach ist es ein Mythos, dass es plötzliche Gewaltausbrüche gibt, die aus heiterem Himmel kommen. Also dass ein Schüler vorher in keiner Weise auffällig geworden ist. Das ist eher ungewöhnlich. Es scheint sich auch im Fall des Täters von Euskirchen zu verdichten, dass es eine Geschichte gibt. Das nehme ich in vielen anderen Fällen auch wahr. Es sind häufig schon vorher Dinge vorgefallen. Das erfährt man dann aus der Peergroup desjenigen, also aus seinem direkten Umfeld. Da gab es dann vielleicht schon mal Gewaltphantasien oder es gab schon mal eine Bedrohung. Für Schulen müssen das die Indikatoren sein, zu intervenieren. Das scheint so auch hier der Fall gewesen zu sein. Häufig spielt Demütigung eine Rolle, die zu einem Selbstwertverlust geführt haben. Da tropft dann stetig etwas in ein Fass, das dann irgendwann überläuft – dann kommt es zu solchen explosionsartigen Ausbrüchen.Seh ich genauso. Zumindest bei dem einen Täter hatten mehrere Eltern angegeben das die Schulleitung darüber informiert war, dass er im Vorfeld schon anderen Schülern gegenüber gewalttätig war.
Es gibt genügend andere Fälle, bei denen den Behörden die Hände gebunden sind, weil die Täter noch keine 14 Jahre alt sind und genau deswegen erachte ich es auch als sinnvoll die Strafunmündigkeit von 14 auf 12 Jahren herab zu setzen.
Das hier sind nur einige Beispiele wie dieser aus der NWZ
http://www.nwzonline.de/oldenburg/blaulicht/krimineller-13-jaehriger-frustriert-behoerden_a_9,3,4034077105.htmloder der hier aus der WAZ
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/170-straftaten-polizei-kann-13-jaehrige-nicht-belangen-id8083602.htmloder noch ein krasses und vielleicht auch übertriebenes Beispiel aus der Welt N24, aber selbst das gibt es
https://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article128096016/14-jaehriger-Junge-wird-rund-um-die-Uhr-ueberwacht.htmlWas ich damit sagen will ist, dass man nicht zweierlei Maß messen sollte. Einerseits heißt es die Kinder werden immer frühreifer auf Grund der heutigen Entwicklung, sei es durch Schule, oder was auch immer und gesteht ihnen ein Wahlrecht mit 16 und einen Führerschein mit 17 zu, aber anderseits heißt es wiederum das Kinder unter 14 nicht in der Lage sind (übertrieben gesagt) eine Backpfeife von einer schweren Körperverletzung, wie in dem Fall durch Tritte gegen den Kopf zu unterscheiden.
Natürlich ist nicht jeder gleich reif, aber das liegt bei 18-21 jährigen, und zum Teil auch älteren, wenn es um Verurteilung durch Jugendstrafrecht geht ja auch im Ermessen von Richter und Psychologen, also warum dann nicht auch schon bei unter 14 jährigen?
Es geht mir auch nicht unbedingt um härtere Strafen, oder Knast, sondern darum das es den Behörden (Jugendamt, Familienstellen, Polizei) früher ermöglicht werden sollte einzugreifen und ggf. verpflichtende Termine für eine Psychotherapie oder Anti-Aggressions-Kurs anordnen zu können.